Projektmanagement Auch der „stärkste Plotter der Welt“ hört auf den „Preempt-Patch“

Autor / Redakteur: Prof. Dr.-Ing. H.-P. Schmidt / Reinhard Kluger

Forschung, Machbarkeitsstudien sowie Hard- und Softwareentwicklungen sind Thema des Fachbereis Elektrotechnik der Hochschule Amberg-Weiden. Zur Zeit untersucht man u.a. die Einsatzmöglichkeiten von Linux mit Echtzeiterweiterung. Entwickelt wurde ein Profinet-Modul auf Basis des EERTEC 200-Chips. Und: Man untersucht die Möglichkeiten der kontaktlosen Energie- und Datenübertragung für die Automatisierungstechnik.

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Für die Ansteuerung von Antrieben werden im Labor die Einsatzmöglichkeiten von Linux mit Echtzeiterweiterung und Industrial Ethernet untersucht. Neben RTAI ist hier der „Preempt Patch“ besonders interessant, da große Teile dieser Echtzeiterweiterung bereits im Linux-Standardkernel implementiert sind. Somit kann auch aktuelle leistungsfähige Hardware ohne aufwändige Konfigurationen verwendet werden. Selbst für die inzwischen am weitesten verbreitete Distribution „Ubuntu“ steht der Patch komplett zur Verfügung. Die Einsatzmöglichkeiten werden an der Testanlage LAST (Labor Anlagentechnik Systemtest) im Labor Anlagentechnik unter realen Bedingungen untersucht. Die Anlage ist eine universelle Testumgebung, die eine Vielzahl gesteuerter und geregelter Antriebe unterschiedlicher Hersteller umfasst. Diese können über Hunderte von Metern Leitung gespeist werden.

Als Teilsystem der Anlage LAST wird der „stärkste Plotter der Welt“, eine 3D-Positioniereinrichtung, eingesetzt. Seine Achsen werden von leistungsstarken Servomotoren angetrieben. Weitere Teilsysteme sind eine Linearachsenanwendung und eine Taktstraßennachbildung, um komplette Industrieanwendungen abzubilden. Für Untersuchungen zur industriellen Kommunikation werden einzelne Antriebe oder Antriebsgruppen auch über diversere klassische Bussysteme, wie z.B. AS-i, CAN oder ProfiBus angesteuert. Diese kommunizieren mittels Gateways über Ethernet mit den übergeordneten Linux-basierten Steuerungen. Damit werden Antriebe, die über unterschiedliche Bussysteme angesprochen werden, mittels Linux-gesteuerten Automatisierungsgeräten angesteuert.

Wir sprechen Industrial Ethernet

Ausgehend von der, an der HAW entwickelten RAW-Ethernet Kommunikation, werden auch kommerziell verfügbare Varianten betrachtet. Gemeinsam mit dem An-Institut „aia automations institut“ wurde im Labor ein universell einsatzbares PROFINET-Modul „Uni-PNIO“ (Universal PROFINET IO) auf Basis eines Siemens ERTEC 200-Chips entwickelt. Mit dem aia zusammen wurde daraus auch eine industriekonforme IO-Device-Anschaltung erarbeitet, mit der sich auch umfangreichere Steuerungsaufgaben realisieren lassen. Die Zuverlässigkeit und Funktionsfähigkeit der Uni-PNIO-Module, aber insbesondere auch das tatsächliche Zeitverhalten der PROFINET-IO-Kommunikation, wurden für unterschiedliche Topologien unter realen Bedingungen untersucht. Dabei sind im Systemtest mit über 50 Modulen im Labor die Kommunikationseigenschaften bei Zykluszeiten bis zu 1ms betrachtet worden.

Für die Integration in die Anlage LAST wurde auch die Kommunikation der Uni-PNIO PROFINET-Module, mit dem auf ARM-9 Controller basierenden Kleinsteuerungen implementiert. Parallel dazu entwickelte aia, auf Basis des Open Source Echtzeitbetriebssystems ECOS, auch die entsprechende Firmware zum Betrieb der Module. Der PC PROFINET-Controller „CP1616“ wurde nicht nur mit RTAI als Echtzeitlinux betreiben, sondern es konnte auch der erfolgreiche Einsatz des Preempt-Patch gezeigt werden. Damit ist es mögliche, dass der Preempt-Patch für den Einsatz von echtzeitfähiger Steuerung mit PROFINET eingesetzt werden kann.

