Multimode-Glasfasern Der neue 10GBASE-LRM-Standard des IEEE
Die Nutzung installierter Glasfaserkabel für Übertragungen mit 10 Gigabit Ethernet scheint wirtschaftlich sinnvoll, jedoch sind die Lichtwellenleiter nicht für derart hohe Datenraten ausgelegt. Abhilfe verspricht der künftige LRM-Standard. Eine neue Generation kostengünstiger optischer Module kann so mit teureren komplexeren Lösungen konkurrieren.
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Nicht selten stehen neue Technologien mit der Zeit vor Herausforderungen, die sie durch das von ihnen angestoßene Wachstum selbst generiert haben. Dies ist beispielsweise bei der Datenübertragung in Unternehmen der Fall. Auf Multimode-Glasfasern erfolgt der Datentransfer gegenwärtig meist mit Ethernet-Datenraten von bis zu 1,25 GBit/s (Gigabit Ethernet bzw. 1GbE). Die Entwicklung der professionellen Applikationen bleibt jedoch nicht stehen und der Bandbreitenbedarf nimmt dementsprechend zu.
Firmen verfügen mittlerweile über einen großen Bestand an installierten Glasfaserkabeln, sodass die Nutzung dieser Infrastruktur für Traffic mit 10,3 GBit/s (10 Gigabit Ethernet bzw. 10GbE) wirtschaftlich sinnvoll erscheint. Dabei ist zu beachten, dass die vorhandenen Lichtwellenleiter grundsätzlich nicht für diese hohen Datenraten ausgelegt sind. Dies führt zu einer zunehmenden modalen Dispersion mit dem Resultat, dass mit 10GbE geringere Entfernungen überbrückt werden können als mit 1GbE.
Eine Lösung für das Problem, 10GbE auf vorhandenen Multimode-Glasfasern sowie über die im professionellen Einsatz geforderten Entfernungen zu übertragen, verspricht der künftige LRM-Standard (10GBASE-LRM) gemäß IEEE P802.3aq. Grundlage hierfür ist die Anwendung einer neuen EDC-Technologie (Electronic Dispersion Compensation), mit der sich die modale Dispersion in Mehrmoden-Glasfasern kompensieren lässt. Eine neue Generation kostengünstiger optischer Module wird hierdurch in die Lage versetzt, mit teureren und komplexeren Lösungen zu konkurrieren.
Über 10GBASE-LX4 hinaus
Das IEEE standardisiert hier nicht das erste Mal eine neue Technologie, um Applikationen dieser Art zu unterstützen. Zum Beispiel war das optische Interface 10GBASE-LX4 (bzw. LX4) Bestandteil des ursprünglichen 802.3ae-Standards und wird bereits in der Praxis eingesetzt. Die LX4-Lösung besteht nicht aus einer einzigen seriellen 10GBit/s-Verbindung, sondern kombiniert mit Hilfe der CWDM-Technik vier Daten-Streams zu je 3,125 GBit/s. Sie kommt so durch optisches Multiplexing auf ein und demselben Lichtwellenleiter auf einen Gesamtdurchsatz von 10 GBit/s.
Um den LX4-Betrieb zu unterstützen, muss ein optisches Modul vier verschiedene Wellenlängen mit jeweils 3,125 GBit/s senden. Das Moduldesign wird dadurch problematischer, denn es gilt vier verschiedene Laser und vier Empfänger in einem Modul unterzubringen. Hohe Kosten sind die Folge, zumal sich die Großserienfertigung komplex gestaltet.
Die große Zahl der Bauteile, die in einem LX4-Modul benötigt werden, erschwert zusätzlich die Miniaturisierung, die für Anwendungen mit höherer Portdichte wie zum Beispiel XFP oder das künftige SFP+-Format erforderlich ist. Die Forderung nach weniger komplexen und kostengünstigeren Modulen, die weniger voluminös und außerdem einfacher herzustellen sind, war ausschlaggebend für die Ausarbeitung des aktuellen LRM-Standards.
Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen hat sich die IEEE P802.3aq Task Force die folgenden Ziele für 10GBASE-LRM gesetzt:
- Nutzung des existierenden 10GBASE-R PCS (Physical Coding Sub Layer)
- Unterstützung einer Bitfehlerrate (Bit Error Rate; BER) von kleiner oder gleich 10 12
- Unterstützung von Lichtwellenleitern gemäß IEC60793-2-10: 62.5µm: 160/500 MHz-km (A1b, 60793-2-10), 200/500 MHz-km (A1b, 60793-2-10); 50µm: 400/400 MHz-km (A1a.1, 60793-2-10), 500/500 MHz-km (A1a.1, 60793-2-10), 1500/500 MHz-km (A1a.2, 60793-2-10)
- Definition einer Physical-Layer-Spezifikation für Übertragungsdistanzen von mindestens 220 m auf 500 MHz-km Multimode-Glasfasern
Die Glasfaserstrecken in existierenden Infrastrukturen von Unternehmen können zwar bis zu 300 m lang sein, doch dürfte eine Übertragungsentfernung von 220 m die überwiegende Mehrheit der Applikationen abdecken. Abgesehen davon lassen die von der Task Force durchgeführten Simulationen den Schluss zu, dass der neue LRM-Standard über ausreichend Reserven verfügt, um auf mehr als 90 Prozent der installierten Lichtwellenleiter auch Entfernungen von bis zu 300 m zu unterstützen. Mit LRM wird die vorhandene Infrastruktur folglich sehr gut und effizient ausgenützt.
Folgen der Dispersion
Es ist wichtig, die verschiedenen Arten der Dispersion und ihre Auswirkungen auf die optische Übertragung zu kennen. Zur Dispersion kommt es, wenn die verschiedenen Komponenten eines optischen Signals das Übertragungsmedium mit unterschiedlicher Geschwindigkeit durchqueren und folglich zu verschiedenen Zeiten beim Empfänger ankommen. Dabei können die verschiedenen Spektralkomponenten eines optischen Signals eine chromatische Dispersion hervorrufen, während die verschiedenen Übertragungs-Moden zu einer modalen Dispersion führen.
Eine weitere Art der Dispersion kommt hinzu: die so genannte Polarisationsmoden-Dispersion tritt auf, wenn unterschiedlich polarisierte Signalkomponenten verschieden schnell übertragen werden. Jede Form der Dispersion kann zu einem Verbreitern der Impulse und zu einer Inter-Symbol-Interferenz (ISI) führen. Die Folge ist stets, dass sich das Augendiagramm des optischen Signals immer mehr schließt.
Um die Übertragung mit einer bestimmten Bitfehlerrate (BER) sicherstellen zu können, muss die optische Verbindung einen höheren Signal-Rauschabstand (Signal-to-Noise Ratio; SNR) aufweisen, damit das von Dispersionseffekten verursachte Schließen des Auges kompensiert werden kann. Der höhere SNR wird als Dispersion Penalty (sinngemäß: Dispersionsabzug) bezeichnet. Beim Design von Lichtwellenleiter-Systemen muss dieser Posten gemeinsam mit weiteren Faktoren wie dem Steckverbinderverlust oder der Dämpfung im Lichtwellenleiter bei der Bemessung des Leistungs-Budgets berücksichtigt werden. Noch kritischer wird dieser Aspekt, wenn höhere Datenraten (z.B. 10 GBit/s) über vorhandene Multimode-Glasfasern übertragen werden sollen.
In den meisten professionellen Anwendungen ist die Dispersion der wichtigste Faktor, denn die Dämpfung ist bei den vergleichsweise kurzen Distanzen, die mit Multimode-Glasfasern überbrückt werden, zu vernachlässigen. Unter den verschiedenen Dispersionsarten in Multimode-Glasfasern hat wiederum die modale Dispersion die größte Bedeutung, da sie die effektive Übertragungsdistanz unabhängig von der Datenrate reduziert. Die Folge: mit zunehmender Datenrate geht die praktisch erzielbare Entfernung proportional zurück.
