Industrielle Bildverarbeitung Fehlerfrei: Folieninspektion bis 1200 m/min in Echtzeit
OCS aus Witten stellt Maschinen für die produktionsintegrierte Folieninspektion her. Bis zu zehn Kameras nebeneinander arbeiten in dessen skalierbaren Systemen und ermöglichen damit Produktionsgeschwindigkeiten von bis zu 1200 Metern pro Minute. Optische Basis ist Bildverarbeitung von Stemmer Imaging.
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Bei genauerem Hinsehen findet man Kunststofffolien in unterschiedlichsten Stärken und Farben – transparent bis undurchsichtig (opak), strukturiert oder beschichtet – in nahezu allen Lebensbereichen und Branchen. Die Anwendungen reichen von Flachbildschirmen, Handydisplays, Pharma-Tablettenblister oder Lebensmittelverpackungen bis hin zu Babywindeln. Produziert werden die Folien rund um die Welt und rund um die Uhr in riesigen Anlagen. Die Qualität hängt von vielen Parametern ab. Qualitätsüberwachung und -sicherung im laufenden Produktionsprozess sind daher entscheidend für die Qualität des Endprodukts.
Dabei gibt es unterschiedliche Standards. Die spezifischen Ansprüche werden zwischen Herstellern und Anwendern individuell vereinbart. Dabei spiegeln Art und Anzahl der zulässigen Fehler zwangsläufig den Aufwand für die Herstellung, also letztlich den Preis der Folien wieder. „Einfach gesagt: In einer Käseverpackung will niemand eingeschweißte Insekten sehen, beim Blick auf einen TFT-Bildschirm sollten keine trüben Stellen auffallen und in der Isolation von Hochspannungskabeln sind Löcher definitiv nicht erwünscht“, erläutert Mendo Gusevski beispielhaft die Sachlage. Er ist Projektmanager bei OCS, das auf die optische Qualitätssicherung von Polymeren und den daraus produzierten Folien spezialisiert ist und weltweit zu den drei Größten in der Branche zählt.
Fehlererkennung nur mit Bildverarbeitung
Der Messbereich relevanter Fehler in extrudierten Folien hängt meist von deren geplanter Verwendung ab. Bei Verpackungsfolien (PET) müssen Fehlergrößen zwischen 150 und 500 μm erkannt werden. Bei technischen Folien betrachtet man die Größenordnung von 50 bis 200 μm, bei Oberflächenschutzfolien zum Beispiel von 60 bis 160 μm und bei Folien mit speziellen optischen Eigenschaften kann es erforderlich sein, Fehler von 25 bis 100 μm sicher zu erkennen.
Fehler entstehen beim Extrusionsprozess durch nicht korrekt aufgeschmolzenes Material (so genannte Stippen oder Anbrenner), Fischaugen, Dünnstellen, Löcher, Schlieren, Fließlinien – oder schlicht Schmutz. Die Frage, ob eine Inhomogenität der Folie auch als Fehler im Sinne der Qualitätsüberwachung zu deuten ist, lässt sich nur mit Blick auf die spätere Anwendung beantworten. Ohne Bildverarbeitung sind all diese Fehler in der geforderten Geschwindigkeit nicht zu erkennen.
Skalierbares, modulares Inspektionssystem
Gemeinsam mit Stemmer Imaging hat OCS über die Jahre der Zusammenarbeit ein skalierbares, modulares Inspektionssystem entwickelt, in dem bis zu zehn Kameras nebeneinander arbeiten können. In der Praxis kommen in den meisten Anwendungen Systeme mit zwei Kameras zum Einsatz und prüfen eine Folienbreite von 1500 bis 2000 mm.
Neben der Sensorgröße der Zeilenkamera von bis zu 8192 Pixel (8k) bestimmt noch der Abstand der Kamera die erreichbare Auflösung. Zum Beispiel verlangen Folien für die Verpackungsindustrie in der Regel nicht mehr als 150 bis 200 μm Auflösung, was dem Einsatz von einer Kamera pro Meter Folienbreite entspricht. Technische Folien werden mit doppelter bis dreifacher Auflösung und einer entsprechend höheren Zahl von Kameras überprüft.
Die Zahl der Pixel ist aber nicht allein das Maß der Dinge. In 8k-Kameras sind die Sensorelemente kleiner und entsprechend weniger lichtempfindlich. Bei weniger lichtdurchlässigen Materialien würde man sich also eher für 4k-Kameras mit größerem Sensordurchmesser entscheiden. Schon diese einfache Betrachtung zeigt, dass hier seitens der Anlagenbauer viel Erfahrung gefragt ist, um die technischen Anforderungen und die Kosten optimal einzusetzen.
