Nachgefragt: 3 Experten zur Kunststoffindustrie Für Automatisierer ist es nicht einfach nur Plastik

Autor Sariana Kunze

Die K 2016 wird wieder Plattform für Produkt-, Prozess- und Problemlösungen in der Kunststoffverarbeitung sein. Rund 3.000 Aussteller, darunter auch Automatisierer, stellen ihre Lösungen für die Kunststoff- und Kautschukindustrie vor. Wir von elektrotechnik haben uns am Markt umgehört und erfahren, was die Kunststoffindustrie für Automatisierer interessant macht und welche Potenziale es in dieser Branche gibt.

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Die Kunststoffindustrie ist ein wachsender Markt – auch die Automatisierungsspezialisten. Auf der K 2016 werden einige von ihnen ihre Produktneuheiten für den Kunststoffmarkt vorstellen.
Die Kunststoffindustrie ist ein wachsender Markt – auch die Automatisierungsspezialisten. Auf der K 2016 werden einige von ihnen ihre Produktneuheiten für den Kunststoffmarkt vorstellen.
(Bild: gemeinfrei / CC0 )

Warum ist die Kunststoff- und Kautschukindustrie so interessant für Ihr Unternehmen?

„Die wichtigste Entwicklung der letzten Jahre war und ist der 3D-Druck“, sagt Gerhard Baus, Prokurist Gleitlager, Igus.
„Die wichtigste Entwicklung der letzten Jahre war und ist der 3D-Druck“, sagt Gerhard Baus, Prokurist Gleitlager, Igus.
(Bild: Igus)

Gerhard Baus: Für uns als Hersteller von Maschinenelementen aus Kunststoffen ist die Messe gleich doppelt interessant; einerseits liefern wir Komponenten für die Automatisierung der Prozesse (vom Gleitlager bis zum Robotergelenk), andererseits erfinden wir ständig neue Kunststoffcompounds, mit denen sich Verschleiß und Reibung vermindern lassen. Kein anderer Werkstoff bietet so viel Vorteile wie Kunststoff: Leicht, korrosionsfest, formbar, günstig, vielseitig und anpassungsfähig. Igus ist Hersteller von Motion Plastics – von Kunststoffen für die Bewegung. Wir möchten die Welt durch den Einsatz unserer Produkte schmierfrei machen bzw. den Verbrauch von Schmiermitteln senken. Noch immer ist die Verschmutzung von Erde, Luft und Wasser durch Schmieröle und Schmierfette ein riesiges Problem. Unsere Kunststoffe können helfen, dieses Problem zu lösen, da sie komplett ohne Schmiermittel auskommen.

„Die Kunststoffproduktion entwickelt sich hin zu spezifischen Kleinserien“, sagt Marc Leidner, Head of Business Line Handling and Machining, ABB Robotics.
„Die Kunststoffproduktion entwickelt sich hin zu spezifischen Kleinserien“, sagt Marc Leidner, Head of Business Line Handling and Machining, ABB Robotics.
(Bild: ABB)

Marc Leidner: Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter und der allgegenwärtige Trend zur Digitalisierung sorgen in der Industrie für eine Neuausrichtung der Produktionslandschaft. ABB bietet Herstellern Lösungen, um die Vorteile auszuschöpfen, die mit dem ABB-Konzept für das Internet of Things, Services and People (IoTSP) einhergehen. Diese Lösungen ermöglichen entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Produktionsbereich eine höhere Produktivität, Flexibilität und Effizienz.