Elektronische Dispersions-Kompensation
Um bei 10 GBit/s auf Übertragungsentfernungen von bis 220 m zu kommen, sind besondere Designtechniken zum Kompensieren der modalen Dispersion nötig. Ein Kommunikationskanal kann dazu beispielsweise mit elektronischer Filterung – auch als Entzerrung (Equalization) bezeichnet – ausgestattet werden, um die vom Übertragungsmedium verursachte Beeinträchtigung des Signals auszugleichen. Den Einsatz von Filtermaßnahmen zur Kompensation der Dispersion in einer optischen Kommunikationsverbindung bezeichnet man als elektronische Dispersions-Kompensation (Electronic Dispersion Compensation; EDC).
Für EDC-Applikationen bei 10 GBit/s kommen in erster Linie zwei Verfahren in Frage. Das erste ist eine Kombination aus Feed-Forward und Decision-Feedback-Entzerrung, während es sich bei dem zweiten um einen Maximum-Likelihood-Sequence-Estimator (MLSE) handelt. Mit Hilfe digitaler Signalverarbeitungs-Verfahren nutzt diese Methode einen Entscheidungsbaum und nimmt eine Fehlerabschätzung am ankommenden Datensignal vor, um die wahrscheinlichste Bitsequenz zu ermitteln.
Der Favorit: 10GBASE-LRM-Standard
Der neue 10GBASE-LRM-Standard wird von Seiten der Anbieter stark favorisiert, und viele Halbleiteranbieter entwickeln für LRM-Applikationen bereits integrierte Schaltungen mit EDC-Funktionalität. Zusätzlich befinden sich bei mehreren Lieferanten optischer Komponenten Produkte in der Entwicklung, die den LRM-Standard unterstützen.
Die formelle Ratifizierung des 10GBASE-LRM-Standards durch das IEEE ist in den kommenden Monaten zu erwarten. Bereits jetzt hat sich LRM im Bereich der bestehenden Multimode-Glasfaser-Infrastrukturen eine Nische geschaffen, denn Muster LRM-basierter Transceiver-Module werden von Netzwerksystem-Designern bereits nachgefragt. Wegen seiner vielfältigen Vorteile dürfte der 10GBASE-LRM-Standard schon sehr bald zur bevorzugten Multimode-Übertragungstechnologie der Industrie für professionelle Anwendungen werden.
Charakteristische Merkmale des LRM-Standards
Die Übertragung erfolgt mit einem 1310 nm-Laser über Multimode-Glasfasern. Bis Laser in Kommunikations-Anwendungen allgemeine Verbreitung fanden, wurden LEDs als Lichtquellen verwendet. Zu früheren Zeiten installierte Multimode-Glasfasern waren deshalb für die 1300 nm betragende Wellenlänge dieser Lichtquellen optimiert. Der Einsatz eines Lasers mit dieser Wellenlänge ermöglicht wegen dieser Optimierung somit längere Übertragungsdistanzen. Der LRM-Standard erlaubt außerdem die Verwendung von Fabry-Perot-Lasern (FP) mit 1310 nm, die kostengünstiger sind als Distributed-Feedback-Laser (DFB) mit derselben Wellenlänge.
Die optischen Empfänger für den LRM-Betrieb müssen ein Multimodespektrum am Eingang unterstützen und bei 1310 nm eine hohe Empfindlichkeit aufweisen. Um den eingangsseitigen Signalverlauf korrekt wiederzugeben, müssen sie überdies eine lineare Ausgangskennlinie aufweisen. Dies ist wichtig zum Entzerren des Signals mit der Empfangskette. Die LRM-Module müssen unbedingt eine EDC-Funktion (elektronische Dispersions-Kompensation) enthalten, um die - durch das Multimode-Übertragungsmedium hervorgerufene - modale Dispersion auszugleichen. Die EDC-Technologie basiert auf den Grundlagen der Kanaloptimierung, die in der Vergangenheit bereits für niedrigere Datenraten erfolgreich eingesetzt wurden.
Christian Urricariet, Director of Marketing, High-Speed Optics und Sunil Sharma, Senior Application Engineer, Finisar Corporation
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