Mehr Durchblick im Automatisierungsdschungel Integrierte Bediengeräte – von der reinen Datenanzeige zur Problemlösungsplattform

Autor / Redakteur: Norbert Poßberg* / Reinhard Kluger

Industrielle Bediengeräte entwickeln sich immer mehr zur multifunktionalen Mensch-Maschine-Schnittstelle. Als integraler Bestandteil moderner Automatisierungskonzepte liefern sie detaillierte Einblicke in die Steuerungs- und Regelungsabläufe von Maschinen und Anlagen, schaffen die notwendige Verbindung zu übergeordneten Managementsystemen und bieten vielfältige Funktionen und Hilfen zur Bedienung, Überwachung und Diagnose.

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Der Trend zu integrierten Automatisierungssystemen als Schlüssel zu höherer Produktivität und Wirtschaftlichkeit verlangt neben durchgängigen Steuerungskonzepten speziell darauf abgestimmte Technologien zur Bedienung und Überwachung von Maschinen und Anlagen. Ein enges Zusammenspiel von Steuerungen und Bediengeräten sorgt für die nötige Transparenz der Produktionsprozesse bis in die Managementebene und ermöglicht zusätzliche Funktionen, die Bediener, Entwickler und Servicepersonal bei ihren Aufgaben unterstützen. Längst reichen einige wenige Geräteversionen mit unterschiedlichen Bildschirmgrößen und -auflösungen nicht mehr aus, um die gesamte Bandbreite industrieller Anwendungen anschaulich zu visualisieren. Gefragt sind flexibel skalierbare Lösungen von der einfachen Maschinenanzeige bis zur anspruchsvollen Prozessvisualisierung, denen im Idealfall eine einheitliche Technik zugrunde liegt.

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„Die Anforderungen an Bediengeräte sind vielfältiger denn je“, weiß Christian Nomine, Produktmanager für Bediengeräte und Visualisierungssysteme bei Mitsubishi Electric Europe in Ratingen. „Leichte Installation der Technik, klare Darstellung der Prozessabläufe, hoher Bedienkomfort, präzise Meldungen bei Störungen, ein reibungsloser Datenaustausch über Netzwerke sowie zu Steuerungen von Drittherstellern und nicht zuletzt die sichere Handhabung und ein zuverlässiger Betrieb auch in rauen Industrieumgebungen sind Faktoren, die den Erfolg einer Automatisierung maßgeblich mitbestimmen.“

Von der Anzeige zur Problemlösung

Das Leistungsvermögen von Standardbediengeräten steigt durch schnellere Prozessoren und größere Speicher kontinuierlich. Das Ergebnis zeigt sich in höheren Bildschirmauflösungen und besseren Grafikqualitäten, die mehr Gestaltungsmöglichkeiten bieten, aber auch in schnelleren Bildaufbauzeiten und kürzeren Reaktionszeiten auf Ein- und Ausgabebefehle. „Doch um in der Produktion alle Potenziale zur Senkung der Gesamtbetriebskosten zu erschließen, genügt es nicht, die Leistung einzelner Komponenten zu verbessern“, betont Nomine. Ziel der Automatisierung müsse es vielmehr sein, durch eine weitreichende Integration sämtlicher Hard- und Softwarekomponenten alle Lebenszyklusphasen einer Produktionsanlage optimal zu unterstützen – angefangen von der Planung und Entwicklung über die Installation, Inbetriebnahme und den Betrieb bis hin zu Wartung und Diagnose. Daraus ergeben sich auch neue Anforderungen an die Bedien- und Visualisierungstechnik. „Ursprünglich nur als einfaches Anzeigegerät für die speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) eingesetzt, entwickeln sich Bediengeräte immer mehr zur multifunktionalen Bedien- und Problemlösungsplattform in der Industrieautomation – und somit zum elementaren Bestandteil einer durchgängigen Gesamtlösung“, so der Produktmanager.

