Dokumentationslücke geschlossen Automatisiert prüfen und archivieren auch im schnellen Fertigungsablauf

Autor / Redakteur: Wolfgang Faulhaber, Markus Pohl / Reinhard Kluger

Auch bei schnelllaufenden Herstellverfahren darf die 100-Prozent-Kontrolle nicht auf der Strecke bleiben, nur weil das Dokumentieren länger dauert als das Fertigen. Jetzt lassen sich Sensordaten für jeden Hub automatisch generieren, ohne dass der Anwender eingreifen muss. Die Masse an Messwerten lässt sich dann zur Prozessdokumentation verdichten.

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Mehr und mehr nähern sich auch bei Massenteilen die Anforderungen an die gefertigte Qualität der Grenze von null ppm (parts per mio.). Bei komplexeren Produkten oder sicherheitsrelevanten Teilen, die mit eher langsamen Taktraten gefertigt werden, findet man zur Einhaltung der Qualitätskriterien häufig automatisierte Systeme für eine 100-Prozent-Kontrolle mit angeschlossener 100-Prozent-Dokumentation.

Anders bei kleineren Zulieferteilen, die mit schnellen Taktraten auf Hochleistungsautomaten gefertigt werden. Dort sind gängige Systeme gewöhnlich überfordert. Die entstandene Dokumentationslücke lässt sich mit den üblichen statistischen Methoden (SPC) nur teilweise schließen, weil zwischen zwei Stichproben keine weitere Kontrolle stattfindet. Die Firma Schwer + Kopka GmbH hat mit dem MES-Modul SK-prodis (Produktions- und Informationssystem) ein System entwickelt, das eine Prozessdokumentation auch bei schnellen Herstellungsprozessen zu 100 Prozent ermöglicht.

Als Faustformelgilt: Je höher die Sicherheitsanforderungen und je größer die Bauteile, desto kompletter und lückenloser ist auch die Prüfung und Dokumentation des Herstellungsprozesses. Aus dem Umkehrschluss folgt: Je geringer die Sicherheitsanforderungen und je kleiner die Bauteile, desto lückenhafter ist auch die Prüfung und Dokumentation des Herstellungsprozesses.

Hinterachsen von Automobilen beispielsweise gelten als „Hochsicherheitsteil“. Sie werden daher zu 100 Prozent geprüft und gekennzeichnet, bevor sie an den Automobil-OEM geliefert werden. Die Prüfwerte werden umfassend dokumentiert und archiviert, so dass über Jahre eine Rückverfolgbarkeit jeder einzelnen Achse und der montierten Funktionsbaugruppen möglich ist. Die hundertfach in einem Fahrzeug verbauten Kleinteile wie Verbindungselemente oder Stanzteile hingegen können diesen Prüfumfang nicht bieten.

Prüfungs- und Dokumentationsformen heute

Die heute üblichen Prüfungs- und Dokumentationsformen insbesondere in der Zulieferindustrie lassen sich in zwei Bereiche gliedern:

  • Stichproben (SPC)
  • 100-Prozent-Dokumentation

Die Dokumentation von Stichproben über SPC-Systeme (Statistical Process Control) ist die mit Abstand häufigste Art der Prüfung und Dokumentationsform in der industriellen Serienproduktion. Über geeignete Messmittel werden hier nach einem vorgegebenen Rhythmus Stichproben entnommen, die im Prüfplan vorgesehenen Merkmale erfasst und statistisch ausgewertet. Mit Hilfe dieser Statistik — verbunden mit vorgegebenen Grenzen — lassen sich Prozessverläufe beobachten und steuern. Verlässt der Prozess z.B. aufgrund von Werkzeugverschleiß die aktuell geltenden Eingriffsgrenzen, wird das Bedienpersonal gewarnt und kann korrigierend eingreifen. SPC ist ein wichtiger Baustein in der Kette der Prozessoptimierung, eine lückenlose 100-Prozent-Dokumentation von Prozessdaten ist sie aber nicht und scheidet somit aus.

Weitaus seltener als die SPC ist die 100-Prozent-Dokumentation in der Zulieferindustrie anzutreffen. Anwendungen findet man mitunter bei der Herstellung von Hochsicherheitsteilen in der Luftfahrt- und Automobilindustrie vorzugsweise bei Fertigungen mit relativ langsamen Takt- oder Zykluszeiten, wie bei dem eingangs erwähnten Beispiel der Hinterachse geschildert. Die 100-Prozent-Dokumentation stösst an ihre Grenzen, wenn kleine Teile in hohen Takt- oder Zyklusraten produziert werden.

Läuft beispielsweise ein Stanzautomat mit 500 Hüben pro Minute, so betrüge die Prüf- und Dokumentationszeit pro Teil sicherlich ein Mehrfaches der eigentlichen Produktionszeit, was eine 100-Prozent-Dokumentation in aller Regel technisch nicht machbar und unwirtschaftlich macht. Damit scheidet bei hohen Produktionsgeschwindigkeiten eine maßliche Prüfung aller relevanten Merkmale der Teile aus. Nun müssen andere Merkmale definiert werden, die qualitätsrelevant und gleichzeitig einfach erfassbar sind. Ein weiteres Hemmnis stellt bei schnellen Prozessen auch die Speicherung und die Handhabung des erzeugten großen Datenvolumens dar, das sich im Laufe der Zeit ergibt.