Jede Kamera mit eigenem Framegrabber
Um die Zahl der anfallenden Bilddaten bei Produktionsgeschwindigkeiten von bis zu 1200 m/min in Echtzeit bewältigen zu können, verfügt jede Kamera über einen eigenen Framegrabber. Beide sind an der Maschine im gemeinsamen Gehäuse untergebracht. Diese Workstations bieten die notwendige Modularität und kurze Signalwege. Integrierte Kühlventilatoren erzeugen einen leichten Überdruck und verhindern, dass sich produktionsbedingter Staub auf der Optik ablagert. Bei aggressiven oder besonders schmutzigen Umgebungsbedingungen kommen hermetisch dichte Gehäuse zum Einsatz, die dann durch einen eigenen Staub- und Feuchtekontrollierten Spülluft-Kreislauf gekühlt werden.
Für die Folieninspektion haben sich beide Firmen auf eine Reihe interner Standards für Kameras, Kabel und Beleuchtung geeinigt. Die Zusammenarbeit führte sowohl bei den Kameras von JAI und Teledyne Dalsa als auch bei den Framegrabbern von Teledyne Dalsa zu speziellen Firmware-Versionen. Damit lassen sich rund 90 Prozent der Anwendungen realisieren.
Stemmer Imaging hat die Rolle des reinen Distributors längst verlassen. „Um Großkunden massiv zu entlasten haben wir hier mittlerweile viel Kompetenz mit eigenem Know-how aufgebaut“, erläutert Georg Schelle, der OCS als Senior Key Account Manager schon seit vielen Jahren betreut. „Statt eines bestimmten Satzes an Komponenten liefern wir immer häufiger vormontierte Module, die vorab mit den Kunden genau definiert werden und ihnen Zeit bei der Integration in die Anlagen sparen. Bei den Folienapplikationen von OCS sind dies neben den reinen Komponenten aufgrund der hohen Komplexität meist auch die Optikbaugruppen mit Optiken von Qioptiq und Filtern von Schneider Kreuznach oder Midwest Optical Systems. Dies verkürzt die Lieferzeiten, erhöht die Funktionssicherheit der Anlagen und senkt letztlich die Kosten für unsere Kunden.“
Kundenspezifische Beleuchtungen
Die zwischen 100 und 3600 mm langen LED-Zeilen für die Folieninspektionsanlagen von OCS stellt Stemmer Imaging-Lieferant CCS in Japan mittlerweile absolut kundenspezifisch her. Das heutige Design beruht auf einem erprobten Standardprodukt, das immer wieder neu auf die Vielfalt der realen Anforderungen weiterentwickelt wurde. „Das zeigt sich zum Beispiel bei der Homogenität der LED-Lichtleistung, den Diffusor-Eigenschaften in allen drei Achsen, dem Steckverbinder- und Wartungskonzept bis hin zur Schutzklasse IP54“, erläutert Schelle. „Im Grunde liefern wir eine modulare Plattform für die Lösungen von OCS, die während der langjährigen Zusammenarbeit gemeinsam entwickelt wurde und sich auf konkrete Anwendungen anpassen lässt.“
Die aufwändig gefertigte LED-Zeile ist durch eine strapazierfähige und austauschbare Kappe gegen Verschmutzung und Kratzer geschützt, denn beim Anfahren der Produktion hängen die zunächst noch sehr dicken Folien häufig durch und führen entsprechend zu Verschleiß. Unmittelbar unter dieser Schutzkappe befindet sich der antistatisch behandelte Diffusor, der die Lichtverteilung entlang der Messlinie und die Homogenität der Lichtverteilung entlang der LED-Zeile bestimmt.
Die richtige Wahl beim Lichteintrittswinkel ist ein wichtiger Parameter zur Optimierung des Prüfvorgangs. Je schmaler das Lichtband, desto stärker der Kontrast für bestimmte Fehler. Bei Folien mit vielen Stippen, die aber etwa bei Verpackungen nicht stören, genügt eine weniger kontrastreiche Beleuchtung. Für die Suche nach Anbrennern oder Verschmutzungen ist ein hoher Kontrast vorteilhaft.
Der Diffusor spielt auch bei der Prüfung von strukturierten Folien eine wichtige Rolle. Durch angepasste Ausleuchtung lassen sich strukturbedingte Signale deutlich dämpfen und damit Fehler besser erkennen. Auch farbiges oder UV-Licht kann zum Einsatz kommen - oder Infrarot bei lichtempfindlichen Folien oder Beschichtungen.
Hauseigenes Test- und Schulungszentrum
Je nach Aufgabe stellen verschiedenste Beleuchtungsvarianten eine weitere Option dar: Durchlicht oder Auflicht, Hellfeld oder Dunkelfeld. Im hauseigenen Test- und Schulungszentrum bei OCS findet sich unter anderem ein Umwickler, an dem diverse Voruntersuchungen durchgeführt werden können. Hier lässt sich die Ausrüstung einer geplanten Anlage anhand von Folienmustern auf die Ziele der Kunden optimieren und unter realen Bedingungen bei Geschwindigkeiten von bis zu 400 m/min verifizieren.
