Makerszene Erfolg kommt beim Machen
Nützlich im Team, gefährlich von außen: Maker sind Querdenker, Entrepreneure der ersten Stunden, haben Ideen, zweckentfremden und erfassen den Kern von Industrie 4.0. Vor allem aber können sie eins: Einfach machen.

Emergency, Emergency!“ Während die Kabinencrews im Lufthansa Flight Training Center in Schwaig bei Erding auf Rutschen aus Flugzeugrümpfen den Ernstfall proben, fliegen Piloten in bis zu 15 Mio. Euro teuren Cockpit-Simulatoren ihren virtuellen Check-Flug. Rund 30 km Luftlinie entfernt tüftelt Stephan Augustin von BMW an seinem Skateboard, und bei E-T-A im mittelfränkischen Altdorf gehen womöglich gerade die 3D-Drucker an. Unterschiedliche Unternehmungen, doch sie haben etwas mit vielen anderen gemein: In ihren Teams arbeiten Maker. Der für sie enorm nützliche Unterschied: Sie wissen oder ahnen zumindest, welche Perlen sie beschäftigen.
Kreativköpfe, Querdenker und Technikenthusiasten sind gefragt, denn wenn alle die Komponenten derselben Zulieferer verbauen, braucht es Ideen für neue Alleinstellungsmerkmale. Wo Time to Market zählt und Preisdruck herrscht, ist Erfindungsreichtum gefragt. Und wer Richtung Industrie 4.0 marschiert, der kann das nicht auf ausgetretenen Pfaden. Maker sind experimentierfreudige Selbermacher, passionierte Bastler, die so lange tüfteln, bis sie eine oft verblüffend geniale Lösung finden und sich dafür gern aus allem bedienen, was ihnen zwischen die Finger kommt, egal ob Modellbauknete, Fräse oder Raspberry Pi, Ponoko, Shapeware oder Adafruit. Sie vernetzen sich und ihre Entwicklungen für große Projekte, experimentieren mit 3D-Druckern, beherrschen Rapid Prototyping von der Pike auf, und ihre Objekte sind fast immer Losgröße 1. Es gibt ihn nicht, den einen Typus. Von Beruf Ingenieure, Elektrotechniker, Maschinenbauer, BWLer oder auch aus der künstlerischen Ecke, im Herzen Do-it-yourself mit Open-Source-Naturell. Das Alter spielt keine Rolle. Sie rüsten ihren Rasenmäher zum Garten-Roboter auf, flitzen im Job mal schnell zu IKEA, um mit einem schlichten Lichtschalter ein Kontaktproblem in der voll ausgelasteten Fertigung zu beheben oder zweckentfremden ihren alten Neopren-Tauchanzug, wenn die Sensorik Stöße bis zu 1G aushalten soll. Warum warten, bis der Beschaffungsantrag durch ist und das Spezialteil entwickelt und eigens angefertigt? Spinner? Eher findig und lösungsorientiert. Denn in den durchgetakteten Prozessen bleibt für Pannen oft keine Zeit. Das kann auch Felix Ehrentraut nur bestätigen, der im Lufthansa Flight Training Center (LFTC) am Flughafen München die Maintenance leitet. 15 t schwere Hightech-Anlagen verschiedener Airbus-Flugzeugmuster, Cockpits aus Original-Teilen auf haushohen elektrischen und hydraulischen Bewegungsplattformen, vollgespickt mit Technologien, die die Illusion vom Fliegen erzeugen: Außensicht internationaler Flughäfen, Wetterszenarien, Bewegungen bis hin zur Vibration beim Starten und selbst kleinste Erschütterungen auf dem Vorfeld – Sound inklusive. Mehrere Räume mit Schaltschränken versorgen die Elektrotechnik, damit die Piloten verschiedener Airlines ihre regelmäßig vorgeschriebene Level-D-Zertifizierung nach EASA FSTD absolvieren können. Ohne diese virtuellen Checks einer kritischen Flugsituation keine Fluglizenz. „Die Simulatoren laufen im 24-Stunden-Betrieb“, erklärt Ehrentraut. „Wenn irgendwo ein Fehler auftritt, müssen wir gegebenenfalls auch nachts um 2:30 Uhr eine Lösung entwickeln. Nach Möglichkeit läuft das nach Standardprozedur, aber es kann auch sein, dass unsere Mitarbeiter alternative Ideen finden müssen, damit der Betrieb weiterläuft. Das wird allerdings auf allerhöchstem Niveau betrieben.“ Schließlich gebe es strenge Auflagen der Flugbehörde. Gleichzeitig sind Flugsimulatoren „keine Geräte von der Stange“. Die Anforderungen an die Techniker sind also sicherheitsrelevant und hochkomplex. Und vom Tausch einer Wärmepumpe bis hin zu Software-Arbeiten müssen sie alles abdecken.