Ein Beispiel für diese Entwicklung sind die grafischen Bediengeräte der neuen GT16-Produktfamilie von Mitsubishi Electric, mit der das Unternehmen die im Jahr 2004 eingeführte GOT1000-Bediengeräteserie jetzt im oberen Leistungssegment weiter ausbaut. Insgesamt 12 Modelle mit Bildschirmgrößen von 8,4 Zoll, 10,4 Zoll, 12,1 Zoll und 15 Zoll umfasst die jüngste und leistungsstärkste Produktfamilie der aktuellen Gerätegeneration. Die kontrastreichen, klar lesbaren TFT-Flachbildschirme (Thin Film Transistor) mit berührungssensitiver Bedienoberfläche ermöglichen mit Auflösungen von bis zu 1024 mal 768 Punkten und 65536 Farben eine variable und übersichtliche Darstellung von Maschinen- und Anlagenabläufen. Kern der Bediengerätetechnik sind neu entwickelte Haupt- und Grafikprozessoren, die für kurze Bedienreaktionszeiten und in Kombination mit speziellen Cache-Mechanismen für einen raschen Bildaufbau sorgen. Auch der Projektspeicher ist mit einer Kapazität von 57 Megabyte für anspruchsvolle Bedien- und Visualisierungsaufgaben ausgelegt.

Gut ausgestattet für alle Aufgaben

Zahlreiche Anschluss- und Erweiterungsmöglichkeiten gestatten eine einfache Integration in kundenspezifische Maschinen- und Anlagenkonzepte. Zur Grundausstattung gehören eine Fast-Ethernet- und zwei serielle Schnittstellen (RS232 und RS442/485), zwei USB-Schnittstellen (mit USB-Host- und USB-Device-Funktion) in der Gehäusefront zum Anschuss eines Computers und eines Speichersticks sowie ein Steckplatz für Compact-Flash-Karten. Zusätzlich stehen zwei freie Steckplätze für bis zu sechs weitere Kommunikations- oder Optionskarten zur Verfügung, die eine flexible Erweiterung erlauben. Zur Auswahl stehen zum Beispiel verschiedene Schnittstellen- und Netzwerkmodule, Multimedia-, Video- und Tonfunktionen, ein USB-Druckeranschluss und die MES Interface Funktion, um Daten aus der Produktion in Echtzeit an ein übergeordnetes Manufacturing Execution System (MES) zu übergeben. Die robusten Gehäusefronten sind für den produktionsnahen Einsatz nach Schutzart IP67f gegen Umgebungseinflüsse wie Staub, Strahlwasser sowie aggressive Kühl- und Schmierstoffe geschützt und für einen Temperaturbereich von Null bis 50 Grad Celsius geeignet.

„Die grafischen Bediengeräte der GOT1000-Serie sind für einfache wie anspruchsvolle Bedien- und Visualisierungsaufgaben in der Fabrik-, Prozess- und Gebäudeautomation konzipiert und durch das geschlossene Echtzeitbetriebssystem VxWorks besonders zuverlässig und sicher“, erklärt Nomine. Die inzwischen vierte Generation der im Jahr 1992 erstmals vorgestellten Serie umfasst heute 60 Touchscreen-Modelle in vier Gerätefamilien, die zu den älteren Baureihen kompatibel sind und diese problemlos ersetzen können. Bereits die Einstiegsgeräte der GT10-Produktfamilie mit 3,7- bis 5,7-Zoll-Anzeigen bieten zahlreiche Funktionen wie Sollwerteingabe, Alarmanzeige, Rezepturverwaltung, Passwortschutz und Mehrsprachigkeit. Für komplexere Aufgaben stehen neben den jetzt eingeführten Versionen mit den Produktfamilien GT11 und GT15 Standardgeräte für die serielle Kommunikation mit 5,7-Zoll-Anzeige sowie weitere netzwerkfähige Modelle mit Bildschirmdiagonalen bis zu 15 Zoll zur Verfügung. Treiber unterstützen die gesamte Produktpalette von Mitsubishi Electric, aber auch viele Steuerungen und Automatisierungskomponenten anderer Hersteller.

