Automatisierung Die Geschichte der Automatisierung: Mit zündenden Ideen in die Zukunft

Autor / Redakteur: Reinhard Kluger* / Ines Stotz

Geschichten zur Geschichte der Automatisierung füllen ganze Bibliotheken. Und dennoch lässt sich mit ausgesuchten Meilensteinen der Weg von der Antike bis heute beschreiben. Zündende Ideen führten immer wieder zu erkennbarem Fortschritt.

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Simatic S3 mit Steuergerät mit Programmiergerät und Lochstreifeneingabegerät.
Simatic S3 mit Steuergerät mit Programmiergerät und Lochstreifeneingabegerät.
(Bild: Siemens)

Es war der 1. Januar 1968, für die meisten ein gewöhnlicher Neujahrstag. Für Richard E. Morley aber war es der Tag, an dem er – trotz Kater – eine Idee niederschrieb, die ihn berühmt machen sollte. „Dick“, wie seine Freunde ihn nennen, erinnert sich: „Nach der Party in der Silvesternacht hatte ich am nächsten Morgen einen mächtigen „Hangover“. Mit dem Brummschädel setzte ich mich hin und schrieb spontan, ohne lange Vorplanung, das Grundkonzept einer PLC nieder. Dieser erste Entwurf enthielt schon detailliert alle zentralen Funktionen der späteren SPS-Technik.“ Zwar dauerte es dann noch einige Monate, aber im November 1969 präsentierte er ein – damals noch riesiges Gerät – die erste Speicherprogrammierbare Steuerung, amerikanisch PLC, das steht für Programmable Logic Controller. Die Automatisierungswelt war fasziniert, die Programmierzeiten von bislang sechs Monaten schrumpften, so Morley, auf sechs Tage. Richard Morley bezeichnet sich zwar als „Father of the PLC“, war sich aber bewusst, dass er, wie alle Erfinder, auf den Schultern verdienter Mitarbeiter stand: seiner „PLC-Gang“, wie er sie nannte. Der vielfach ausgezeichnete Ingenieur, Erfinder, Berater und Kolumnist Richard C. Morley verstarb am 17. Oktober 2017, kurz vor seinem 85. Geburtstag.

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Die Antike huldigte der Göttin „Automatia“

Automatisierung aber ist keine Erfindung der Neuzeit, schon das Altertum kennt den Begriff. Das antike Griechenland huldigte der Göttin Automatia, das steht für die von selbst Kommende, in der Bedeutung von „selbsttätigem Handeln“. Neben dem aus dem Physikunterricht bekannten Heronsball, benannt nach Heron von Alexandrien, der wahrscheinlich im 2. Jahrhundert nach Christus lebte. Im Heronsball bringt komprimierte Luft Wasser zum Ausfließen. Ein Prinzip, das schon in der von Ktesibios erfundenen Feuerspritze zum Tragen kam. Nach diesem Prinzip funktionieren heutige Parfümspritzen mit einem Luft-Balg als Pumpe. Weit wichtiger als sein Heronsball ist eine andere Erfindung Herons, die Dampfkugel. Sie bildet den Keim für die wichtige Innovation Dampfmaschine.

Räderwerke bewegen antike Automaten-Theater

Aus den Spielereien der Antike entwickelten sich zahlreiche mechanische Automatentheater. Bekannt ist ein Apparat, der den Zuschauern ein Bacchusfest im Kleinen vorspielte. Ein anderer führte das antike Drama Nauplios auf. In fünf Akten setzen hier Räderwerke und Seile alle Figuren automatisch nacheinander in Bewegung. Die mechanischen Theater der frühen Jahrmärkte ahmten zum Vergnügen der Besucher solche Theaterautomaten nach. Herons Erfindungen standen zudem Pate für erste Automatentechnik. Bekannt ist sein Wasserautomat, der nach dem Einwurf von ein paar Münzen Weihwasser fließen ließ. Küster mussten nur noch von Zeit zu Zeit die Geldstücke aus dem Automaten nehmen und frisches Weihwasser nachfüllen. Aus Herons Dampfmaschinenexperimente entwickelte Giovanni Branca um 1616 ein kleine automatisiert arbeitende Maschine. Ausströmender Dampf drehte ein Schaufelrad, das wiederum dank mehrerer Übertragungen ein kleines Stampfwerk in Betrieb nahm. Pläne von dieser Erfindung gibt es, ob man sie realisierte, ist nicht überliefert.

