Vergleich verschiedener Beschichtungsverfahren Effektiver Störschutz für Kunststoffgehäuse

Autor / Redakteur: Karola Schmidt* / Kristin Rinortner

Zum Metallisieren von Kunststoffen existieren unterschiedliche Verfahren wie z.B. die galvanische Beschichtung oder das Aufdampfen im Hochvakuum. Die HARTING Technologiegruppe setzt zur Metallisierung von unterschiedlichen Kunststoffgehäusen ein vollautomatisches Lichtbogen-Spritzverfahren ein. Als Beschichtung wird Zink verwendet.

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Das Metallisieren von Nichtleitern hat eine lange Geschichte und weit verzweigte Anwendungsgebiete. So werden beispielsweise Spiegel durch Versilbern von Glas hergestellt. Insbesondere in den sechziger Jahren war das Verchromen von Autoteilen und Einrichtungsgegenständen modern.

Bei diesen Anwendungen spielte die Abschirmung gegen/von elektromagnetischen Einflüssen keine Rolle. Bedingt durch eine steigende Zahl elektrischer Geräte in industrieller Umgebung, d.h. in der Nähe von Leistungselektronik, wurden Aspekte zur elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) immer wichtiger. Das Fachgebiet EMV beschäftigt sich dabei mit Störquellen und Störsenken, d.h. mit Bauteilen, die Störungen aussenden und mit Bauteilen, die durch diese Störungen beeinflusst werden. Ziel ist es, das Aussenden und Einkoppeln derartiger Störstrahlung zu verhindern, um so Produktionsabläufe und -prozesse sicher und reproduzierbar zu gestalten.

Vorteile von Kunststoffgehäusen

Vollmetallgehäuse-Lösungen sind in den seltensten Fällen praktikabel. Sie bieten zwar eine sehr gute Abschirmung, unterliegen aber gleichzeitig einer Reihe von Restriktionen. So sind beispielsweise mit Kunststoff wesentlich dünnere Wandstärken realisierbar und die Spritzwerkzeuge in der Regel günstiger. Darüber hinaus weisen Produkte aus Kunststoff ein geringes Gewicht auf, was nicht zuletzt geringere Transportkosten mit sich bringt. Außerdem ist die Herstellung von Kunststoffprodukte in der Regel günstiger als die vergleichbarer Metallteile. Dieser Vorzug wird durch steigende Metallpreise verstärkt.

Bei diesen Vorteilen sind Kunststoffe jedoch per se Isolatoren. Aufgrund der mangelnden elektrischen Leitfähigkeit haben sie keine abschirmende Wirkung. Sie sind durchlässig für elektromagnetische Felder und Wellen. Mit Hilfe einer Beschichtung kann sowohl die Störempfindlichkeit als auch die Störausstrahlung herabgesetzt werden. Gerade zu erfüllende Schirmdämpfungswerte sind heute einer der Hauptgründe dafür, Gehäuse aus Kunststoff zu metallisieren.

Drei wichtige Beschichtungsverfahren für Kunststoffe

An dieser Stelle setzen die verschiedenen Verfahren zur Metallisierung an. Sie werden unterteilt in trockene und nasse Verfahren, wobei der Unterschied hauptsächlich darin besteht, ob mit oder ohne Lösungen gearbeitet wird.

Das bekannteste nasse Verfahren ist dabei sicherlich die galvanische Beschichtung. Sie wird traditionell für die Beschichtung von ABS-Kunststoff verwendet, wobei sehr früh eine Weiterentwicklung stattfand, die PC+ABS Blends bearbeitbar machte.

Im traditionellen Verfahren werden die Butadienkautschuk-Inseln mittels einer Beize aus der ABS-Matrix herausgelöst. Anschließend erfolgt die Beschichtung mit Hilfe eines Katalysators, wodurch eine sehr dünne Metallschicht aufgetragen wird. Diese wird im nächsten Schritt in einem galvanischen Prozess verstärkt.

Trockene Verfahren: Aufdampfen im Hochvakuum

Zu den trockenen Verfahren gehört das Aufdampfen im Hochvakuum. Die bekannteste Methode ist die physikalische Gasphasenabscheidung PVD (Physical Vapour Deposition). Dabei wird das Beschichtungsmetall in die Gasphase überführt und kondensiert anschließend auf dem Substrat, in diesem Fall der Kunststoffoberfläche. Das am häufigsten eingesetzte Targetmetall ist Aluminium.

Beim zu den PVD-Verfahren zählenden Lichtbogenspritzen werden zwei Zinkdrähte kontinuierlich an die Spitze einer Spritzpistole vorgeschoben und schmelzen dort unter der Hitze eines Lichtbogens, den sie selbst initiieren. Mit Hilfe eines Luftdruckstrahls wird das verflüssigte Zink robotergestützt auf den Kunststoffkörper aufgebracht.

Bild 2: Durch Partikelbeschuss aufgeraute Oberfläche, die Grundlage für eine hohe Haftfestigkeit gemäß UL 746C (Archiv: Vogel Business Media)

Um eine gute Haftfestigkeit zu erzielen, wird die Kunststoffoberfläche zuvor aktiviert. Zu diesem Zweck beschießt man die Oberfläche gezielt mit Partikeln. Einstrahlwinkel, Partikelgröße, -form und -menge sowie die Auftreffgeschwindigkeit bestimmen das Ergebnis. Es handelt sich dabei um einen rein physikalischen Prozessschritt. Das Verfahren kommt ohne Säuren oder Beizen aus.

