Schwächen in der Produktprüfung sind teuer Die Prüftechnik als Stiefkind des Maschinenbaus?

Redakteur: Ines Stotz

Schwächen in der Produktprüfung kosten den Herstellern Geld und Kundenvertrauen. Denn Rückrufaktionen und Gerätedefekte können den Maschinenbauer teuer zu stehen bekommen.

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Giftstoffe in Spielzeug sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Weitgehend unbemerkt aber nicht weniger schwerwiegend gestalten sich dagegen Reklamationen in der Technik. Letzten Sommer musste beispielsweise Handyanbieter Nokia rund 46 Mio. Akkus zurückrufen. Geschätzter Schaden: bis zu 172 Mio. US-§. „Wenn defekte Geräte in solchen Mengen verkauft werden, steckt oft ein Fehler in den firmeninternen Warentests dahinter“, erklärt Norbert Battista, Geschäftsführer bei Tekon Prüftechnik.

Immer wieder stellt das Unternehmen fest, dass Millionen in den Bau von Anlagen investiert werden, die mangels richtiger Prüfung am Ende schlechte Produkte ausgeben. Ein Problem, das auch Jürgen Czarske, Professor für Mess- und Prüftechnik an der Technischen Universität Dresden, bestätigt: „Es ist eine Gradwanderung für die Industrie, ob sie ihr Geld in moderne Prüfsysteme investiert oder dieses Geld lieber einspart und mögliche Fehler in der Produktion riskiert.“

Besonders die Automobil-Industrie kämpft immer wieder mit Fabrikationsfehlern, wie etwa der Rückruf von 60.000 Exemplaren des neuen Peugeot 307 im September letzten Jahres zeigt, bei denen die Funktion von ABS und ESP wegen möglicher Kurzschlüsse nicht mehr garantiert werden konnte. Aber auch das neue Prestige-Objekt des Apple-Konzerns, das als „revolutionär“ angepriesene iPhone, machte Schwierigkeiten. Bei einigen der Touchscreen-Handys reagierten ganze Bereiche der Bildschirm-Sensorik nicht mehr.

Belastbarkeit und Individualität sind Pflicht

„So differenziert und umfangreich das Wissen der Maschinenbauer in ihren Bereichen auch sein mag, in der Prüftechnik sind ganz andere Punkte zu beachten“, hebt Norbert Battista hervor. Deshalb werde bei den Produktionsfirmen häufig nur ein Standard-Testsystem implementiert, das aber mit den individuellen Besonderheiten der Maschinen oder der Umgebung überfordert sei. Selbst große Unternehmen wie Bauknecht lassen sich schon mal von der einfachen Lösung verführen: „Wir hatten kurze Zeit Standardstecker eingesetzt, allerdings wurden diese wegen Problemen mit der Kontaktierung schnell wieder entsorgt“, berichtet Günther Breuer, der im Schorndorfer Werk für die Planung und Betreuung der Prüfanlagen zuständig ist.

Das Unternehmen produziert hier Frontlader-Waschmaschinen, die vor Ort einer vollständigen Prüfung unterzogen werden, wobei über Steckverbindungen Befehle an die Steuerung der Maschinen übermittelt werden.

Da in der Produktion von Waschmaschinen noch viel von Hand montiert und gesteckt wird, ist eine gut funktionierende Prüftechnik unumgänglich, wie Breuer meint: „Besonders die Kontaktierung ist heikel. Die Prüfstecker dürfen nur kleine Übergangswiderstände enthalten und müssen sehr hohe Steckzyklen überstehen.“ Zudem sei die gute mechanische Belastbarkeit Pflicht, da die Prüfstecker von Hand eingeführt werden, was bei zu empfindlichen Kontaktierungen zu Schäden und in der Folge zu falschen Prüfergebnissen führen könnte. Um das zu vermeiden, sind in Schorndorf seit vier Jahren Spezialstecker von Tekon in Gebrauch. Dadurch ließ sich nicht nur die Fehlerquote drastisch senken, sondern auch das Handling verbessern.

Geiz bei der Prüftechnik kann zu hohen Verlusten führen

Sollte eine Prüfanlage tatsächlich schlecht konstruiert sein, ist das Beste, was dem Maschinenbauer passieren kann, ein Ausfall des Systems, bei dem der Fehler augenfällig wird. Wesentlich problematischer sind Prüfsysteme, die unbemerkt fehlerhafte Werte liefern. „Dann landen Produkte, die eigentlich in Ordnung sind, im Ausschuss eine enorme Verschwendung von Herstellungskosten“, so Battista. Aber auch der umgekehrte Fall birgt für die Maschinenbauer große Probleme. Gelangt fehlerhafte Ware in den Handel, steht der Hersteller in der Gewährleistungspflicht und büßt das Vertrauen seiner Kunden ein. Wie beispielsweise Matsushita Electric Industrial, Lieferant der 46 Mio. defekten Nokia-Akkus, den wirtschaftlichen Schaden des Rückrufs überstehen wird, bleibt abzuwarten.

