Controller Leitsysteme lösen speicherprogrammierbare Steuerungen ab
Kleine, schnelle und preiswerte SPS-Automatisierungen bieten in der Regel nur reduzierte Engineering-Effizienz und besitzen oft keine komfortable Visualisierung. Prozessleitsysteme dagegen integrieren zahlreiche Komponenten wie etwa Steuerungen, Engineering-Werkzeuge, Mensch-Maschine-Schnittstellen und etliche periphere Geräte und Tools.
Anbieter zum Thema
Das Segment zwischen SPS- und Leitsystemwelt, der so genannte Hybridmarkt, wird zurzeit von beiden Seiten angegangen: SPS-Hersteller versuchen ihre Komponenten mit leistungsstärkeren Funktionen aufzurüsten. Leitsysteme „specken ab“ und können für weniger komplexe Steuerungsaufgaben eingesetzt werden. Genau in diese Richtung zielt ABB mit der Einführung des Controllers AC 700F, der seit 2008 die Lücke zwischen einfachen speicherprogrammierbaren Steuerungen und komplexen Prozessleitsystemen geschlossen hat.
Für kleine Steuerungsaufgaben mit nur wenigen Signalen verwendete man in der Vergangenheit häufig „stand alone“-SPSen, da Leitsysteme aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Frage kamen. In vielen Anlagen der Prozessindustrie wurden spezielle Aufgaben wie Kompressoren, Zentrifugen oder Dampferzeuger als SPS-basierte Package Units ausgeführt, was insgesamt zu einer Vielzahl unterschiedlicher Steuerungen führte.
Betrieb mit verschiedenen SPS-Lösungen bedeutet Mehraufwand und Zusatzkosten
Für den Anwender wiederum verursacht der Einsatz verschiedener SPSen gravierende Nachteile: Unterschiedliche Tools bedeuten höhere Einarbeitungszeiten und Komplexität ohne echte Wertschöpfung. Speziell in der Wartungsphase können kleine Änderungen erheblichen Aufwand verursachen, da Quereinflüsse unterschiedlicher Steuerungen manuelle Nacharbeit erfordern. Die unterschiedliche Visualisierung und Bedienung sowie individuelle Alarmkonzepte der einzelnen Hersteller können im Extremfall sogar die Verfügbarkeit und Sicherheit der Anlage negativ beeinflussen. Oft sind zudem nur noch wenige Spezialisten verfügbar, die ältere SPSen warten können. Und müssen Ersatzteile für viele verschiedene Systeme und Produkte beschafft und gelagert werden, steigt der Mehraufwand zusätzlich. Insgesamt resultieren daraus höhere Kosten für die Instandhaltung und Wartung der Anlagen.
Die Prozessleittechnik hat ihren Schwerpunkt im Vergleich zur SPS eher in analogen, zeitunkritischen Regelkreisen und weniger bei schnellen Positionierungs- oder Schaltvorgängen. Das Bedienen und Beobachten des Prozesses findet in der Leitwarte statt. Die Anlagen laufen meistens kontinuierlich und haben oft sehr hohe Anforderungen an die Verfügbarkeit. Daher müssen Änderungen in der Projektierung des Prozessleitsystems online erfolgen können; und eine Reparatur oder der Austausch von Komponenten muss im laufenden Anlagenbetrieb möglich sein. Die Applikationen sind häufig projektspezifisch auf den jeweiligen Prozess optimiert und erfordern funktionsreiche und effiziente Engineering-Tools mit weit reichenden Integrationsmöglichkeiten.
Getrieben durch technologische Entwicklungen in den letzten Jahren sind Hersteller von Automatisierungstechnik heute in der Lage, durch eine weitgehende Skalierbarkeit kompakte Prozessleittechnik als Alternative zur SPS anzubieten. Die Vorteile liegen auf der Hand: effizientes Engineering, einfache Bedienung und Wartung und erhöhte Produktivität durch intelligente Diagnose. ABB bietet genau für dieses Marktsegment den Controller AC 700F an, der in vollem Umfang in das Leitsystem Freelance integriert ist. Zwei Beispiele verdeutlichen die Leistungsfähigkeit einer solchen kompakten Lösung.
Einfacheres Engineering, schnellere Inbetriebnahme und mehr Bediensicherheit
Eine Stülpfilterzentrifuge bei der AlzChem GmbH in Trostberg wurde in der Vergangenheit mit einer SPS gesteuert. Der AC 700F-Controller hat diese SPS ersetzt und konnte problemlos in ein bestehendes Freelance 800F-System integriert werden. Dies bringt für AlzChem deutliche Vorteile: Die Verwendung nur eines einzigen Engineering-Tools für die Konfiguration des gesamten Systems vereinfacht das Engineering, spart signifikant Zeit bei der Inbetriebnahme und erhöht die Sicherheit bei der Bedienung.
Hartmut Rohner, Leiter der Elektro-, Mess- und Regeltechnik bei AlzChem, schätzt am AC 700F-Controller besonders die einfache und übersichtliche Handhabung. „Der richtige Umgang mit der Soft- und Hardware ist von jedermann leicht zu erlernen. Das Standardprogramm, das der Hersteller der Zentrifuge mitgeliefert hatte, war dagegen kaum nachvollziehbar.“ Deutliche Vorteile im Vergleich zu anderen Systemen sieht Rohner auch bei der Wartung und Fehlersuche. Während eine Fehlersuche bei anderen Herstellern nur mithilfe eines Programmiergeräts im Feld möglich sei, liefere das Freelance-System bereits von der Warte aus umfassende Analysemöglichkeiten: „Ich betrachte den Status und sehe sofort, wo der Fehler liegt.“
Ein Hauptvorteil ist die einfache Integration ins bestehende Leitsystem
Die Konverter zur Förderung von Platinmetallen in der Mine von Northam-Platinum in Südafrika werden mit elektrischen Motoren betrieben. Bisher regelte eine SPS die Direktstarter der Motoren. Die veraltete SPS sollte jedoch ersetzt werden: Der Betreiber wollte einen kompakten Controller, eine verbesserte Alarm- und Ereignisdarstellung sowie ein gutes Preis-Leistungsverhältnis. Bei der Umrüstung der Steuerung für die Konverter entschied sich auch Northam deshalb für den AC 700F-Controller. Northam setzt das Freelance 800F-System seit vielen Jahren zur Steuerung von Schmelzöfen und weiteren Applikationen ein. Ein wesentlicher Faktor war auch in diesem Projekt die einfache Integration in das Leitsystem.