Automatisierte 100-Prozent-Dokumentation vom Spezialisten

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Auf Basis der drei Anforderungen Machbarkeit, Tauglichkeit und Wirtschaftlichkeit (siehe Kasten) hat der MES-Spezialist Schwer + Kopka GmbH ein Dokumentationssystem entwickelt, das als Alternative zur Maßprüfung der Teile eine aus dem Prozess gewonnene Messgröße heranzieht. Ein zuverlässiges Kriterium für viele Fertigungsprozesse in der Metallverarbeitung sind die zur Produktion der Teile benötigten Kräfte. Zur laufenden Überwachung des Fertigungsprozesses und zum Schutz von Maschine und Werkzeugen ist die Kraftmessung seit vielen Jahren im Einsatz. Beispiele hierfür sind die Presskraftüberwachung beim Stanzen, Clinchen und Umformen, oder die Schnittkraftmessung beim Drehen oder Bohren. Die dort im Einsatz befindlichen elektronischen Gerätesysteme sind gerade für die schnellen Fertigungsanlagen konzipiert und können auch bei kürzesten Zykluszeiten die Messsignale hoch auflösen und auswerten.

Als typische Anwendung sei das im Automobilbereich häufig zur Verbindung mehrerer Bleche eingesetzte Clinchen genannt, bei dem die Bleche unlösbar miteinander verbunden werden. Eine Prüfung der Haltbarkeit der Verbindung ist ohne Zerstörung derselben nicht möglich. Jedoch ist die zur Herstellung des Clinchpunktes benötige Kraft ein anerkanntes, zuverlässiges Kriterium für die erreichte Verbindungsqualität. Nur wenn die Clinchkraft einen bestimmten Wert im Endpunkt des Zusammenpressens der Bleche erreicht hat, weist die Verbindung die nötige Festigkeit auf. Einige Automobilhersteller schreiben daher für das Clinchen eine hundertprozentige In-Prozesskontrolle und eine vollständige Dokumentation der gemessenen Werte über einen Zeitraum von 12 Jahren vor.

Zur Machbarkeit: Ein wesentliches Ziel bei der Entwicklung war eine möglichst anwenderfreundliche Handhabung des Systems, indem auf eine Bedienung und Pflichteingaben seitens des Anwenders vollständig verzichtet werden sollte.

Das Herzstück der automatisierten Dokumentation bildet ein Überwachungssystem, das die kalibrierten Presskräfte eines jeden Maschinenhubes oder Produktionszyklus’ registriert und speichert. Diese Speicherung erfolgt permanent und muss nicht durch An- oder Abmelden des Maschinenbedieners gestartet bzw. beendet werden. Die erfassten Daten werden wahlweise über Ethernet, W-Lan oder mittels Datenfernübertragung (Internet) an einen zentralen Serverrechner weitergeleitet und dort in einer Datenbank abgelegt. Auf Wunsch kann via Datenfernübertragung auch ein örtlich entfernter Werkzeugbau auf die Daten zugreifen.

Speichervolumen wird möglichst gering gehalten

Zur Tauglichkeit: Das eingesetzte Überwachungssystem verfügt über einen schnellen digitalen Signalprozessor (DSP), welcher auch Taktraten von über 2000 min-1 zuverlässig erfassen und verarbeiten kann. Je nach Informationsbedarf kann der Anwender die gespeicherten Kraftwerte für längere Zeiträume in konzentrierter Form bis hin zum einzelnen Hub jedes beliebigen Zeitpunktes abrufen.

Auf Wunsch lassen sich auch komplette Kraftkurvenverläufe speichern, die dann dem Nutzer in Form von Einzelsignalen oder Kurvenscharen zur Verfügung stehen. Damit ist im Fall von Reklamationen auch im Nachhinein ein sehr detaillierter Nachweis darüber möglich, mit welchen Prozessparametern die Teile wirklich gefertigt wurden.

Über eine spezielle Speicherlogik wird sichergestellt, dass das Speichervolumen möglichst gering gehalten wird. Die Protokollierung der erzeugten Kraftwerte ist selbst über Jahre bei geringem Speicheraufwand möglich.

Zur Wirtschaftlichkeit: Einmal installiert, entsteht dem Nutzer des Dokumentationssystems durch den vollständig automatisierten Ablauf der Prozessdokumentation kein zusätzlicher Aufwand.

Mit dem MES-Modul SK-prodis wurde ein System entwickelt, welches nun eine 100-Prozent-Kontrolle und Dokumentation von qualitätsrelevanten Merkmalen auch bei sehr schnellen Herstellungsprozessen ermöglicht. Als Marktneuheit sieht der Überwachungs- und MES-Spezialist den 100 Prozentigen Umfang verbunden mit dem vollständig automatisierten Ablauf der Prozessdokumentation an. Erstmalig werden Sensordaten für jeden Hub, automatisch und ohne aktives Eingreifen des Anwenders generiert und für die Prozessdokumentation verdichtet. Aus dem vorhandenen, lückenlosen Material kann der Anwender bei Bedarf eigene Dokumentationsreports erstellen. Dank des automatisierten, bedienlosen Ablaufs beschränken sich die Unterhaltkosten auf das Bereitstellen von Speicherkapazität.

Das automatisierte Dokumentationssystem kommt den stetig zunehmenden Forderungen nach Rückverfolgbarkeit von wichtigen Prozessdaten wie den Schnitt-, Clinch-, Umform- und Presskräften entgegen.

Wolfgang Faulhaber, Schwer+Kopka, Weingarten, Markus Pohl, Schwer+Kopka, Hilden

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