Doch wer bringt so ein anspruchsvolles und vielfältiges Fähigkeiten-Set mit, um nachts womöglich allein einen Fehler am 15-Millionen-Euro-Simulator zu beheben? Egon Weers und sein Kollege Michael McLean beispielsweise, der eine gelernter Elektrotechniker, der andere ursprünglich Werkzeugmacher, beide schon Maker, bevor die Spezies zum Trend erhoben wurde und einen Namen bekam. „Wir Simulator-Techniker sind eine spezielle Mischung, müssen eine Affinität zu allem haben“, erzählt Weers. „Jeder von uns tüftelt oder bastelt auch privat, viele elektrotechnisch. Ich mache beispielsweise Modellbau. Und das, was meine Kollegen oder ich zu Hause mit unserem Hifi-Video-Equipment, mit Raspberry Pis, mit Fräsen oder Löten an Hobbys ausprobieren, kommt letztlich auch wieder unserer Arbeit zugute.“
Maker probieren und wagen Neues
Weers steht im LFTC in einer Werkstatt mit heimeliger, fast schon persönlicher Prägung, als er das erzählt. „Wir haben eine voll ausgestattete Elektronik-Werkstatt und eine im Laufe der Zeit gewachsene Mechanik-Werkstatt mit verschiedensten Werkzeugen und Geräten, manche auch Relikte aus alter Zeit. An mechanischen Teilen bekommen wir so ziemlich alles selbst hin, was wir brauchen, beispielsweise Hydraulikteile.“ Und der Techniker ergänzt, was ihm wichtig ist: „Wir Kollegen pflegen das hier, und halten die Geräte ständig am Laufen. Wir sind mit den Werkstätten hier sehr verbunden.“ Erforderlich ist aus Weers Sicht auch der Austausch und das kollegiale Zusammenspiel bei den Aufgaben im LFTC. Und genau davon profitiert nicht nur der Teamgeist. „Die Arbeit an Simulatoren ist hochkomplex, da greifen die Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeiter oft ineinander“, sagt Maintenance-Chef Ehrentraut. „Nicht nur, um ein Problem zu lösen. Wenn es in einer Flugzeug-Flotte ein Update gibt, dann ziehen wir das im Simulator nach, was dann sämtliche der vernetzten Systeme betreffen kann. Auch das Feedback der Piloten, die hier trainieren, wird aufgegriffen.“ Rückmeldungen gingen dann auch an den Hersteller in die Entwicklung. „Es stellt sich oft nach Jahren oder Jahrzehnten des Betriebs heraus, was man noch verbessern könnte.“
Da klingelt es vermutlich in den Ohren vieler Unternehmen, auch weil sie häufig erst nach Reklamationswellen auf Schwachstellen stoßen – und bei der Lösungsfindung womöglich in ihren Denkroutinen hängenbleiben. Bei neuen Produkten handelt es sich dann nicht selten nur um eine Weiterentwicklung mit ein, zwei Extra-Features. Alter Wein in neuen Schläuchen. Maker haben Ideen, zweckentfremden, probieren aus und wagen jede Menge Neues. Und dieser Freigeist steckt vermutlich in vielen von uns. Allein in den USA sollen laut Time Magazin geschätzte 135 Mio. Erwachsene zu den Makern zählen, der eine mehr, der andere weniger.
Doch in vielen Firmen schlummert dieses Potenzial. Da ist dann die Investition in Forschung und Entwicklung vielfach auf Patente getrimmt. Oder ihnen ist gar nicht bewusst, was noch so alles in ihren verdienten Mitarbeitern steckt. Seltsamerweise, denn oft handelt es sich um dieselben Firmen, die auf der Suche nach Fähigkeiten und Impulsen branchenübergreifende Entwicklungspartnerschaften eingehen, Innovations-Plattformen bauen und neue Technologien samt Startup akquirieren. Sie schicken ihre Scouts durch die Foren der Social Media oder regen Kunden an, ihre Ideen in der Produktentwicklung beizusteuern. Customer-Co-Creation etwa heißt die Strategie nicht nur der Automobilindustrie, die Kunden einzubeziehen und selbst aktiv werden zu lassen.