Im Zusammenspiel für optimale Bedienerführung

Eine Stärke der Bediengeräte sind auf die eigene Produktpalette abgestimmte Funktionen, die den Anwender in allen Phasen der Automatisierung unterstützen. Das zeigt sich besonders deutlich im perfekten Zusammenspiel der GT16-Bediengeräte mit der iQ Plattform von Mitsubishi Electric. Das integrierte Steuerungskonzept für die Fertigungsindustrie vereint die Steuerungsarten SPS, Motion Control, CNC und Robotersteuerung auf einer Automatisierungsplattform. Im Multiprozessorbetrieb teilen sich eine SPS-CPU und bis zu drei weitere, flexibel kombinierbare zentrale Prozessoreinheiten (CPU) die Steuerungs- und Kommunikationsaufgaben. Der Datenaustausch erfolgt über den gemeinsamen Rückwandbus synchron zu den Berechnungszyklen der Prozessoren mit einer Zykluszeit von nur 0,88 Millisekunden. Die GT16-Bediengeräte sind als grafische Mensch-Maschine-Schnittstelle für alle Fabrikautomationsprodukte ein wichtiger Baustein dieses Konzepts. Sie lassen sich ohne weitere Parametrierung direkt an den Rückwandbus anschließen und werden so zu einem Modul der iQ Plattform, das in Echtzeit Daten mit den Steuerungen austauscht.

Die Kombination dieser Technologien auf einer Plattform liefert leistungsfähige Werkzeuge für die Projektierung, Überwachung und Diagnose. Die Alarmverarbeitung sämtlicher CPU-Typen kann zum Beispiel ohne aufwändige Programmierung zentral über ein Bediengerät erfolgen. Zur besseren Bedienerführung im Alarmfall lassen sich Prioritätsstufen für Alarme definieren oder Maschinengruppen einrichten. Vorkonfigurierte Diagnosemonitore, die im Bediengerät über entsprechende Schaltflächen zur Verfügung stehen, ermöglichen eine schnelle Fehlerlokalisierung und -behebung. Über verschiedene Auswahlfenster mit grafischer oder tabellarischer Darstellung geben sie einen umfassenden Einblick in das gesamte Automatisierungssystem, etwa in die einzelnen Steuerungsprogramme, die angeschlossenen Komponenten oder das Netzwerk. Der Anwender hat dabei Zugriff auf die Daten aller Steuerungen im Netzwerk. Auch Meldungen zur vorbeugenden Wartung von Bauteilen, die durch interne Überwachungsfunktionen der Bediengeräte oder durch andere Komponenten ausgelöst werden, lassen sich in die Alarmverarbeitung einbauen und auf dem Bildschirm anzeigen.

Klare Fehlerdiagnose durch Videoüberwachung

Zusätzlich zur Alarmierung können die Bediengeräte mit der Meldung verknüpfte Informationen liefern und geeignete Schritte zur Störungsbeseitigung und Wartung empfehlen. Dazu bieten die GT16-Geräte neben der Möglichkeit, Maschinendokumentationen, Bedienungs- und Fehlerbehebungsanleitungen in verschiedenen Standardformaten zu speichern und bei Bedarf abzurufen, erstmals auch eine Videofunktionalität für klar verständliche Anleitungen in Bild und Ton. In Verbindung mit einer Kamera, die direkt an das Bediengerät angeschlossen wird, gestatten es die Multimediafunktionen außerdem, kritische Anlagenteile permanent zu überwachen. Tritt ein Fehler auf, speichert das Bediengerät automatisch eine bis zu 15 Minuten lange Videosequenz dieses Ereignisses ab, die sofort zur Fehlerdiagnose bereitsteht. Eine Langzeitüberwachung über 25 Stunden ist ebenfalls realisierbar.

Im laufenden Betrieb unterstützt der Transparentmodus das Einspielen neuer Programme und Aktualisierungen in die herstellereigenen Steuerungen und Antriebskomponenten direkt über die USB-Schnittstelle des Bediengeräts. Über diese Schnittstelle ist auch eine komfortable Daten- und Programmsicherung der speziell verschlüsselten SPS-Daten und Steuerungsprogramme auf handelsübliche USB-Speichersticks möglich. Bei einem Komponentenaustausch sorgt diese Funktion für eine schnelle und zuverlässige Wiederherstellung von Daten und Systemen. Die Datensicherung kann manuell oder automatisch über Trigger-Signale oder Zeitvorgaben erfolgen.

