Nachgefragt: Digitalisierungsplattform (Teil 2) IIoT implementieren – was ist zu beachten

Von Ines Stotz

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Effizientere Prozesse, vernetzte Produkte, neue Geschäftsmodelle: Die Digitalisierung bringt das Thema Industrial Internet of Things, kurz, IIoT, in immer mehr Unternehmen ganz nach oben – und die Frage nach geeigneten Plattformen. Was dabei zu beachten ist, haben wir sieben Experten im Markt gefragt.

In der Fabrik der Zukunft unterstützen neue Technologien den Menschen bei seiner täglichen Arbeit. Dabei helfen transparente Daten und Prozesse, bessere Entscheidungen zu treffen.
In der Fabrik der Zukunft unterstützen neue Technologien den Menschen bei seiner täglichen Arbeit. Dabei helfen transparente Daten und Prozesse, bessere Entscheidungen zu treffen.
(Bild: ©Eisenhans - stock.adobe.com)

Was sind für Sie die wichtigsten Faktoren, IIoT erfolgreich einzuführen?

Thomas Frahler, Microsoft: Vor allem eine gute Priorisierung der Ziele. Kurzfristig werden IIoT-Projekte der internen Optimierung nutzen und damit Kosten einsparen. Dahingehend werden auch schneller gute ROIs erzielt, die sich zweifach auszahlen: Erstens um kurzfristige Liquiditätsziele zu erreichen und zweitens als positives Ergebnis ein Motivator für weitere IIoT-Projekte.

Zudem beobachten wir, dass erfolgreiche Unternehmen eine Top-Down-Strategie haben. Also, dass das Top-Management zu 100 Prozent hinter den Investitionen steht.

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Stephan Romeder, Magic Software: Die effiziente Verarbeitung des immens wachsenden Datenvolumens ist für das IIoT ein wichtiger Erfolgsfaktor. Daten allein haben noch keinen Nutzen. Entscheidend ist die sofortige Verfügbarkeit relevanter Echtzeit-Daten sowie aussagekräftige Data Analytics als Entscheidungsgrundlage.

Nicht immer sinnvoll ist es, ein IIoT-Großprojekt loszutreten. Ich empfehle fokussiert mit kleineren Digitalisierungslösungen zu starten und diese nach erfolgreichem Abschluss schrittweise zu erweitern. Kleinere IIoT-Projekte erzielen bereits nach kurzer Zeit einen ROI. Das steigert die Akzeptanz der Mitarbeiter, was zudem erfolgsentscheidend ist. Sie müssen den Wert einer Digitalisierungstechnologie verstehen können und für sich selbst die Vorzüge erkennen. Wenn Verantwortliche ihre Mitarbeiter von Beginn an mitnehmen und aktiv in IIoT-Projekte einbinden, kann das gut gelingen.

Für die IIoT-Umsetzung empfehle ich eine klare Strategie und Roadmap in der Reihenfolge: vereinfachen, standardisieren, automatisieren und digitalisieren.

Mit einem ausgearbeiteten Integrationskonzept für beteiligte IT- und OT-Systeme und mit geeigneten Tools lassen sich vertikale und horizontale Integrationsaufgaben technisch mit wenig Zeitaufwand Schritt für Schritt umsetzen.

Ralf Bucksch, IBM: Entscheidend ist der Schritt-für-Schritt-Ansatz: dem Fluss der Daten sowie den Anforderungen im Shopfloor zu folgen. Nicht die Fabrik sollte in die Cloud gehievt werden, sondern umgekehrt, die sogenannte Cloudifizierung der Fabriken. Genau das bietet IBM: Wir bringen für die Fertigung relevante Technologien in einer einfach konsumierbaren Form ins Werk. Denn Anwendung und Wartung muss einfach sein und einem Copy & Paste-Charakter folgen: Keine Innovation wird das Tor einer Fabrik passieren, wenn der Wartungsaufwand ihren versprochenen Produktivitätsvorteil übersteigt.

Als einen weiteren wichtigen Aspekt für den Erfolge von IIoT betrachten wir die Angleichung von Lebenszyklen. Während IT und Software auf maximal fünf Jahre ausgelegt sind, geht es bei der OT und dem Werk selbst bei zehn Jahren erst so richtig los. Hier könnten einige Überlegungen zur Modularität, zu Standards sowie ein architekturgeleiteter Ansatz sehr nützlich sein.