Das Fließband fertigt Autos als Massenprodukt

Aus den Anfängen in der Antike über die im Mittelalter entstandenen automatischen Uhren mit Figurenspiel entwickelten sich dann in der Renaissance und Barockzeit erste „intelligente Maschinen“. Manchmal wurde auch kräftig geschummelt, so täuschte ein kleinwüchsiger Mensch im Gehäuse die „Steuerautomatik“ nur vor. „Richtige“ Automaten eroberten mehr und mehr die Fabrik. Als Geburtsstunde der neueren Automatisierung wird die Einführung der Fließband-Produktion datiert. Henry Ford griff die modernen Prinzipien einer Fließproduktion bei Westinghouse und den Schlachthöfen in Chicago auf. Das US-Unternehmen stellte damals in Pittsburgh kleine Gussteile her. Ein Band kuppelte dabei die separierten Tische einer Fertigungsanlage durchgehend zusammen. Henry Ford griff diese Ideen auf, entwickelte sie konsequent weiter, bis dann 1913 das erste Fließband anlief, und er sein legendäres Auto „Model T“ fertigte. Keimzelle der modernen Automatisierung.

Steuerungen werden elektrisch

Die Entwicklung von der mechanischen zur elektrischen Automatisierung markieren elektrische Steuerungen. Die Produktbezeichnung von Siemens-Steuerungen „Simatic“ gilt in Deutschland dafür fast als Synonym. „Neue Erkenntnisse hinsichtlich des strukturellen Aufbaues elektronischer Schaltkreissysteme und neue Halbleiter-Technologien, besonders die integrierten Schaltkreise, eröffnen eine Weiterentwicklung der Simatic mit aussichtsreichen Möglichkeiten. Dabei kommt es darauf an, nicht jeder Regung und jedem Schlagwort der Halbleitertechnik unmittelbar zu folgen, sondern die Entwicklung in wohlüberlegten und raumgreifenden Schritten ablaufen zu lassen“, blickte Rolf Hahn im Juni 1967 in einem Vortrag in Erlangen auf 10 Jahre Simatic zurück. Die Zukunft jedoch hieß „Speicherprogrammierbare Steuerungen“, ein bis dahin unbekannter Begriff. Aber allein mit der Idee war es nicht getan. Es bedurfte auch preiswerter Speichermedien. Bei Siemens schien es 1967 soweit zu sein. Ein Entwicklerteam entwarf zwar das Konzept einer Speicherprogrammierbaren Steuerung basierend auf Schaltungstechnik der Simatic N und mit einem Magnetkernspeicher als Speichermedium. Doch man schreckte vor dem Risiko einer unerprobten und funktionell neuen Technik zurück. Das Konzept wurde nicht umgesetzt, denn allein das Magnetkern-Speichermodul hätte damals 56.000 DM gekostet. Unterm Strich hätte die Steuerung rund 200.000 DM gekostet. So realisierte eben nicht Siemens die erste Speicherprogrammierbare Steuerung, sondern Modicon und Allen Bradley waren es. Ein Team um den Siemens-Entwickler Rolf Hahn blieb aber am Ball. Im Jahre 1973 lieferte der Elektrokonzern seine erste SPS aus, die S30. Rolf Hahn erinnert sich: „Wir hatten anfangs bei der Entwicklung der ersten Simatic S3 nicht die „von der Stange“ lieferbaren konfektionierten Steuerungsgeräte im Blickfeld, sondern ein auf die SPS zugeschnittenes Baugruppenprogramm, aus dem sich jeder Anwender durch Einstecken von Baugruppen in Baugruppenträger seine individuelle SPS kombinieren konnte.“ Und noch etwas unterscheidet die Entwicklung der PLC in den USA von SPS in Europa: Die US-Anbieter nutzten anders als die Europäer die Einfachheit einer SPS-Struktur, um sie von Anfang an in robuste, starkstrom- nahe Geräte umzusetzen. Eine Entwicklung, die die europäischen Hersteller erst mit der folgenden oder übernächsten Generation vollzogen. Die Idee der Speicherprogrammierbaren Steuerung dominiert seitdem die Welt der Automatisierung.