An dieser Stelle hinkt so manches Unternehmen vielleicht schon hinterher. „Zwar wird im Innovationsmanagement der Einbezug von Kunden und Nutzern in die Produkt- und Service-Entwicklung schon lange diskutiert“, heißt es am Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement am RWTH Aachen. Aber innovative Anwender seien schon einen Schritt weiter. Die Crux für die Platzhirsche: „Sie warten nicht mehr auf ein Unternehmen, das ihre Beiträge integriert, sondern nutzen die Potenziale eines gerade entstehenden Produktions- und Distributionssystems, um direkt unternehmerisch tätig zu werden.“ Eine eigene Fertigung aufbauen? Wozu? Der Maker an sich braucht das alles nicht. Es gibt additive Fertigungstechniken, kostengünstige Software und Open-Hardware-Lizenzen. Dazu Crowd Sourcing und Open Production. Maker Economy nennt das RWTH Aachen das, was hier an neuen Geschäftsmodellen aus der Maker-Szene heranwächst. Maker stricken die Wertschöpfungsketten um: Von Null zum Maker, dann von Maker zu Maker und schließlich vom Maker zum Markt, skizziert Deloitte den Umbau in ein neues Ökosystem.
Über 1000 offene Werkstätten weltweit
Das ist nicht nur eine neue Denke, mit der sich Firmen mit eingefahrene Strukturen womöglich schon sehr bald schwer tun werden. Die klassische Industrie spürt den frischen Wind bereits von vorn, während sich Startups vom Rückenwind der innovativen Geschäftsmodelle förmlich auf neue Märkte tragen lassen. „Von den Makern kommen nicht nur Impulse. Um ihre Ideen entsteht eine neue Art Wettbewerb, an dem sich Firmen beteiligen können“, sagt Christian Gülpen, Leiter Unternehmenskooperation und Bereichsleiter Digitalisierung am Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement der RWTH Aachen.
Die internationale Unternehmensberatung Deloitte hat bereits eine Studie vorgelegt, um die von Makern initiierten Geschäfte als Markt zu erfassen. Ein Milliardenvolumen, das sich derzeit offenbar jedes Jahr nahezu verdoppelt. Zudem hat sich im Geleitzug der Open-Source-Bewegung ein eigener Markt entwickelt, der Makern Zugriff auf Spitzentechnologie bietet. Auf rund sechs Mrd. US-Dollar schätzen Markteilnehmer wie Atmel Presseberichten zufolge das Volumen für 2017. Über 1000 dieser offenen Werkstätten mit Zugang zu Profi-Maschinen wie Laser-Cutter und CNC-Fräsen zählte die Szene weltweit bereits vergangenes Jahr. Sie bieten das, was den meisten fehlt: eine Arbeitsumgebung mit Werkzeug, Material und den sich daraus erst ergebenden unzähligen Möglichkeiten – für schmales Geld. Allen Maker-Hubs weltweit gemeinsam ist die offene Atmosphäre, in der sich jeder mit jedem austauscht, egal aus welcher Fachecke er kommt oder wie firm er oder sie ist. Eines davon ist das Fab Lab im Münchner Westend.„Hier kann man mit relativ wenig Budget einen Prototyp entwickeln“, erzählt Andreas Kahler. 28 Euro Mitgliedsbeitrag monatlich und der Zugang zu Know-how aller Fachrichtungen frei Haus. „Hier werkeln die unterschiedlichsten Leute: Ingenieure, Maschinenbauer, Modedesigner, Architekten, Software-Entwickler. Wer herkommt, tauscht sich aus, will sich von Fachfremden inspirieren lassen. Wenn man nur mit Leuten zu tun hat, die in demselben Gebiet arbeiten, lernt man nichts. Die Community ist ein wichtiger Bestandteil.“
Nicht nur Privatleute, auch Firmen nutzen hier die kleine Lege-Batterie aus 3D-Druckern mitunter für ihr Prototyping – oder inhalieren hier oder in einem der anderen offenen Werkstätten das dynamisch kreative Flair. Darauf setzt auch das kürzlich vom Gründerzentrum der TU München, Unternehmer TUM, eröffnete Maker Space in Garching mit einem Maschinenpark, von dem selbst die in Konzernen mangels Kapazitäten unterversorgten Ingenieure träumen: Metallwerkstatt, Oberflächenbearbeitung, Schweißen, diverse CAD-gesteuerte Maschinen, Vakuumformung, Spritzguss, Industrienähmaschinen, Vinyl-Cutter, Siebdruck, Lackieren, Pulverbeschichten & Co. Das war Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich einen Besuch wert.