Gerald Mies, Kuka: Die Komplexität zu reduzieren ist eines der wichtigsten Ziele. Anlagen werden flexibler und komplexer, es darf aber nicht schwieriger werden, sie zu bedienen und instand zu halten. Eintrittsschwellen müssen sinken. Das geht nur, indem wir als Anlagenbauer die Komplexität einzelner Bestandteile verstehen, um es für den Endanwender so einfach wie möglich zu halten.

Thorsten Freund, Siemens: Folgende Elemente sind wesentliche Erfolgsfaktoren: Erstens wichtige Anwendungsfälle identifizieren und priorisieren. Zweitens IIoT-Plattform auf Skalierung ausrichten, also mit kleineren Anwendungen starten, dabei aber schon den ganzheitlichen Rahmen, wie Geschäftsmodell, Domänen, Governance und Technologie betrachten, um schnell wachsen zu können.

Ohne eine vorangegangene Prozessoptimierung werden die Datenmöglichkeiten nicht die gewünschten Wertschöpfungspotentiale heben können.

IoT als Service und Industrielle IoT im Kontext – also der Kombination von Daten aus PLM- (Product Lifecycle Management), ERP- (Enterprise Resource Planning) und MES- (Manufacturing Execution System) Systemen und branchenübergreifendem Domänenfachwissen – ist unabdingbar.

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Die Integration von Edge und Cloud oder die Verknüpfung von IT und OT mit einhergehendem Lean Management Denken ermöglicht schnelle Einblicke in kritische und nicht kritische Prozesse.

Der digitale Closed-Loop Zwilling oder der Digitale Schatten sind Voraussetzung für die Synchronisation zwischen Planung, Produktion und Realdaten aus dem Feld.

Offenheit im Ecosystem der Partner gilt es zu leben.

Sven Hamann, Bosch Connected Industry:

Auch in der Fabrik der Zukunft steht der Mensch weiterhin im Mittelpunkt. Neue Technologien unterstützen ihn in seiner täglichen Arbeit. Höhere Transparenz über Daten und Prozesse erleichtert und verbessert die Entscheidungsfindung. Mitarbeiter müssen qualifiziert und in den Transformationsprozess eingebunden werden. Vor allem interdisziplinäres Arbeiten wird immer wichtiger. Darauf müssen wir die Menschen vorbereiten, damit sie die Digitalisierung erfolgreich mitgestalten.

Welche Herausforderungen sind noch zu lösen?

Thomas Frahler, Microsoft: Laut einer IDC-Studie zählen zu den fünf größten Hürden: Sicherheit, Sicherstellung von Budget und hoher Datenqualität, hoher Entwicklungsaufwand und Komplexität sowie das fehlende interne Know-how. Diesen Beobachtungen schließe ich mich an und füge noch das Thema Change-Management hinzu. Denn neben den technischen Komponenten sind engagierte Mitarbeiter ein entscheidender Faktor für den IIoT-Erfolg.

Damit meine ich konkret, wie man die Belegschaft auf neuartige Prozesse, Arbeitsschritte oder auch Vertriebsmodelle ein- und teilweise sogar umstellt. Auch geht es darum, klar und transparent aufzuzeigen, wo und wie die Technologie den Menschen unterstützt.

Zum Beispiel bei der Qualitätssicherung, wo das menschliche Auge nicht an die Genauigkeit hochauflösenden Kameras heranreicht. Die Technik liefert wiederum wichtige Hinweise, die menschliche Expert*innen dann schneller und effizienter bewerten können.

Stephan Romeder, Magic Software: Die Herausforderung liegt in einer vollständigen Datenintegration aller Maschinen, Sensoren und Systemen. Verantwortliche und Mitarbeiter benötigen Echtzeiteinblicke in jedes einzelne Glied der eigenen Supply Chain. In Unternehmen sehen wir häufig in einzelnen Fertigungsabschnitten vollautomatisierte Teilprozesse während Mitarbeiter an anderer Stelle noch mit Aufträgen und Lieferscheinen im Papierformat arbeiten. Eine wichtige Aufgabe ist es also, alle manuellen Reststrecken zu digitalisieren und ebenfalls anzubinden.

Technisch gesehen ist zu überprüfen, ob die Leistungsfähigkeit der eingesetzten IT-Plattformen, Netzwerke und Bandbreiten langfristig für alle geplanten IIoT-Maßnahmen ausreichend ist.