Speichermedien noch zu teuer

Aber allein mit der Idee war es nicht getan. Es bedurfte auch preiswerter Speichermedien. Bei Siemens schien es 1967 soweit zu sein. Ein Entwicklerteam entwarf zwar das Konzept einer Speicherprogrammierbaren Steuerung basierend auf Schaltungstechnik der Simatic N und mit einem Magnetkernspeicher als Speichermedium. Doch man schreckte vor dem Risiko einer unerprobten und funktionell neuen Technik zurück. Das Konzept wurde nicht umgesetzt, denn allein das Magnetkern-Speichermodul hätte damals 56.000 DM gekostet. Unterm Strich hätte die Steuerung rund 200.000 DM gekostet. So realisierte eben nicht Siemens die erste Speicherprogrammierbare Steuerung, sondern Modicon und Allen Bradley waren es. Ein Team um den Siemens-Entwickler Rolf Hahn blieb aber am Ball. Im Jahre 1973 lieferte der Elektrokonzern seine erste SPS aus, die S30. Rolf Hahn erinnert sich: „Wir hatten anfangs bei der Entwicklung der ersten Simatic S3 als nicht „von der Stange“ lieferbare konfektionierte Steuerungsgeräte im Blickfeld, sondern ein auf die SPS zugeschnittenes Baugruppenprogramm, aus dem sich jeder Anwender durch Einstecken von Baugruppen in Baugruppenträger seine individuelle SPS kombinieren konnte.“ Und noch etwas unterscheidet die Entwicklung der PLC in den USA von SPS in Europa: Die US-Anbieter nutzten anders als die Europäer die Einfachheit einer SPS-Struktur, um sie von Anfang an in robuste, starkstromnahe Geräte umzusetzen. Eine Entwicklung, die die europäischen Hersteller erst mit der folgenden oder übernächsten Generation vollzogen. Die Idee der Speicherprogrammierbaren Steuerung dominiert seitdem die Welt der Automatisierung.

Der Rechner erobert die Fabrik

Dann, Mitte der 1980er Jahre, der Personal Computer setzte den Workstations und anderen schrankgroßen Rechnern aufgrund seiner Universalität und seines Preisverfalls mächtig zu, er verdrängte geradezu die Dinos der frühen Jahre – nicht nur in den Büroetagen sondern vermehrt auch in den Fabriken. CIM – Computer Integrated Manufacturing hieß das Schlagwort der Stunde. Der Konstrukteur begann, dank Computer Aided Design, vermehrt den Zeichenstift aus der Hand zu legen und sich der Hilfe des Rechners zu bedienen. So lag es damals wohl in der Luft, auf Computer zu setzen, um Fertigungsabläufe steuern zu können. Die Kombination aus IT-Technologie und Steuerungstechnologie führte zu ersten Entwicklungen. Microsoft hieß der neue Mitspieler und sein Betriebssysteme DOS. Die für den Einsatz in rauer Fabrikumgebung gehärteten PC, die IPC, und softwarebasierte Steuerungen, die Soft-SPS, gingen ihre Symbiose ein.

Die erste Soft-SPS lief unter DOS

Wer nun als Erfinder der indus- trietauglichen Soft-SPS gilt, ist nur schwer auszumachen. Beckhoff in Verl lieferte 1986 eine erste PC-basierte Maschinensteuerung aus, lauffähig unter Microsofts Betriebssystem DOS. Mit Echtzeit-Motion-Control sowie mehrheitlich fest programmierter Ablaufsoftware in der Hochsprache C. Ankoppeln an die Maschine ließ sich Hardware über PC-Einsteckkarten mit indus- trietauglichen Ein-/Ausgängen für digitale, analoge und Encoder-Signale. 1989 lieferte Beckhoff dann die erste PC-basierte Maschinensteuerung mit frei programmierbarer SPS-Funktionalität und integrierter Motion-Software unter Microsoft DOS aus, als Programmiersprache wurde Step5-Anweisungsliste gewählt. Die Engineering- und die Runtime-Umgebung der SPS wurden in ein Softwarepaket integriert, sodass man unmittelbar an der Maschine programmieren oder Programmänderungen vornehmen konnte. Zusätzliche Programmiergeräte erübrigten sich. Die Hardware-Ankopplung an die Maschine erfolgte über den Lightbus von Beckhoff, einer der ersten industriellen Feldbusse. Für die Ostwestfalen steht fest: „Wir kennen kein Unternehmen, das vor Beckhoff eine PC-basierte Steuerungstechnik geliefert hat, zumindest nicht als am Markt verfügbares Standardprodukt. Zwar gab es damals Unternehmen, die schon Software-Tools zum Programmieren von Embedded-SPS-Systemen hergestellt haben. Wir denken jedoch, dass man nur dann von softwarebasierter Steuerungstechnik reden sollte, wenn die Runtime der Steuerung auf einem allgemeinen kommerziellen Betriebssystem läuft.“ Die softwarebasierte Automatisierung setzte sich auf breiter Front durch, seitdem geht ohne elektronische Rechner nichts mehr in der Fabrik.

CPS und IOT bestimmen die Zukunft

CPS und IoT bestimmen die Zukunft PC-basierte Steuerungen, moderne Sensoren und ausgeklügelte Bussysteme der frühen Jahre, sie schufen die Basis für die Automatisierungstechniken der Zukunft, in der cyber-physische Systeme (CPS) und das industrielle Internet der Dinge vernetzte Wertschöpfungsketten ermöglichen. Der Name der antiken griechischen Göttin Automatia kann auch dafür weiterhin Pate stehen, heißt er doch übersetzt „selbsttätiges Handeln“.

* Reinhard Kluger, Fachjournalist, Höchberg

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