Hoch effiziente, kontaktlose Energie- und Datenübertragung

Weltweit untersuchen mehrere Forschungsgruppen die kontaktlose Versorgung von Fördereinrichtungen und das Laden von Akkumulatoren. Im Labor Anlagentechnik dagegen werden die Grenzen und Möglichkeiten der kontaktlosen Energie- und Datenübertragung für den Einsatz für Komponenten der Automatisierungstechnik betrachtet. In Zusammenarbeit mit Partnern werden zwei Szenarien erforscht. Zum einen Anordnungen von anreihbaren Komponenten für die Hutschienenmontage, wie zum Beispiel „Busklemmen“, zum anderen Aktoren und Sensoren im Feld, die über eine Art Kabel mit Daten und Energie versorgt werden können. Die übertragenen Leistungen, die hier betrachtet werden, liegen im Bereich von einigen Watt pro Module und einigen 10 Watt pro Aktor. Die Datenraten reichen dabei von 1Mbps bis über 10 Mbps.

Für die Auslegung und die Optimierung werden detaillierte 3-D FEM Berechnungen durchgeführt, mit deren Hilfe nicht nur die magnetischen Größen optimiert, sondern auch Verluste im Bereich bis zu 100kHz minimiert werden. Hier wird die OPERA 3D Suite von Vector Fields sehr erfolgreich eingesetzt. Mit dieser Software lassen sich auch anspruchsvolle Simulationsaufgaben lösen. Die Abschirmwirkung und ortstaufgelösten Wirbelstromverteilungen lassen sich dabei mit großer Genauigkeit bestimmen. Dies zeigte sich bei Messungen an Testmustern. Die Magnetfelder wurden mit einem selbst entwickelten 3-D Messgerät bestimmt, deren Positioniergenauigkeit besser als 0,1 mm ist und der Frequenzbereich sich bis zu ca. 300 kHz erstreckt. Es wurden bereits Strecken mit einer Energieeffizienz von über 90 Prozent realisiert, bei Datenraten, die größer als 1 Mbps waren. Die weiteren Entwicklungen beinhalten das Adaptieren von LLC-Konvertern und entsprechenden Abnehmern und die Erhöhung der Datenraten. Damit wurde eine hocheffiziente Datenübermittlung für eine kontaktlose Übertragung entwickelt.

Kostengünstige kabelgebundene Übertragung

Das kostengünstige gemeinsame Übertragen von Energie und Daten für den Einsatz in der Intralogistik stand bei den Untersuchungen im Vordergrund. Ziel war einen möglichst einfachen Aufbau eines Kabels anstelle von aufwändiger leitungsgebundenen Übertragung zu ermöglichen. Die Machbarkeit einer DC- und einer AC-Versorgung, gemeinsam mit der Datenübertragung, konnte demonstriert werden und kommt jetzt in der Intralogistik zum Einsatz. Damit wird ein Beitrag zur Kosteneinsparung geleistet.

Sicherheit als entscheidender Faktor

Am An-Institut werden auch sicherheitsgerichtete Entwicklungen durchgeführt. Das aia arbeitet beispielsweise für Infineon an der Entwicklung einer Sicherheitsbibliothek für Ihre Microcontroller-Serie TriCore mit. Diese Bibliothek bietet Funktionalität zum Überwachen sicherheitsrelevanter Hardwarekomponenten des Prozessors. Dabei werden unter anderem die Recheneinheit, interne Bussysteme, interner Speicher sowie diverse Peripheriemodule überwacht. Die einzelnen Überwachungsmechanismen können frei konfiguriert werden, so dass ein für nahezu jede Anwendung geeignetes Maß an Sicherheit erreicht werden kann. Somit unterstützt diese Bibliothek maßgeblich die Kunden bei der Implementierung sicherheitskritischer Software in ihren Projekten.

Aber das aia führt zur Zeit auch die komplette Hard-und Softwareentwicklung für eine SIL3 Sondersteuerung durch. Auftraggeber ist dabei ein mittelständischer Betrieb. Neben sicherheitsgerichteten Ein- und Ausgängen werden redundante Prozessormodule eingesetzt. Sicherheitsgerichtete Firmwareentwicklung steht bei diesem Projekt im Vordergrund.

(klu)

Prof. Dr.-Ing. H.-P. Schmidt, Hochschule Amberg-Weiden

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