Home Automation Leben in energieeffizienten und assistiven Umgebungen

Autor / Redakteur: Dr. Viktor Grinewitschus / Wolfgang Leppert

In zehn Jahren werden unsere Wohnungen eine erheblich umfangreichere und vor allem integriertete Technikausstattung haben. Treiber sind die Themen Energie, Arbeitsorganisation und demografischer Wandel; gefragt sind Integrationskonzepte und die Entwicklung sinnvoller Anwendungen. Vieles wird davon abhängen, ob sich die Kosten für Assistenzsysteme in einer bezahlbaren Größenordnung bewegen und ob die Lösungen anwender- und bedienungsfreundlich sind. Am Ende entscheidet auch der Mut der „early birds“, Dinge auszuprobieren und an ihrer Optimierung mitzuarbeiten.

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Es ist 7 Uhr morgens. Der Wecker klingelt. Mit mir zusammen erwacht auch die Wohnung wieder. Alle nachts nicht benötigten Geräte waren komplett abgeschaltet und werden jetzt wieder in Stand-by gesetzt. Die IT-Technik des Hauses wird aktiviert, das Orientierungslicht zum Bad eingeschaltet. Beim Betreten des Bads erscheinen die aktuellen Nachrichten, eingeblendet auf dem Spiegel. Nur die Heizung ist bereits seit zwei Stunden aktiv, wärmt den Fußboden des Badezimmers und stellt die Raumtemperatur in der Wohnung auf eine angenehme Größe. Im Badezimmer werde jetzt ich auf die anstehende Tabletteneinahme aufmerksam gemacht. Wenn ich es trotzdem vergesse, erinnert mich das System spätestens beim Verlassen der Wohnung noch einmal.

Wird so unsere Wohnung im Jahr 2018 funktionieren? Die Chancen stehen gut: Assistenzsysteme, wie sie für die Wohnung geschildert wurden, sind heute im Auto schon weit verbreitet. Sie erkennen Situationen und unterstützen den Autofahrer, wo es möglich und sinnvoll ist. Die Elektronik handelt, wo der Mensch unachtsam oder zu langsam ist. Was liegt also näher, als Assistenzsysteme auch in Wohnungen einzusetzen?

Wenn ein großer Teil der Energie in Haushalten verbraucht wird, müsste unser Zuhause nicht viel energieeffizienter werden?

Die Haushalte in Deutschland verbrauchen heute etwa 30% der gesamten Energie. Der größte Teil davon (75%) wird für die Raumwärme verwendet, 11,5% für Warmwasser, 7,5% zur Erzeugung mechanischer Energie, 4,5% für Prozesswärme (z.B. Kochen) und 1,5% für die Beleuchtung. Dabei ist der Energieverbrauch stark vom Verhalten abhängig. Bei baugleichen Gebäuden kann sich so zum Beispiel der Energieverbrauch durch wenig achtsamen Umgang mehr als verdoppeln. Hier werden in den nächsten zehn Jahren erhebliche Veränderungen stattfinden — und auch stattfinden müssen, wenn man etwa nur an die ambitionierten Klimaschutzziele denkt (Senkung des CO2-Ausstoßes um 30% in den kommenden zehn Jahren).

Smart Metering sorgt für Transparenz

Grundlage eines effizienten Umgangs mit Energie ist das Verstehen der Zusammenhänge rund um den Energieverbrauch. Oftmals ist der Zusammenhang zwischen Verhalten und Verbrauch für Nicht-Techniker kaum nachvollziehbar. Die Europäische Union hat 2006 die Energieeffizienz-Richtlinie verabschiedet, die u.a. in den nächsten neun Jahren ein Einsparziel von 9% (verglichen mit dem Wert von 2008) fordert. Darüber hinaus sollen die Endkunden über den zeitlichen Verlauf (und die Zusammensetzung) des Energieverbrauchs besser informiert werden. Energieversorger sind damit verpflichtet, über den Energieverbrauch so zeitnah zu informieren, dass der Verbraucher einen Zusammenhang zwischen seinem Verhalten und dem Energieverbrauch erkennen kann.