Überhaupt weckt die Maker-Szene allerhöchstes Interesse. Barack Obama war Gastgeber einer MakerFaire im Weißen Haus. Sofern sie aufgeschlossen sind, könne es für Unternehmen also in mehrerlei Hinsicht wertvoll sein, sich mit den Makern zu beschäftigen, meint auch Gülpen. Oder anders formuliert: Riskant, wenn sie es lassen.
Labview für die Makerszene interessant
National Instruments ist längst dabei, gilt vielen selbst als Teil der Maker-Szene. Mit seiner offenen Plattform und seinem Produktportfolio bewegt sich das US-amerikanische Unternehmen mittendrin in flexiblen Technologielösungen. Die Systemdesign-Software Labview beispielsweise gibt es auch in der bezahlbaren Home-Version. „Das ist das Maker-Produkt schlechthin auf dem Markt, weil es auf der Industrie-Version basiert. Damit arbeiten Maker rund um die Erde, tauschen sich darüber auch online im Labview Maker Hub aus“, freut sich Jan Wagner, Regional Product Engineer bei NI in München. Hier ist er zuständig für Produkte, die speziell für die Lehre entwickelt werden und koordiniert auch eine praxisnahe Kooperation mit Unternehmer TUM und dem Maker Space. Wagner hat selbst an der TU München Elektrotechnik studiert, weiß, wie die Maker ticken. „Sie sind nicht nur unsere Zielgruppe, wir sehen sie auch als unsere Partner.“ Der Hauptsitz in Austin, Texas arbeite beispielsweise mit den Tech Shops zusammen, wo die Menschen firmen- und abteilungsübergreifend zusammenkommen. „Das sind Schmelztiegel der Ideen.“ Wagner glaubt, dass er auch als Marketer in vielerlei Weise von der Maker-Kultur bei NI profitiert. Bei Kundengesprächen sei er beispielsweise oft überrascht, mit welchen Ansätzen sein Maker-Kollege Lorenz Casper im Team überzeugt: „Nicht so verkopft, viel spielerischer, witziger, Quergedachtes aus einer anderen Perspektive gesehen, wenn wir Kunden ein Produkt erklären.“ Bei NI könne sich jeder einbringen, das sei schon eine besondere Kultur. „Dafür hat NI auch die Produkte, die nur in einem Unternehmen entstehen, wo man sich entfalten kann.“
Automatisierer tun sich mit anderen Firmen zusammen
Casper hat eine Ausbildung bei Kuka zum Energieanlagenelektroniker absolviert und dann im zweiten Bildungsweg an der FH Energieanlagenelektronik studiert. Einer, der zu Hause auf Basis der ersten PCs Lampen baute und steuerte. Heute ist seine ganze Wohnung automatisiert. „Das kommt mir im Job sehr zugute. Als Maker fühlt man sich stärker, weil man mit viel Technik vertraut ist, einfach breiter aufgestellt.“ Eine besonders schöne Erfahrung für ihn als Maker sei, „dass Ideen auch mal daneben gehen dürfen. Dann einfach den nächsten Weg ausprobieren. Man traut sich mehr, auch im Job.“ Noch ein Aspekt, bei dem Personalchefs innovativer Unternehmen hellhörig werden könnten.