Ralf Bucksch, IBM: Cyber-Bedrohungen werden weiter zunehmen und Unternehmen dazu zwingen, ihre Sicherheitsprozesse und -verfahren kontinuierlich neu zu bewerten und zu verbessern. In der Vergangenheit hat uns das Predictive Maintenance-Dilemma deutlich gemacht, wie schnell Vorhaben scheitern können. Der Maschinenhersteller wollte mehr Services anbieten, der Kunde aber aufgrund von internen Datenschutz- und Compliance-Vorgaben nicht mit den Daten herausrücken, die hierfür notwendig wären.

Dabei müssen neben der ‚Corporate-IT‘ auch industrielle Infrastrukturen zukünftig wesentlich besser gegen Angriffe von außen geschützt werden, das heißt IT- und OT-Security sollten zukünftig besser vernetzt werden. Beides getrennt voneinander zu behandeln ist nicht zielführend.

Gerald Mies, Kuka: Der Weg zur digitalen Transformation bedeutet, eigene Prozesse und eigene Produktionen zu digitalisieren. Dashboards allein reichen dafür nicht aus. Das IIoT muss als gesamtheitliche Lösung verstanden werden.

Aktuell treffen Shopfloor und IT aufeinander. Das bedeutet auch, dass sich Experten, die eine unterschiedliche Fachsprache sprechen, verständigen und in eine gemeinsame Richtung gehen müssen.

Mit Blick auf den Anlagenbau bedeutet das: Die Intelligenz steckt in den einzelnen Komponenten. Und niemand kennt deren Kennwerte und Status besser als der Hersteller selbst. Diesen Mehrwert müssen die Komponentenhersteller erkennen und ihre Produkte in diese Richtung entwickeln.

Bei der Entwicklung von Anlagen sollten zentrale Visualisierung und zentrales Monitoring im Fokus stehen, um Transparenz und Anlagenverständnis zu erzeugen.

Interoperabilität und Konnektivität zwischen Komponenten verschiedener Hersteller müssen verbessert werden.

Thorsten Freund, Siemens: Aufgrund fehlender Standards müssen in den Unternehmen immer noch erhebliche manuelle Transformationen der Daten geleistet werden. Ein Data Lake allein beinhaltet noch lange kein Beziehungswissen. Hier unterstützen ausbaufähige Plattformen die fertigen Strukturen, die beim Aufsetzen der entsprechenden Informationsvernetzung Automatismen erzeugen. KI-Szenarien ermöglichen nicht nur eine semantische Identifikation, sondern auch automatische Klassifizierung nach entsprechenden Algorithmen.

Sven Hamann, Bosch Connected Industry:

Daten bilden die Basis für Transparenz, Wissen und den konkreten Nutzen. Heute fallen diese allerdings oft noch in proprietären Formaten an und müssen über herstellerspezifische Schnittstellen für die Weiternutzung zur Verfügung gestellt werden. Dadurch ist ein durchgängiger Datenfluss in der Produktion nur mit erheblichem Aufwand über individuelle Lösungen zu realisieren. Wir brauchen also offene Schnittstellen und Systeme, um eine Skalierbarkeit zu ermöglichen.

Darüber hinaus müssen wir die Daten universell verständlich und nutzbar machen. Das gelingt, indem wir sie über Semantik mit Bedeutung versehen.

Es entstehen virtuelle Abbilder von Produkten und Maschinen – die digitalen Zwillinge. Sie ermöglichen die einfache Kommunikation zwischen Software, Hardware und Menschen. Sie machen innovative Anwendungen, die Digitalisierung von E2E-Prozessen und neue Geschäftsmodelle erst möglich.

Alwin Schauer, SAG Deutschland (Software AG):

Oftmals wird die Digitalisierung zu viel aus der Brille eines Technikers gesehen. Die Aufgabe ist aber, zuerst den Geschäftsmehrwert zu definieren.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, die erzeugten Daten vernünftig in die Prozesse zu integrieren, um sie einfach und effizient weiterverwenden zu können.

Ein wichtiger Punkt ist auch der Generationswechsel der Wissensträger in den Unternehmen, vom Maschinenbediener bis zum IT-Mitarbeiter. Hier gilt es, das Know-how entsprechend zu digitalisieren und einzubinden.

Ähnliches gilt auf technischer Seite mit oft ‚selbstgestrickten Altsystemen‘ ohne offene Schnittstellen, die ebenfalls in die IIoT-Landschaft integriert werden müssen.

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