Bildverarbeitung Der Framegrabber als Sprungbrett
Intelligente Kameras mit integrierter Firewire- oder USB-Schnittstelle sind in der industriellen Bildverarbeitung auf dem Vormarsch. Dadurch...
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Intelligente Kameras mit integrierter Firewire- oder USB-Schnittstelle sind in der industriellen Bildverarbeitung auf dem Vormarsch. Dadurch scheint der altbewährte Framegrabber zunehmend ins Abseits zu geraten, zumal jetzt auch noch Gigabit-Ethernet hinzukommt. Dennoch ist Mathias Leumann, Firmengründer von Leutron Vision überzeugt, dass die Bildverarbeitungskarte mit ihren besonderen Vorzügen auch weiterhin ihre Daseinsberechtigung hat und ihre Nischen findet.
Ihr Unternehmen, Herr Leumann, ist mit der Entwicklung von Bildverarbeitungskarten, den Framegrabbern, groß geworden. Seit kurzem stellt Leutron Vision aber auch Kameras her. Was hat Sie dazu bewogen, als KMU in diesen heiß umkämpften Markt einzusteigen? Neigt sich das Geschäft mit Framegrabbern etwa dem Ende zu?
Schon zu Beginn dieses Jahrtausends wurde erkennbar, dass sich der Marktanteil der klassischen Framegrabber in diesem Jahrzehnt verringern wird. Um potenzielle Umsatzverluste aufzufangen, haben wir bereits 1999 in einem ersten Schritt unsere Framegrabber-Technologie mit Intel-Pentium-Prozessoren zu kleinen, hochleistungsfähigen Vision-Systemen verschmolzen. Das war sozusagen eine Technologie-Erweiterung auf einer der beiden Schnittstellen-Seiten des Framegrabbers, womit wir wertvolles Know-how über Embedded-Processing gewannen. Nun haben wir uns seit Ende 2005 auch noch der Kameraseite zugewandt.
Bei der neuen Kameraserie PicSight wartet Leutron Vision mit viefältigen Optionen auf. Was sind die Hintergründe?
Wir konnten nicht als 397ster Kamerahersteller mit ein oder zwei Kameras auf den Markt treten. Man hätte uns dann nicht ernst genommen. Framegrabber-Hersteller waren ehedem schon auf der Liste der Firmen mit Dead-End, die belächelt wurden. Das bekamen wir in der Vergangenheit mehrmals zu spüren. Also wollten wir am Markt mit fortschrittlichster Technik und einem beeindruckenden Portfolio einen respektablen Knall erzeugen. Und das ist uns gelungen.
Kameras herzustellen erfordert aber doch einen anderen Background als Framegrabber zu entwickeln. Woher hat Leutron Vision das notwendige Know-how?
In unserer langjährigen Tätigkeit als Framegrabber-Hersteller haben wir gelernt, tausend verschiedene Kameramodi von mehreren hundert unterschiedlichen Kameras der führenden Hersteller zu erstellen und zu verwalten. Außerdem lag es in der Vergangenheit sowieso meistens beim Framegrabber-Produzenten, Applikationen zu realisieren und zu betreuen. Vor allem auch dann, wenn technische Probleme mit den Kameras auftraten. Deshalb konnten wir enormes Wissen erwerben. Zum Teil besaßen wir danach sogar bessere Kenntnisse über die Kameras als der Hersteller selbst. Diese jahrelangen Erfahrungen haben wir zusätzlich in die Produktionslogistik einfließen lassen und nutzten nun die einmalige Gelegenheit als Noch-nicht-Kamerahersteller, 28 verschiedene Kameras gleichzeitig zu entwickeln. Das impliziert eine wesentlich durchdachtere Hard- und Software-Architektur, vereinheitlichte Betriebsmodi, gute Modularität und die Minimierung der verwendeten Komponenten gegenüber Kamerasystemen, die zeitlich nacheinander entwickelt wurden.
Trotzdem: Übernimmt man sich mit einem solch breiten Portfolio nicht schnell?
Nein, denn es kommt uns zugute, dass sich der Markt mit Einführung der digitalen Mainstream-Kameras gewaltig zu unseren Gunsten gewandelt hat. Das machte die Entwicklungsarbeit nach unserer Erfahrung deutlich einfacher als erwartet und reduzierte sich vor allem darauf, Sensoren zu implementieren und ein sinnvolles Gehäusekonzept zu erarbeiten. Der Rest bleibt mehr oder weniger Framegrabberei einschließlich Software-Aufgaben, wie wir sie seit 20 Jahren erfolgreich betreiben. Ein klassischer Kamerahersteller dagegen muss sich das gesamte Framegrabber- und Software-Know-how erst erarbeiten, vor allem auch das anwendungsspezifische Software-Know-how. Gerade letzteres bereitet vielen Firmen heute Schwierigkeiten, weil die jahrelange Applikations-Erfahrung, wie wir sie haben, nicht einfach am Reißbrett und nicht innerhalb von ein paar Monaten mit keinem noch so großen Expertenteam nachzuholen ist. Bei modernen Digitalkameras ist der Framegrabber einfach auf die andere Seite des Kabels gerutscht. Er steckt jetzt nicht mehr im PC, sondern in der Kamera.
Der Framegrabber ist also keineswegs tot?
Nein, sicher nicht. Zum einen lebt er in der Kamera weiter, und zum anderen wird der klassische Framegrabber als Einsteckkarte den CameraLink-Standard noch eine ganze Weile unterstützen müssen.
Wie hat sich der klassische Framegrabber gewandelt, wo hat er immer noch seine Vorzüge, und wo findet er seine Nische?