Elektronische Energiezähler mit umfangreichen Auswertemöglichkeiten informieren über den aktuellen Stromverbrauch — bis hin zum „Einzelverbindungs-Nachweis“. (Archiv: Vogel Business Media)

Die Umsetzung dieser Richtlinie hat in Deutschland begonnen. Ein Resultat ist der flächendeckende Einbau elektronischer Energiezähler mit erweiterten Auswerte-Möglichkeiten; erste Feldversuche laufen bereits. Bis zum Jahr 2018 wird diese Richtlinie sicherlich flächendeckend umgesetzt sein. Dann haben wir vermutlich eine

  • monatliche Abrechnung von Energie,
  • Informationen über den zeitlichen Verlauf des Verbrauchs sowie mit ziemlicher Sicherheit
  • einen „Einzelverbindungs-Nachweis“ für (elektrische) Energie, d.h. eine Bilanzierung des Verbrauchs, aufgeteilt auf die wichtigsten Geräte.

Dies und der zu erwartende deutliche Anstieg der Energiekosten wird beim Verbraucher das Interesse an energiesparender Technologie fördern. Wenn wir — wie prognostiziert — in zehn Jahren unsere Elektroenergie zu 30% aus regenerativen Quellen gewinnen, übernehmen Assistenzsysteme in breitem Umfang das Lastmanagement in den Haushalten. Die Betriebszeiten der Geräte wie Waschmaschinen und Kühlschränke, aber auch Elektrowärmepumpen und Leistungsaufnahmen orientieren sich dann viel stärker an dem Lastgang der Netze und der Verfügbarkeit von regenerativen Energien. Damit wird sich die Gerätebedienung ändern: Nicht mehr das Einschalten von Geräten wird vorgegeben, sondern der gewünschte Endzeitpunkt beispielsweise der Wäsche. Das Assistenzsystem über nimmt dann effizient das Management des Prozesses. Untersuchungen, wie sich etwa vernetzte Hausgeräte für das automatische Lastmanagement der elektrischen Energie nutzen lassen, um Stromverbräuche zeitlich zu verlagern und sich damit zusätzliche Regelenergien zu schaffen, sind bereits heute Gegenstand aktueller Forschungsprogramme wie e-Energy.

Da in zehn Jahren Sensoren und Algorithmen zur zuverlässigen Erkennung von Situationen verfügbar sind, wird die zeitgesteuerte Einzelraum-Temperaturregelung, die sich automatisch an das Nutzerverhalten adaptiert, in zehn Jahren vielleicht sogar gesetzliche Vorschrift sein. Ihre Vorgänger sind schon heute in der Lage, den Heizenergieverbrauch im Bestand um bis zu 20% zu senken.

Wenn es möglich ist, mit rund um den Globus verstreuten Personen zusammenzuarbeiten, ist es dann noch nötig, jeden Tag zur Arbeit zu fahren?

In den nächsten Jahren wird die Globalisierung weiter zunehmen. Die Formen der Zusammenarbeit haben sich schon in den bergangenen zehn Jahren durch das Internet grundsätzlich gewandelt. Durch E-Mail, Internet und Videokommunikation stehen Techniken zur Verfügung, mit denen sich blitzschnell Infomationen austauschen und Meetings organisieren lassen. So wird heute an Lösungen gearbeitet, wie zum Beispiel Spezialisten in der Medizintechnik über große Entfernungen konsultiert und ihnen mit IT-Technik die notwendigen Informationen (Text- und Bildmaterial) schnell zur Verfügung gestellt werden können.

Im Alltag werden dem heute noch durch die Bandbreite der Kommunikation und die übliche Organisation der Büroarbeit enge Grenzen gesetzt: Alles in allem geht es noch recht konventionell zu. Lange Fahrzeiten und steigende Fahrtkosten durch hohe Energiepreise jedoch lassen das Interesse an neuen Organisationsformen wachsen. Und auch der Wunsch nach Halbtags-Beschäftigungsverhältnissen, um etwa Familie und Beruf besser verbinden zu können, wird letztlich dazu führen, dass Wohnen und Arbeiten künftig wieder stärker zusammenwachsen.

