Brennstoffzellen-Forschung Hannover Messe Digital beleuchtet Brennstoffzellen-Zukunft
Die Fraunhofer-Gesellschaft schickt Experten in Sachen Brennstoffzellen-Fertigung ins virtuelle Messegeschehen. Sie demonstrieren, wie man die nötige Großserienfertigung auf die Reihe bringen kann.
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Wer im Wettbewerb um die Elektromobilität per Brennstoffzellentechnik die Nase mit vorne dabei haben will, der kommt um eine prozesssichere Serienfertigung der nötigen Komponenten nicht herum, meinen die Forschenden am Fraunhofer-IWU, -IPT und -IWS, die im Rahmen der Hannover Messe Digital 2021 ihre entsprechenden Lösungsvorschläge präsentieren.
Das tut auch Not, heißt es weiter. Denn der European Grean Deal will Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Deshalb soll es schon in gut zwei Monaten die erste Gesetzesvorschriften geben, die das Vorhaben unterstützen. Das heißt, das unter anderem bis 2030 die vom Verkehr verursachten CO2-Emissionen um 55 Prozent reduziert werden müssen. Die Mobilität per Brennstoffzelle könne dazu ein wichtiger Wegbereiter sein. Denn sie ist in der Lage Fortbewegungsmittel vom Flugzeug über den Lkw sowie Regionalzüge bis hin zum Pkw zu anzutreiben.
Die Brennstoffzellen-Produktion muss automatisiert werden
Das Ziel des Instituts-Trios ist es der Brennstoffzelle umfassend zum wirtschaftlichen Durchbruch zu verhelfen. Das geschieht im Rahmen des Projekts Hokome, heißt es weiter. Im Fraunhofer-Live-Stream zeigen die drei Fraunhofer-Institute aus Chemnitz, Aachen und Dresden deshalb, wie man die Herstellung von Brennstoffzellen-Systemen günstiger bewerkstelligen kann. Man betont, dass mit den präsentierten Fertigungsalternativen 100 Kilowatt leistende Brennstoffzellen noch höchstens 5000 Euro kosten könnten, was immer noch eine Reduktion von 90 Prozent bedeutet.
Die Voraussetzung sei aber die Abkehr von der noch manufakturartigen Produktion.
Diese effektiveren Produktionsmöglichkeiten können laut Dr. Ulrike Beyer, die am IWU die Wasserstoff-Task-Force leitet, pro Minute vier Brennstoffzellen-Stacks (mehrere hundert Einzelzellen kombiniert) herstellen. Deshalb fokussiere man sich auf die flottere Herstellung einzelner Komponenten. Dazu gehört, dass man die wichtigsten Bauteile – die Bipolarplatten und die Membran-Elektroden-Einheiten in Zukunft über Rolle-zu-Rolle-Verfahren produziert, wie Beyer erklärt. Damit käme man schon in den Bereich der industriellen Serienfertigung (siehe Bild unten).
Was die geforderte Hochskalierung der Herstellungsmenge von Brennstoffzellen betreffe, so prognostiziere der Marktführer Hyundai, dass man eine Fertigung von rund 200.000 Einheiten pro Jahr anstreben müsse, um das Wasserstoffauto kostentechnisch attraktiv zu machen.
Doch es mangelt laut Aussage der Experten nicht nur an der Automatisierung in der Fertigung sondern auch an schnelleren Qualitätskontrollen und einigen wichtigen Gliedern in der Lieferkette.
Rolle-zu-Rolle-Verfahren straffen die Brennstoffzellen-Fertigung
Die Forscher erklären: Die Einzelzellen in den Stacks gewinnen Strom aus chemischen Umwandlungsprozessen aus dem Energieträger Wasserstoff. Diese Zellen bestehen aus zwei beschichteten, metallischen Platten (den Bipolarplatten), die 50 bis 100 Mikrometer stark sind, und eingeprägte Kanäle haben (siehe Bild oben). Hinzu kommt die bereits vorher angesprochene Membran.
Diese Komponenten werden dann präzise miteinander verschweißt. Speziell die Membranherstellung ist durch diverse Applikations- und Heißpressverfahren gekennzeichnet. Hier hilft die Rolle-zu-Rolle-Alternative des IPT, die jetzt als automatisierte Pilot-Fertigungslinie das Prägen und Beschichten in einem durchgehenden Step erlaubt, heißt es.
Wälzprägen beschleunigt Bipolarplattenherstellung
Damit die Großserienproduktion klappt, muss auch den Umformprozessen für die Bipolarplatten forscherische Aufmerksamkeit gewidmet werden, sagen die Kollegen vom IWU. Dort hat man das, wie es heißt, einzigartige Wälzprägen entwickelt. Das sogenannte Flussfeld der Edelstahlplatten kann damit kontinuierlich durch eine rotatorische Abrollbewegung eingeprägt werden.
Momentan arbeiten die Forschenden an einem modularen Wälzprägesystem, das in der Lage sein wird, rund 100 Platten in einer Minute herzustellen und die Stückzahlen an die Nachfrage anpassen kann. Doch fordere die Kopplung mit den vor- und nachgelagerten Prozessen, die später auch die Inline-Qualitätskontrolle betreffe, noch Entwicklungsarbeit. Auch wird es eine Referenzfabrik in Chemnitz geben, in der Industriepartner und Forschende an der Skalierung der Stack-Produktionsmenge arbeiten.
Nanometer-Kohlenstoff-Lage ersetzt bisherige Schichten
Damit die Bipolarplatten vor Korrsion geschützt sind und elektrisch gut leiten, wurden sie bisher batchweise mit einer funktionalsierenden Schicht versehen, merken die Experten vom IWS in Dresden an. Dort hat man nun aber die Idee in die Tat umgesetzt, dass man mit nur wenigen Nanometern dicken Kohlenstoffschichten, die im PVD-Verfahren (Physical Vapour Deposition) applizierbar sind, das Gleiche erzielen kann.
Diese Beschichtungsalternative eigne sie bestens für die Bandfertigung, womit die Herstellkosten weiter deutlich verringert würden. Die Kohlenstoffschicht soll einen ähnlich geringen Kontaktwiderstand aufweisen wie eine Goldschicht.Damit ist ein dritter Baustein geschaffen, der sich mit dem vom IPT entwickelten Rolle-zu-Rolle-Verfahren kombinieren lässt, um die Brennstoffzellen-Fertigung auf Großserien-Niveau heben zu können.
Cluster-Quintett bündelt Brennstoffzellen-Know-how für alle
Die Entwicklungsergebnisse zur Massenproduktion von Brennstoffzellen, die durch die gemeinsame Forschung der drei Institute erzielt werden, fließen ein in den „Nationalen Aktionsplan Brennstoffzellen-Produktion“ der Fraunhofer-Gesellschaft, heißt es. Man bündelt dabei in fünf dezentralen Clustern in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen die Forschungskompetenzen und -initiativen von insgesamt 20 Fraunhofer-Instituten. Das föderale Konzept setze auf bestehende Infrastrukturen und ermögliche es Unternehmen aus ganz Deutschland (aber auch internationalen Partnern), vom Know-how zu profitieren. Koordiniert wird der Nationale Aktionsplan durch das Fraunhofer-IWU.
Ganz entscheidend für den Erfolg sei es, eine nachhaltige und nationale Wertschöpfung zu entwickeln. Das Ziel ist es, Wasserstoffantriebe technisch und betriebswirtschaftlich im Vergleich zu fossilen Vorgängern so schnell wie möglich wettbewerbsfähig zu machen, um die Klimaschutzforderungen ein Stück weit mehr erfüllen zu können.
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