In den letzten Jahren kam, abgesehen von einigen Buswechseln wie PCI, PCIe und PCI-X, hauptsächlich die Anforderung dazu, Speicher und echtzeitfähige Synchronisations-Sequenzer einzubauen, um die ständig steigende Eigendynamik von Intels Chipsätzen und die immer weniger echtzeitfähigen Betriebssysteme abzukoppeln. Neben den vielen Analoggrabbern wird der klassische Framegrabber in neuen Projekten heute hauptsächlich dann eingesetzt, wenn eine sehr kurze und berechenbare Latenzzeit bei der Bilddatenübertragung eine Rolle spielt, etwa bei Anwendungen in der Produktion und Qualitätskontrolle, wie Bestückungsmaschinen oder Diebonder. Zeilen- oder Hochgeschwindigkeits-Kameras fordern Datenbandbreiten, die die typischen Übertragungsraten von 25 bis 70 Mbyte pro Sekunde wie bei USB2.0, FireWire und Gigabit-Ethernet übersteigen. Kurz gesagt, in High-End-Applikationen findet er seine Nische. Das reduziert natürlich die Anzahl entscheidend. Mit der Folge, dass ein Hersteller wie wir zukünftig nicht mehr vom klassischen Framegrabber-Geschäft allein leben kann, da die Komplexität dieser Baugruppen sowohl hard- als auch softwareseitig sehr hoch ist und die schwindenden Stückzahlen immer weniger Deckungsbeitrag liefern.
Wie läuft derzeit Ihr Geschäft mit klassischen Framegrabbern?
Natürlich machen wir immer noch den größeren Umsatzanteil mit den Analoggrabbern, bei denen es aber kaum mehr neue Design-Ins gibt. Wir konnten uns jedoch mit unseren CameraLink-Grabbern PicPort-Express und PicPort-X sehr gut am Markt etablieren. CameraLink heißt High-End, und dort ist die Luft dünn. Zum Glück gilt das auch für die Anbieter, denn meines Wissens gibt es hier weltweit kaum mehr als ein halbes Dutzend Mitbewerber. Hauptanwendungen liegen hier vor allem bei anspruchsvollen Zeilenkamera-Applikationen. Technologisch sehen wir uns ziemlich weit oben angesiedelt. Das beweist unsere exklusive Kundenliste, denn dieses Marktsegment funktioniert rein Technologie-getrieben. Wer unsere Framegrabber live sehen möchte, hat übrigens auf der VISION 2006 in Stuttgart dazu Gelegenheit. Wir sind einer der ersten Hersteller, die Power-over-CameraLink vorstellen. Dies funktioniert zur Zeit nur mit unserer Framegrabber-Kamera-Kombination. Hierbei wird die Spannungsversorgung für die Kamera vom Framegrabber über das CameraLink-Kabel bereitgestellt. Das führt zu Kostenvorteilen, denn es wird kein separates Netzteil oder zusätzliches Kabel benötigt. Dadurch rutschen digitale Framegrabber-Lösungen erstmals in Preisregionen von analogen.
Und wie ist Ihr Kamerageschäft angelaufen, wie wollen Sie sich hier vom Wettbewerb differenzieren?
Wir verstehen uns zunehmend als One-Stop-Shopping-Provider für Bildaufnahme-Komponenten. Wir tasten das Bild hinter der Optik ab und übergeben es zeitgerecht, auf Wunsch vorverarbeitet und im entsprechenden Format dem Hostspeicher. Ganz gleich, welche unserer Kameras mit welcher Kommunikations-Schnittstelle eingesetzt wird, welche Flächen- oder Zeilenkamera, auch von anderen Herstellern, in Verbindung mit unseren Framegrabbern integriert ist: Alles läuft unter einer Software-Entwicklungsumgebung, die für alle gängigen Versionen von Windows, Linux und VxWorks erhältlich ist. Dieses durchgängige und transparente Produktspektrum ist in dieser Vielfalt am Markt einmalig. Es bietet dem OEM-Anwender mit seinen ständig wechselnden Applikations-Anforderungen hohe Flexibilität bei minimaler Software-Anpassung. Zudem sind wir in der Lage, kundenspezifische Änderungen oder Erweiterungen für größere OEMs zu äußerst attraktiven Bedingungen durchzuführen. Bereits nach kurzer Zeit in diesem Markt, wissen wir es zu schätzen, nun das gesamte Komponenten-Spektrum zwischen Optik und Host-Speicher anbieten zu können. Das bringt uns und unseren Kunden enorme Vorteile. Schon zum Jahresanfang konnten wir speziell mit Gigabit-Ethernet-Kameras technisch anspruchsvolle Projekte mit Echtzeit-Anforderungen und teilweise 10 bis 20 Kameras in einem Netzwerk umsetzen. In den nächsten zwei bis drei Jahren erwarten wir einen Umsatzzuwachs im höheren zweistelligen Prozentbereich.
Ihr Unternehmen engagiert sich in Standardisierungs-Gremien wie GenIcam. Bringt es nicht eher Nachteile, wenn die Systeme unterschiedlicher Hersteller leicht austauschbar sind?
Kurzfristig gesehen trifft das zu, doch auf lange Sicht hat es Vorteile, weil der Kamera-Hersteller die Kosten einspart, die er bisher in Entwicklung und Wartung von Treibern für die unterschiedlichsten Softwarepakete zur Bildauswertung stecken musste. Die Produktpflege und der Kundensupport werden einfacher, weil wir nicht mehr unsere APIs erklären müssen. Und der Anwender braucht seine Software bei einem Kamerahersteller-Wechsel nicht ändern.
Leutron Vision
Tel. +49(0)7531 59420
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