Die Technik macht die tägliche Fahrt zum Arbeitsplatz überflüssig

In zehn Jahren werden wir eine erheblich breitbandigere Anbindung der Haushalte an das Internet haben. VDSL wird durch optische Datenübertragungs-Verfahren mindestens ergänzt — wenn nicht gar bis dahin abgelöst. Des Weiteren werden Breitband-Intra-Netzwerke in vielen Hauhalten zur Standard-Ausstattung gehören, wie heute das Strom- oder Telefonnetz. Mit dem breitbandigen Netzwerk werden die Möglichkeiten der Kommunikation virtueller Teams und der Austausch von Informationen erheblich vereinfacht. Legt man die Entwicklungs- und Verbreitungs-Geschwindigkeiten der Multimedia-Technik zugrunden, werden in zehn Jahren eine große Anzahl von Haushalten in der Lage sein, breitbandiges Video-Conferencing mit ihrer Arbeitsstätte oder mit anderen, von zuhause aus arbeitenden Kollegen durchzuführen. Die neuen Möglichkeiten, konsequent genutzt, werden dann dazu führen, dass die tägliche Fahrt zur Arbeit für sehr viele Menschen nicht mehr die Regel sein wird.

Wenn fast alle Menschen ihren Lebensabend zu Hause verbringen wollen, muss die Wohnung dann nicht viel mehr Unterstützung bieten?

Alle Prognosen gehen heute davon aus, dass wir in zehn Jahren einen höheren Altersdurchschnitt in unserer Bevölkerung haben werden, der unsere Pflege- und Versorgungssysteme vor große Herausforderungen stellt. Die bisherigen Konzepte für die Betreuung müssen angepasst werden, weil dann zum einen das erforderliche Personal nicht zur Verfügung steht und zum anderen die Betreuungskosten nicht mehr aufzubringen sind. Wir werden daher in unseren Wohnungen Assistenzfunktionen haben, die uns helfen, auch bei eingeschränkter Gesundheit und zurückgehenden Fähigkeiten zu Hause zu wohnen.

Elektronische Assistenzsysteme als wertvolle Helfer etwa bei der Medikamenten-Einnahme. (Archiv: Vogel Business Media)

Die Forschung an entsprechenden Lösung hat heute bereits begonnen. Ein erstes Ziel ist die Erhöhung der Sicherheit. Wie bei einem Fahrer-Assistenzsystem im Auto können durch Auswertung der Umgebungssignale Situationen erkannt und eine größtmögliche Unterstützung gewährt werden. „Vergessene“ Elektrogeräte wie Herd oder Bügeleisen schalten sich automatisch ab. Bewegt man sich im Dunkeln, werden Orientierungslichter geschaltet. Vergisst man die Medikamenten-Einnahme, wird man akustisch oder optisch erinnert. Die Haustechnik wird dann einen ähnlichen Stellenwert einnehmen wie heute etwa ein Rollator. Abhängig vom Grad der Einschränkung gibt es dann ein Set an Komponenten und Anwendungsprogrammen, die eine optimal auf die Bedürfnisse des Einzelnen angepasste Unterstützung liefern.

Neue Technologien erhöhen die Selbständigkeit älterer Menschen

Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Entwicklung von Funktionen dar, die Änderungen im Verhalten erfassen, sich automatisch adaptieren und auch Angehörige oder Pflegepersonal benachrichtigen, wenn Alleinlebende Hilfe benötigen. Auch werden Telemetrie-Geräte in zehn Jahren im breiten Einsatz sein, Gesundheitsdaten automatisch erfassen und so dokumentieren, dass der Arzt beim nächsten Besuch durch Auswertung der Daten eine wesentlich bessere Grundlage für die gezielte Behandlung und die Gabe von Arzneimitteln hat.

Eine Technologie, die bei diesen Überlegungen zur Zeit noch ein Schattendasein führt, aber ein erhebliches Potenzial besitzt, die die Robotertechnik. Als Wasch- und Spülmaschine ist sie heute akzeptiert, in zehn Jahren werden diese Geräte in unseren Wohnungen durch mobile Roboter ergänzt, wie sie als automatische Rasenmäher und Staubsauger in Einzelfällen bereits sichtbar sind. Dann werden sie auch Hol- und Bringedienste erledigen können — auch hier laufen heute erste Versuche. Natürlich können all diese Dinge den persönlichen Kontakt zu Menschen nicht ersetzen, aber sie erhöhen in vielen Fällen die Selbstständigkeit und ermöglichen so erst einen längeren Verbleib in den eigenen vier Wänden.

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