Um Missbrauch und Fehlbedienungen zu vermeiden, lässt sich das Bediengerät durch eine Benutzeranmeldung mit Name und Passwort vor unberechtigten Zugriffen schützen. Zusätzliche Sicherheit bietet die Vergabe unterschiedlicher Zugriffsrechte für einzelne Bediener oder das Servicepersonal. Sämtliche Benutzeraktionen werden in einem Ereignisprotokoll gespeichert und sind lückenlos rückverfolgbar. Bekannte Sicherheitsmechanismen, wie die automatische Abmeldung bei längerer Inaktivität oder der automatische Verfall von Passwörtern nach einer bestimmten Zeit, sind ebenfalls integriert. „All diese Funktionen minimieren nicht nur Betriebsunterbrechungen und Anlagenstillstände, sondern sie helfen dem Maschinenbauer auch bei der Umsetzung der Maschinenrichtlinie“, so Nomine.

Transparenz in allen Ebenen

Erhebliche Produktivitätsreserven liegen heute in einer engeren Verzahnung der Produktions- und Geschäftsprozesse. Nur vollständige und in Echtzeit verfügbare Informationen aus der Produktion schaffen die Basis für fundierte Entscheidungen und ermöglichen die Optimierung der Abläufe vom Auftragseingang über die Produktionsplanung bis zum fertigen Produkt. „Verbesserte Zugriffsmöglichkeiten auf die Produktionssysteme sind deshalb ein elementarer Bestandteil des e-F@ctory-Konzepts von Mitsubishi Electric, das alle Technologien für die horizontale und vertikale Echtzeitkommunikation umfasst“, erläutert Nomine. Zur Anbindung der Produktionsebene an übergeordnete Managementsysteme bietet das Unternehmen einfache MES-Lösungen, die teure und störungsanfällige Gateway-Rechner und deren Programmierung komplett ersetzen.

Ein Beispiel ist die MES Interface Funktion der GT15- und GT16-Bediengeräte, die durch eine Optionskarte bereitgestellt wird. Die direkte Kommunikation mit den Datenbanksystemen erfolgt bidirektional über Ethernet-TCP/IP (Transmission Control Protocol/Internet Protocol) in der Datenbanksprache SQL (Structured Query Language). Jedes Bediengerät kann die Prozess- und Fertigungsdaten von vier angeschlossenen Komponenten übergeben und umgekehrt von den Managementwerkzeugen erhaltene Daten verteilen. Das Vier-Kanal-Treiberkonzept unterstützt auch Steuerungen von Drittanbietern, die sich so einfach in ein betriebliches Informationssystem einbinden lassen. Die Auswahl der zur Steuerung der Produktions- und Geschäftsprozesse benötigten Daten erfolgt mit der normalen Bediengerätesoftware und erfordert keine Kenntnisse der Datenbankprogrammierung.

Kurze Entwicklungszeiten durch Programmsuite

Die Bediengerätesoftware GT Designer2 ist ein einfach und intuitiv zu bedienendes Programmierwerkzeug. Eine umfangreiche Bibliothek mit vorgefertigten Grafikobjekten und eine Vielzahl von Schriftarten helfen bei der Erstellung übersichtlicher Bildschirmseiten und ermöglichen eine rasche Inbetriebnahme der Geräte. Bei komplexen Steuerungssystemen, in denen oft verschiedene Disziplinen ineinandergreifen, ist es jedoch auch entscheidend, die Schnittstellen der Software zu verbessern, um die Effizienz bei der Planung und Programmierung zu erhöhen. Eine auf die iQ Plattform abgestimmte Entwicklungsumgebung, die unter dem Namen iQ Works in einer ersten Version zur Verfügung steht, verbindet die verschiedenen Softwaremodule. Die gemeinsame Nutzung von Variablen und deren Namen ermöglicht ein durchgängiges Engineering vom Anlagenbild bis in die E/A-Ebene und damit eine schnelle Umsetzung von Automatisierungsprojekten.

Dr. Norbert Poßberg ist Fachjournalist in Ratingen

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