Dr. Thomas Wisspeintner: Bei der Kunststoff- und Kautschukindustrie handelt es sich um einen weltweiten Markt, der sich stetig weiterentwickelt. Hier finden zahlreiche unterschiedliche Prozesse und Verfahren Anwendung, deren Optimierung hochpräzise Messtechnik und Sensorik erfordert. Im Bereich der berührungslosen Temperaturmessung sind wir beispielsweise schon seit Jahren aktiv, da sich gerade die IR-Temperaturmessungen für Kunststoffteile besonders eignen. Allerdings bietet die Kunststoff- und Kautschukindustrie noch enormes Potential hinsichtlich der Modernisierung bestehender Anlagen. So werden unter anderem noch Extrusionslinien über manuelle Dickenmessungen und ohne Regelungsprozesse betrieben. Überdies spielen künftig nicht nur offensichtliche Prozessgrößen eine Rolle, der Anteil der indirekten Größen erhöht sich mit zunehmender industrieller Entwicklung. Überwachung, Dokumentation und Verfahrensverbesserung gewinnen an Bedeutung, um Effizienz, Qualität und Wettbewerbsfähigkeit in der Produktion anzuheben. Zudem erfordert der Technologiefortschritt in der Sensorik zunehmend neue und bisher nicht lösbare Applikationen und kundenspezifische Lösungen. Eine Kernaufgabe von Micro-Epsilon, da es sich bei zwei Drittel unserer Applikationslösungen um kundenspezifische Anpassungen handelt.

Welche Besonderheiten der Branche gibt es? Was müssen Sie beachten?

„Überwachung, Dokumentation und Verfahrensverbesserung gewinnen an Bedeutung“, sagt Dr. Thomas Wisspeintner, Geschäftsführer, Micro-Epsilon.
„Überwachung, Dokumentation und Verfahrensverbesserung gewinnen an Bedeutung“, sagt Dr. Thomas Wisspeintner, Geschäftsführer, Micro-Epsilon.
(Bild: Micro-Epsilon)

Dr. Thomas Wisspeintner: Die Kunststoff- und Kautschukindustrie stellt eine besondere Herausforderung an die moderne Messtechnik. So herrschen unter anderem harte Umgebungsbedingungen, wie Temperaturschwankungen. Auch die Mess­objekte verfügen über eine große Bandbreite an Material­eigenschaften, von glänzend bis matt, von undurchlässig bis transparent. Speziell für diese Anforderungen bieten wir eine breite Produktpalette.

Welche Potenziale und Entwicklungen gibt es in diesem Bereich?

„Die wichtigste Entwicklung der letzten Jahre war und ist der 3D-Druck“, sagt Gerhard Baus, Prokurist Gleitlager, Igus.
„Die wichtigste Entwicklung der letzten Jahre war und ist der 3D-Druck“, sagt Gerhard Baus, Prokurist Gleitlager, Igus.
(Bild: Igus)

Gerhard Baus: Die wichtigste Entwicklung der letzten Jahre war und ist der 3D-Druck. Viele Experten erwarten, dass dieses Verfahren die Zukunft der Kunststoffverarbeitung nachhaltig verändern wird. Und bereits jetzt sind wir auf dem Weg, dass auf diese Weise Funktionsteile hergestellt werden. Auf jeden Fall sind auch dort Bauteile für die Bewegung gefragt. Und diese Bewegung gegen ein anderes Bauteil verursacht Reibung und Verschleiß. Igus hat in den letzten Jahren auf diesem Gebiet intensiv geforscht und Lösungen vorgestellt, die schmierfrei und trotzdem um ein Vielfaches verschleißfester sind als alle gängigen Materialien für den 3D-Druck. Insgesamt bieten wir inzwischen sechs verschiedene Filamente für das FDM-Verfahren an. So kann, je nach Wunsch, der Schwerpunkt beispielsweise auch auf die leichte Verarbeitung (Iglidur I150-PF), eine hohe Festigkeit (Iglidur I180-PF) oder hohe Anwendungstemperaturen gepaart mit Verschleißfestigkeit (Iglidur J260-PF) gelegt werden. Darüber hinaus bieten wir seit rund einem Jahr ein Material für das Lasersintern an, das mindestens dreimal abriebfester ist als Vergleichsmaterialien. Und da nicht jeder über einen eigenen 3D-Drucker verfügt, bietet Igus seinen Kunden einen 3D-Druckservice an, über den Anwender ihre Bauteile bestellen können. CAD-Dateien hochladen, Abmessungen festlegen und anschließend das gewünschte Material auswählen. Die Dauer beträgt vom Auftragseingang bis zur Auslieferung der fertigen Produkte in der Regel zwei bis drei Werktage, je nach Umfang der Bestellung. Bei komplexen Bauteilen kann die Lieferzeit unter Umständen weitere zwei bis drei Tage betragen.