In dieser Anlage testet OCS immer wieder auch neue Technologien, wie kürzlich zum Beispiel eine Truecolor-Spezialbeleuchtung, an der ansteuerbare LED-Elemente das Einstellen verschiedener Farben oder bei Bedarf sogar den Einsatz von Licht im nahen Infrarotbereich erlauben. „Auch hier zahlt sich die enge Zusammenarbeit mit Stemmer Imaging für uns immer wieder aus“, betont Gusevski.
Inspektion zur Prozesskontrolle
Tatsächlich werden alle Fehler – letztlich Inhomogenitäten der Folien – in individuellen Bildern erfasst, die bei Bedarf auch im Nachhinein auswertbar sind. Die von OCS entwickelte Analyse-Software erlaubt dem Anlagenpersonal unterschiedliche Darstellungen von Fehlertrends, aus denen sich Alarme und gezielte Änderungen für bestimmte Prozessparameter im Herstellungsprozess ableiten lassen. Trenddaten zeigen dann Tendenzen als Folge von Veränderungen.
So können Probleme mit der Zuführung von Additiven, außergewöhnliche Schmutzeinträge oder beim Wechsel von Pellet-Tanks erkannt und bestimmten Längenabschnitten zugeordnet werden. In späteren Kommissionierläufen lassen sich die fehlerhaften Abschnitte der Folien dann herausschneiden.
Im Hintergrund erkennt und speichert das Inspektionssystem kundenspezifisch viele Details, die für weiterreichende Analysen zur Qualitätssicherung von Bedeutung sein können. Gab man sich bei den QS-Verantwortlichen vor Jahren noch mit der Inspektion von circa 10 Prozent der Bahnbreite zufrieden, zeigt sich mit wachsender Rechenleistung heute verstärkt der Wunsch nach 100-Prozent-Kontrolle, die OCS dem Kunden bietet.
„Die derzeit breiteste Bahn, die wir mit unserem FSP-600-System inspizieren, misst 870 cm und läuft mit 1200 m/min. Diese enormen Datenmengen mit bis zu 400 MB pro Kamera sind nur auf Hardware-Ebene beherrschbar – und entsprechend kommunizieren wir bei Bedarf auch direkt mit den Entwicklern bei Teledyne Dalsa über Details, von denen andere Anwender mit weniger zeitkritischen Abläufen gar nicht betroffen sind“, erklärt Oliver Hissmann, Sales Manager bei OCS. „Die höchste, kundenseitig geforderte Auflösung, liegt derzeit bei 25 μm auf 1500 mm Breite. Das erledigen wir mit zehn synchronisierten Kameras.“
Blick über den Tellerrand
Die Möglichkeiten eines Anlagenbauers wie OCS wachsen stetig mit neuen, innovativen Technologien. High-end steht deshalb immer auch für den Blick über den Tellerrand und möglichst bis zum Horizont – auf der Suche nach dem, was aktuell möglich ist.
Dies gilt auch für Stemmer Imaging, die sich den weltweiten Vertrieb für eine bei Mitsubishi Electric entwickelte Scanner-Technologie gesichert haben. Die Contact Imaging Sensors (CIS) sind Kamerazeilen von etwa 30 bis 90 cm Länge, wobei jedes einzelne Pixel über eine eigene Optik (Rod Lens) mit telezentrischen Eigenschaften verfügt, die eine unverzerrte Aufnahme von zeilenförmigen Bildern ermöglichen. Diese Technologie hat sich bereits in Geldautomaten bewährt. CIS-Module arbeiten extrem schnell und in der industriellen Ausführung mit 12 mm Abstand verschleißfrei. OCS testet diese neue Technologie bereits für künftige Anlagen.
Der zweite Technologiesprung in Reichweite sind Polarisationskameras von Teledyne Dalsa. „In der Regel setzen wir in unseren Anlagen bisher die klassische monochrome Zeilenkamera ein“, so Gusevski von OCS. „Für besondere Anwendungen arbeiten wir mit Kameras mit drei Sensorzeilen und Prisma für RGB von JAI.“
Aktuell hat Teledyne Dalsa jetzt eine vierzeilige Kamera vorgestellt, die mit Polarisationsfiltern bestückt ist, die auf jeder Zeile um 90° gedreht angeordnet sind. Aus den Bildunterschieden zwischen den Zeilen mit unterschiedlicher Polarisation lässt sich eine ganz neue Art von Bildinformation herauslesen. „Einsatzmöglichkeiten für solche neuen Technologien in der Folieninspektion gilt es herauszufinden“, betont Gusevski.
Er nennt ein weiteres Beispiel für innovative Ideen, die OCS in seinen Anlagen testet: „Wir haben mit den ungekühlten LWIR-Kameras Calibir von Teledyne Dalsa Versuche gefahren, um zu sehen, ob thermische Untersuchungen eine weitere Prüfmöglichkeit für Folien darstellen. Die Ergebnisse waren vielversprechend und wir werden diese Option bei Bedarf weiterverfolgen.“
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