Bei der Robert Bosch will man solche Risiken nicht eingehen. Innerhalb des Unternehmens besteht eine eigene Abteilung für Prüftechnik. In den Fertigungs-Einrichtungen werden unter anderem Kraftstoffeinspritzungen, Sensoren sowie Brems- und Antriebssysteme hergestellt und nach verschiedensten Parametern geprüft. Hermann Bühler, Projektleiter für Montageanlagen und Sondermaschinen, vertritt hierzu eine klare Meinung: „Die Prüftechnik hat den gleichen Stellenwert wie die Montage- oder Prozesstechnik: Es geht nicht ohne!“ Standardware, so der Ingenieur, könnte nur selten übernommen werden, zu wichtig sei die Anpassung an den jeweiligen Einzelfall.

Georg Berntsen, Geschäftsführer des Fachverbands Prüfmaschinen im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), stellt seit Jahren ein steigendes Interesse an Prüftechnik fest. Zuletzt lag das Produktionsvolumen der Branche bei jährlich zwölf Mrd. €. Die Umsätze wuchsen seit 1997 um über 60% und stiegen damit mehr als doppelt so schnell wie die Umsätze im gesamten Maschinenbau. „Die Prüfmaschinen-Hersteller sind manchmal positiv überrascht, wie viel Aufwand ihre Kunden für die Qualitätskontrolle betreiben“, so Berntsen. Hervorzuheben sei vor allem auch die enge Zusammenarbeit zwischen Maschinenbauern und Prüfmaschinen-Herstellern in der Entwicklung geeigneter Prüfmethoden.

Das Beispiel Bosch zeigt, dass sich diese Investition wirtschaftlich sogar durchaus lohnen kann. So wurde durch eine in Kooperation mit den Kontaktierungs-Fachleuten von Tekon neu gestaltete Prüfanlage mit 252 Federkontaktstiften, automatischem Teilewechsel und zwei Neunfach-Vakuumgreifern die Abgleich- und Prüfzeit von etwa 30 Sekunden auf bis zu zwei Sekunden pro Teil verkürzt.

Moderne Technik scheitert an konservativer Industrie

Dennoch stehen viele Maschinenbauer selbst High-Tech-Prüfsystemen immer noch skeptisch gegenüber, wie Professor Czarske in Gesprächen mit Unternehmen immer wieder feststellen muss. An seinem Institut in Dresden werden Lasermesstechniken für die Prüfung von Werkzeug- und Turbomaschinen entwickelt. Die Hochleistungs-Sensoren könnten geringste Vibrationen und Formänderungen selbst an sehr schnell bewegten Bauteilen berührungslos aufspüren, aber die Resonanz aus der Wirtschaft ist mäßig. „Die Werkzeugmaschinen-Hersteller sind sehr konservativ“, erklärt der Forscher. Zudem sei die Umgebung in den Produktionsanlagen sehr schwierig. „Verschmutzende Ölfilme, Staub und Späne machen die Messungen kompliziert.“

Größeres Interesse zeigen etwa die Hersteller von Flugzeugturbinen. Neuartige Laserprüfsysteme kontrollieren hier beispielsweise die Stellung der Rotorblätter oder den Abstand zwischen den Kanten des Rotors und der Innenhaut der Turbine. Aber auch in dieser Branche ist die Zurückhaltung zu spüren. Die Implementierung komplexer Prüfanlagen stellt für viele Unternehmen einen zu hohen Kosten- und vor allem auch Zeitfaktor dar. Bis das System perfekt für die jeweilige Anwendung konstruiert und eingestellt ist, erleben die Entwickler meist eine ganze Reihe von Fehlschlägen. Hinzu kommt, dass sich die im Labor erdachten Lösungen erst in der Praxis bewähren müssen.

Wirkliche Beachtung finden die Lasersysteme hauptsächlich in Branchen, die ohne berührungslose Messtechnik heutzutage kaum noch arbeiten können, etwa bei Walzwerken, in denen sich das noch heiße Material gleich nach dem Austritt aus der Maschine nicht mit herkömmlichen Messfühlern abtasten lässt. „Dagegen nehmen Unternehmen, die nicht unbedingt auf moderne Prüfsysteme angewiesen sind, zugunsten der Kosten häufig die Gefahr in Kauf, am Ende ein fehlerhaftes Produkt hergestellt zu haben“, so Czarske. Ein riskantes Vorgehen, übersteigt doch im Ernstfall der entstandene Schaden den Preis einer zuverlässigen Prüfanlage meist um ein Vielfaches.

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