„Die Kunststoffproduktion entwickelt sich hin zu spezifischen Kleinserien“, sagt Marc Leidner, Head of Business Line Handling and Machining, ABB Robotics.
„Die Kunststoffproduktion entwickelt sich hin zu spezifischen Kleinserien“, sagt Marc Leidner, Head of Business Line Handling and Machining, ABB Robotics.
(Bild: ABB)

Marc Leidner: Die Produktion, auch in der Kunststoff- und Kautschukindustrie, entwickelt sich immer mehr von der Massenfertigung hin zu kundenspezifischen Kleinserien. Daher muss die notwendige Flexibilität vorhanden sein, um die Produktion jederzeit effizient verändern und anpassen zu können. Hierfür ist eine stärkere Kollaboration zwischen Mensch und Roboter, zwischen Automatisierungsinseln und sogar zwischen Produktionsstandorten erforderlich. Die Fabrik der Zukunft wird neben dieser Kollaboration auch durch die Digitalisierung geprägt. Diese sorgt dafür, dass mit gewonnenen Informationen bessere Entscheidungen und Abläufe realisiert werden – angefangen beim Engineering und der Inbetriebnahme bis hin zu Betrieb und Instandhaltung der Produktion.

„Überwachung, Dokumentation und Verfahrensverbesserung gewinnen an Bedeutung“, sagt Dr. Thomas Wisspeintner, Geschäftsführer, Micro-Epsilon.
„Überwachung, Dokumentation und Verfahrensverbesserung gewinnen an Bedeutung“, sagt Dr. Thomas Wisspeintner, Geschäftsführer, Micro-Epsilon.
(Bild: Micro-Epsilon)

Dr. Thomas Wisspeintner: Dem weltweiten Trend folgend, geht auch die Kunststoff- und Kautschukindustrie immer weiter in Richtung 100%-Qualitätssicherung. Zum einen verlangt der Markt Perfektion der Endprodukte, zum anderen müssen Wettbewerbsfähigkeit und ein sparsamer Umgang mit Ressourcen im Auge behalten werden. Hersteller steigern ihre Wettbewerbsfähigkeit, indem sie den Produktionsprozess im Gesamten überblicken und bei Produktionsfehlern umgehend eingreifen können. Dadurch wird Ausschuss reduziert und gleichzeitig Geld gespart. Der Materialeinsatz sinkt, was nicht nur der Ressourcenschonung dient, sondern auch die fortlaufende Produktion sichert, da Material nicht immer einfach zu beschaffen ist. Instabile Rohstoffversorgung ist ein Thema, mit dem dieser Industriezweig immer wieder zu kämpfen hat, genauso wie die Abhängigkeit vom Ölpreis. Zunehmende Industrialisierung und der Weg hin zu Industrie 4.0 sind weitere Gründe für Unternehmen der Kunststoff- und Kautschukindustrie, den Produktionsprozess durch präzise Messtechnik zu optimieren.

Welche Lösung stellt Ihr Unternehmen auf der K in Düsseldorf vor?

„Die wichtigste Entwicklung der letzten Jahre war und ist der 3D-Druck“, sagt Gerhard Baus, Prokurist Gleitlager, Igus.
„Die wichtigste Entwicklung der letzten Jahre war und ist der 3D-Druck“, sagt Gerhard Baus, Prokurist Gleitlager, Igus.
(Bild: Igus)

Gerhard Baus: Unter dem Thema Tribologie stellen wir Lösungen für die unterschiedlichsten Fertigungsverfahren vor: Prototypen und Kleinserien können beispielsweise aus Filament gedruckt oder aus Pulver gesintert werden. Für großvolumige Teile oder mittlere Stückzahlen stehen Halbzeuge, z.B. Stangen, Rohre oder Platten zur Verfügung, aus denen Teile spanend hergestellt werden können. Und schließlich die Polymer-Spritzguss Fertigung, die heute zu den wirtschaftlichsten Produktionsverfahren gehört. So lassen sich sehr große Stückzahlen identischer Bauteile in kürzester Zeit herstellen. Igus hat für alle Verfahren geeignete Werkstoffe und Dienstleistungen entwickelt und arbeitet daran, diese immer weiter zu verbessern. Unser erklärtes Ziel ist es, dass wir unsere Werkstoffe jeweils in den drei genannten Versionen anbieten und die Projekte unserer Kunden so optimal durch den Lebenszyklus ihrer Maschinen und Anlagen zu begleiten. Berechenbare Lebensdauer für jede Anwendung – egal, wie das Teil hergestellt wird.