Bild 1: Vergrößerung der unbehandelten Kunststoffoberfläche. Es handelt sich in diesem Beispiel um ABS?? (Archiv: Vogel Business Media)

Die deutlich erhöhte Rauigkeit nach dem Partikelbeschuss (Bild 1 ohne, Bild 2 mit Aktivierung) führt zu einer optimalen Verzahnung der aufgebrachten Zinkschicht mit der Kunststoffoberfläche.

Vollautomatischer Prozess für eine effektive Fertigung

Beim vollautomatischen Einfahren der Kunststoffteile in die hermetisch geschlossenen Kabinen zum Aufrauen und Metallisieren wird das auf das jeweilige Produkt abgestimmte Programm an einem Transponder ausgelesen und den verwendeten Robotern mitgeteilt. Auf diese Weise lässt sich eine Volumenproduktion effektiv gestalten, eine Bearbeitung von Kleinserien ist genauso gut möglich.

(Archiv: Vogel Business Media)

Mit diesem Verfahren lassen sich kleine Geräte (Cent-groß), Handyschalen und Monitorgehäuse bis sehr große Kunststoffgehäuse wie Fahrgastkabinen metallisieren. Beschichtet werden kann eine große Bandbreite von Kunststoffen. Die im Zuge des Verfahrens verwendeten Abdeckvorrichtungen sind zu 100% auf das jeweils zu beschichtende Teil abgestimmt und ermöglichen eine selektive Beschichtung. Ein Beipiel für ein selektiv beschichtetes Produkt ist in Bild 4 zu sehen.

(Archiv: Vogel Business Media)

Der Beschichtungswerkstoff Zink ist sehr robust und besitzt eine hohe elektrische Leitfähigkeit κ = 16,5 m/Ωmm2). Kombiniert mit einer Schichtstärke von 150 µm wird ein Stöschutz erreicht, der an Vollmetallgehäuse heranreicht. In Bild 3 ist die Abschirmwirkung des Verfahrens mit einer Aluminiumbedampfung verglichen. Die erreichten Dämpfungswerter sind beim Lichtbogen-Spritzverfahren mit Zink wesentlich besser. Mit dieser Methode werden Dämpfungen im Bereich von 70 bis 110 dB im Frequenzbereich zwischen 10 MHz und 1 GHz erreicht.

Anforderungen an das zu beschichtende Produkt

Allen genannten Beschichtungsverfahren ist gemein, dass das Design des Kunststoffteils maßgeblichen Einfluss darauf hat, ob die Metallisierung erfolgreich ist. So können beispielsweise zu kleine und zu spitze bzw. zu scharfe Kanten bei nassen Verfahren zu Luftblasen führen. Bei aufeinander reibenden Teilen ist es möglich, dass sich bei allen Methoden die Metallisierung ganz oder teilweise abreibt.

Sind die Wandstärken des Kunststoffteils zu gering, kann es bei der Beschichtung ebenfalls zu Problemen kommen. Durch die warmen Metallisierungsbäder bei der galvanischen Beschichtung kann sich z.B. der Kunststoff verziehen. Ebenso ist zu beachten, dass durch das Spritzwerkzeug sehr glatte Oberflächen für das Kunststoffprodukt hergestellt werden.

Gerade bei Beschichtungsverfahren mit geringen Schichtstärken, wie z.B. bei der Galvanisierung, werden Oberflächenfehler verstärkt oder nicht abgedeckt. Um kleine Unebenheiten „unsichtbar“ zu machen, sind größere Schichtstärken notwendig als bei der Zinkbeschichtung im Lichtbogenverfahren. Aufgrund der vergleichsweise hohen Materialstärke bei der Lichtbogen-Zinkbeschichtung ist es auch möglich, direkt auf der Beschichtung zu löten. Ein Anbinden von einfachen Erdungen lässt sich dadurch beispielsweise einfach realisieren.

Wahl des passenden Kunststoffs

Neben der Oberfläche bestimmt auch der Kunststoff selbst in hohem Maß, inwieweit die Beschichtung erfolgreich aufgebracht werden kann. Wie weiter oben erwähnt, ist die galvanische Beschichtung vor allem auf ABS-Kunststoff beschränkt. Weitere Kunststoffe können mit Hilfe moderner chemischer Verfahren ebenfalls bearbeitet werden. Allerdings sind hier der Trend zu beobachten, zunehmend aggressivere Säuren zu verwenden, um gute Ergebnisse zu erzielen.

Im Lichtbogenverfahren sind derartige Beschränkungen nicht bekannt. Alle gängigen Kunststoffe (beispielsweise ABS, PC, PA, PS etc.) konnten bisher erfolgreich beschichtet werden und führten zu guten bis sehr guten Werten der Haftfestigkeit.

Mit anderen PVD-Verfahren lässt sich ebenfalls eine recht große Bandbreite verschiedener Kunststoffe beschichten. Doch auch hier gibt es limitierende Faktoren: die Oberfläche muss möglichst geschlossen sein. Geschäumte Werkstoffe, besonders bei großporiger Oberfläche, können im Standardverfahren nicht verarbeitet werden. (kr)

*Karola Schmidt arbeitet als Senior Product Manager Cable Assemblies & EMC Coating bei der HARTING Technologiegruppe in Espelkamp.

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