Denn Maker-Spirit, das ist für Lorenz Casper eine besonders dynamische Kultur: „Meist ist das so eine ‚Wir-Packens-Einstellung‘. Jetzt probieren wir es.“ Er weiß, dass seine oft wenig standardmäßige Herangehensweise nicht in jedem Unternehmen auf Wohlwollen stößt. Vielleicht ist das ein Grund, warum so viel Potenzial mitunter brach liegt? Allerdings: Manchmal lässt sich die unorthodoxe Herangehensweise wohl einfach nur schwer innerhalb der gewohnten Abläufe kanalisieren. „Auch wir haben solche Schrauber im Team“, erzählt etwa Frank Singer, Gruppenleiter bei Osram Opto Semiconductors. „In ihnen steckt viel. Aber es sind auch Querköpfe, die ihre Idee nicht sauber aufschreiben oder vermitteln.“ Deshalb würden oft Mauern gegen sie aufgebaut, nur weil sie anders kommunizierten. Da sei dann der Vorgesetzte gefragt, den Kern herauszufiltern. „Sie denken ein bisschen wie in der Big Bang Theory – abgehoben. Die Herausforderung ist, die Leute immer wieder zurückzubringen zu dem, was die Firma braucht. Sonst haben wir eine Kaffeemaschine mit 5000-Watt-Verstärker, aber keine Autos mehr.“
Singer schätzt seine Maker im Team. Der Gruppenleiter benennt lediglich eine Personalaufgabe, die andere Unternehmen als Mühe scheuen. „Wie transferiere ich den Open-Source-Ansatz, ohne Paradigmen zu verletzen?“ Und gerade Maker täten sich bisweilen schwer mit festen Strukturen. Er selbst sieht sich in einer Sandwich-Position: „Ich bekomme einerseits Vorgaben, muss meinen Leuten aber Freiraum geben. Man muss ausprobieren können, braucht diese Zeit zum Messen und Spielen.“ Einfach mal machen können – offenbar ein Schlüssel zur Innovationsfähigkeit, da sind sich die Experten einig. Nicht jeder Hersteller ist jedoch so groß wie etwa ein Audi, Daimler oder Bosch, um sich eine eigene Forschungsabteilung zu leisten. Das muss auch nicht unbedingt sein, wie etwa der innovative Erfolg der E-T-A Elektrotechnische Apparate aus Altdorf zeigt. Der Spezialist für Stromverteilung hat dieses Jahr knapp zehn neue Produkte auf den Markt gebracht. „Das Problem für einen Mittelständler, der kein eigenes Forschungslabor hat, besteht darin, die Technologien rechtzeitig zu erkennen“, sagt Peter Meckler, Head of InnoLab, Innovation & Technology und Test Laboratory. „Wir haben deshalb vor rund sechs Jahren die Abteilung Innovation & Technologie (I&T) geschaffen. Drei Leute arbeiten hier im Bereich Technology Foresight. I&T ist der eigentlichen Entwicklung vorgelagert und soll Technologien ausprobieren, die für uns interessant sein könnten, wenn sie reif sind.“ Weil sich das kaum vorausahnen lässt, ist die I&T eben nicht in straffe Vorgaben eingezwängt. „Unsere Leute in der Trendbeobachtung sollen mit den Technologien schon mal rumspielen“, meint auch Meckler, der in Erlangen Elektrotechnik studiert und danach gleich in der Entwicklung angefangen hat. „Sie sind völlig frei, haben einen Arbeitsplatz mit allem, was man braucht, um zu basteln: Laboreinrichtung, Lötkolben, Spannungsquellen…Dabei leisten sie hochkomplexe Aufgaben, simulieren beispielsweise elektromagnetische Felder zur Konstruktion von Schutzgeräten.“ Seiner Ansicht nach brauchen Leute im innovativen Bereich auf jeden Fall Freiräume. „Jeder weiß heute, dass enge Vorgaben mit Meilensteinplan und Kostenvorgaben nicht gerade die Kreativität fördern – vorsichtig formuliert. Das braucht es aber auch nicht. Jeder Entwickler hat seinen eigenen Ehrgeiz, möchte seine Ideen, seine Bastelobjekte irgendwo in einem Produkt wiederfinden. Das ist der Ehrgeiz, den die Daniel Düsentriebs haben.“
Cross Innovation mit Brose, Schaeffler und Co.