„Die Kunststoffproduktion entwickelt sich hin zu spezifischen Kleinserien“, sagt Marc Leidner, Head of Business Line Handling and Machining, ABB Robotics.
„Die Kunststoffproduktion entwickelt sich hin zu spezifischen Kleinserien“, sagt Marc Leidner, Head of Business Line Handling and Machining, ABB Robotics.
(Bild: ABB)

Marc Leidner: Mit Yumi zeigt ABB den weltweit ersten, wirklich kollaborativen Zweiarm-Roboter. Yumi erlaubt eine enge Zusammenarbeit von Mensch und Maschine, ohne dass dabei der menschliche Werker oder die Umgebung gefährdet werden. Der Roboter wurde für die Kleinteilmontage entwickelt und kann viele unterschiedliche Teile handhaben, von einer Uhr bis zu einem Tablet-PC, und ist sehr präzise. ABB führt in 2016 zudem Connected Services für Roboter ein, mit deren Hilfe Störungen um bis zu 25 Prozent verringert und Reaktionszeiten und Problemlösungsprozesse um bis zu 60 Prozent verkürzt werden. Connected Services sind das Ergebnis fortlaufender Weiterentwicklung der Remote Services für Roboter, die ABB vor fast zehn Jahren eingeführt hat. Alle ABB-Roboter können sowohl kabellos als auch per LAN angebunden werden. Dadurch erweitern sich die Möglichkeiten des vorausschauenden, proaktiven und sofortigen Supports. Connected Services sind auf lange Sicht eines der Schlüsselprodukte der Digitalisierungsstrategie von ABB. Sie bestehen aus fünf Bausteinen, die in flexiblen Robot-Care-Servicevereinbarungen auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten werden können: Condition Monitoring & Diagnostics (Zustandsüberwachung und Diagnose), Backup-Management, Remote Access (Fernzugriff), Fleet Assessment (Beurteilung des Roboter-Bestands) und Asset Optimization (Systemoptimierung). Die MyRobot-Homepage mit ihrem neuen Alarm-Dashboard bildet die Schnittstelle zu Connected Services. Sowohl Kunden als auch das ABB-Serviceteam werden über eine intuitiv bedienbare Oberfläche immer und überall mit den wichtigsten Informationen versorgt.

„Überwachung, Dokumentation und Verfahrensverbesserung gewinnen an Bedeutung“, sagt Dr. Thomas Wisspeintner, Geschäftsführer, Micro-Epsilon.
„Überwachung, Dokumentation und Verfahrensverbesserung gewinnen an Bedeutung“, sagt Dr. Thomas Wisspeintner, Geschäftsführer, Micro-Epsilon.
(Bild: Micro-Epsilon)

Dr. Thomas Wisspeintner: Micro-Epsilon bietet ein großes Spektrum an Sensoren, Messsystemen und kundenspezifischen Lösungen über alle Branchen hinweg an. In der Kunststoffextrusion und im Spritzguss sind die Fehlererkennung und die Farbkontrolle bei Bauteilen wichtige Parameter im Produktionsprozess. Unsere vollautomatische Systemlösung Moldcontrol bietet hier eine 100%-Qualitätskontrolle direkt in der Linie. Bei Band- und Plattenmaterial wird unser neuer Thicknesssensor zur berührungslosen Dickenmessung eingesetzt. Dank seiner kompakten Bauweise kann das schlüsselfertig gelieferte Sensorsystem mühelos auch in beengte Bauräume integriert werden. Die Optik der fertigen Teile steht besonders in der Automobilbranche an erster Stelle. Unser Oberflächeninspektionssystem Reflectcontrol Automation erkennt bei glänzenden Oberflächen kleinste Defekte zuverlässig. Eingesetzt wird es zur schnellen Inspektion bei glänzenden und lackierten Anbauteilen. Der Sensor von Micro-Epsilon wird von einem Roboter geführt und kann daher auch Teile mit komplexen Geometrien inspizieren.

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