Auch der E-T-A Nachwuchs profitiert. So stehen beispielsweise den angehenden Elektromechanikern und Werkstudenten 3D-Drucker zur Verfügung. Peter Meckler erinnert sich noch gut, wie wichtig das Ausprobieren ist. „Heute übernehme ich mehr Management-Aufgaben, hab aber auch ein Maker-Gen und viel mit Elektronik gebastelt.“ Verloren hat er das offenbar nicht. So hat er mit seinem Team aus der I&T, Azubis und anderen Schraubern aus einem Startup in Nürnberg beispielsweise zusammen ein Elektro-Buggy gebaut. „Einfach ein Projekt für den Spaß. Wir sind ja Lieferant im Automotive-Sektor, wollten einfach mal selbst Elektromobilität ausprobieren.“ Der Elektromotor kam vom Mittelständler Baumüller aus der Nachbarschaft. Überhaupt sind die findigen Köpfe von E-T-A in der Region gut vernetzt, pflegen den Austausch nicht nur, sondern fördern ihn. So hat der Mittelständler quer.kraft der Innovationsverein e.V. mitgegründet, in dem sich Forschung, Lehre und inzwischen 40 Firmen aller Couleur wie beispielsweise die FAU Friedrich Alexander Uni, Brose, Schaeffler, Osram, Leoni, aber auch Ergo Direkt oder Datev in Arbeitskreisen treffen. Meckler: „Wir tauschen uns dort über Innovation aus. Das ist auch ein Ansatz von uns, um am Ball zu bleiben.“ Es gibt Arbeitskreise etwa zu Cross Innovation.
BMW engagiert sich auch im Maker Space
Meckler hat im Workshop schon mal eines seiner Kernthemen ausgelotet: „Wir machen das folgendermaßen in dem Kreis: Wenn jemand ein Problem hat in seiner Firma, betrachten wir das alle aus unseren jeweiligen Perspektiven. Oft ist man ja betriebsblind, sieht den Wald vor lauter Fichten nicht. Da ist es hilfreich, wenn die anderen aus unterschiedlichen Bereichen oder Firmen kommen. Unsere Frage war einmal: Wie bringe ich viel Strom auf eine Leiterplatte mit eingeschränktem Bauraum? Dazu haben wir inzwischen sogar schon ein Patent anmelden können.“ Dass der Ansatz funktioniert, hat sich bei E-T-A. schon öfter erwiesen: „Er mündet konkret in Produkte, etwa unserem Schalter für Photovoltaik als Hybridtechnologie. Gleichspannungsnetze sind ein Zukunftsthema, da entwickeln und probieren wir viel.“ Gerade wer sich im knallharten Wettbewerb dynamischer Märkte behaupten will, braucht den Blick über den Tellerrand. Der Meinung ist auch Vladimir Sizikov aus dem Innovationsmanagement bei Schaeffler, der sich ebenfalls im Innovationsverein quer.kraft engagiert. „Der Kern bei Makern ist, dass man über sein eigenes Kompetenzfeld und sein Jobprofil hinausschaut, sich aus seiner Komfortzone rausbewegt.“ Offenes Denken ist für ihn das Wesen einer Innovationskultur. Manchmal allerdings fehlt es dann aber eben noch am Machen. Maker bringen ein, was im digitalen Zeitalter vielfach verloren scheint: handwerkliches Geschick und ein Gespür für Machbares. In vielen Jobs verkümmert das Tüftler-Gen wohl allmählich an den PCs. Nur die Maus wird noch bewegt für die Konstruktions-Software.
Ingenieure sitzen heute oft nur noch vor ihrem Bildschirm, klagen die eigentlichen Praktiker. „Doch gerade beim Werkeln mit Händen entstehen Lösungen“, weiß auch der bekennende Maker Stephan Augustin aus eigener Erfahrung (siehe Interview). Er kultiviert als Technischer Leiter Forschung, Neue Technologien, Innovation bei der BMW, Group, was sich seiner Meinung nach am Schreibtisch nicht so recht entfalten mag. BMW hat kürzlich für seine Mitarbeiter ein Sammel-Abo im Maker Space München abgeschlossen, wo sich Schrauber und Tüftler aller Richtungen treffen – und auch Wettbewerber. Nur reden nicht alle offen über ihren Einstieg in die Maker-Szene. Anders Augustin: „Wir sehen in den Maker Spaces eine echte Chance für Innovation, eine Art mentales Fitnesscenter, damit die Leute auf neue Ideen kommen.“ Die Devise der Maker: Der Erfolg kommt dann beim Machen.
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