Mit Freelance 800F und dem AC 700F-Controller können die Vorteile der Prozessleittechnik nun auch für kleinere, bisher durch SPS dominierte Automationslösungen genutzt werden — vor allem in der Prozessindustrie. Anders als eine SPS bietet der AC 700F Controller alle Vorteile des kompakten Leitsystems: nur ein Engineering-Tool für alle Aufgaben. Und der Control Builder F erlaubt eine einfache, klar strukturierte und intuitive Bedienung mittels DigiVis, direkt verwendbare Komponenten wie Faceplates (Bedienfenster), Moduldiagnose, Ereignisliste, Alarmzeile, Trendbilder oder automatisch generierte Schrittkettenbilder. Durch das Verwenden von vordefinierten und in der Praxis erprobten Bibliotheken inklusive Faceplates wird die Transparenz, Lesbarkeit und Änderbarkeit der Applikationen deutlich erleichtert und die Sicherheit signifikant erhöht. In der Betriebs- und Instandhaltungsphase können dank der Diagnosemöglichkeiten Kosten gesenkt und die Verfügbarkeit gesteigert werden.
Im Gespräch: Gregor Kilian, Manager Sales & Marketing Control Systems, ABB Automation
Dem Markt der Hybridautomatisierung wurde vor wenigen Jahren eine große Zukunft vorhergesagt, zwischenzeitlich ist es wieder etwas stiller geworden. Wie beurteilen Sie, Herr Kilian, den Hybridmarkt aus heutiger Sicht?
Die Anforderungen an Applikationen in der Fabrik- und Prozessautomatisierung haben sich in den letzten Jahren zunehmend angenähert. Die Optimierung von Produktionsprozessen ist häufig erst durch vertikale oder verteilte Integration mit zusätzlichen Funktionen möglich. Vertikal bedeutet hier: Integration von Insellösungen oder einzelner Teilanlagen, die bisher mit SPSen gesteuert werden. Der Aufwand zur Instandhaltung der Anlagen wird dadurch gesenkt. Verteilt wiederum meint: Integration von räumlich beziehungsweise geografisch entfernten Teilanlagen, die bisher separat mit SPSen gesteuert wurden. Nun ermöglichen zusätzliche Diagnosefunktionen eine vorbeugende Wartung und helfen bei der Vermeidung von Stillstandszeiten. Das ist seit jeher eine Domäne der Prozessleitsysteme. Das Segment der hybriden Anwendungen wird damit in den nächsten Jahren mit Leitsystem-Features angereichert werden.
Werden sich die Fabrik- und Prozessautomatisierung auf längere Sicht weiter annähern oder bleibt die Schnittmenge eher konstant?
Es wird eine weitere Annäherung geben und die Schnittmenge wird sich in alle Richtungen ausdehnen, da sich der Kostendruck auf alle Marktteilnehmer verschärft. Dies zwingt die meisten Marktteilnehmer zur Steigerung der Produktivität mit eher weiträumig verteilten Lösungsansätzen. Gerade in einer Krise — wie wir sie zur Zeit erleben — ist Kostenoptimierung und -reduzierung gefragt, und daher gilt es jetzt, das Optimum aus den Anlagen heraus zu holen. Das Hauptthema ist dabei die Durchgängigkeit in der Automatisierung in allen Bereichen einer Anlage. Dies wird zu einer Ausweitung des Hybridsegments führen.
Mit dem Controller AC 700F hat ABB eine Lösung für diesen Markt entwickelt. Wo sehen Sie wesentliche Einsatzfelder?
Als führender Leittechnik-Hersteller verfügt ABB über jahrzehntelange Erfahrung in der der Prozessautomation und kann Anwendern mit dem Controller dieses Know-how nun auch für einfachere Steuerungsaufgaben zur Verfügung stellen. AC 700F erweitert die Skalierbarkeit von Freelance 800F hin zu Applikationen mit wenigen I/Os. Einsatzfelder bieten sich, wie die Beispiele von Sasol und Northam zeigen, in vielen Industrien, unter anderen in der Chemie, Petrochemie, Öl und Gas, Metallverarbeitung, Zementproduktion, Glasherstellung und anderen mehr. Erfolgreiche Projekte bisher sind Luftzerleger, Kompressoren, Brennstoffkessel, Dampferzeuger, Zentrifugen. Alle diese Teilanlagen wurden in der Vergangenheit mit SPSen gesteuert. Diese Insellösungen können mit dem AC 700F Controller in bestehende Freelance 800F-Systeme integriert werden. Die bereits erwähnten Funktionalitäten bringen unseren Kunden deutliche Wettbewerbsvorteile.
Welche konkreten Vorteile haben sich in den bisherigen Projekten ergeben, und inwieweit halten Sie diese für übertragbar?
Die Vereinfachung des Engineerings mit nur einem Engineering-Tool — Control Builder F — für die Konfiguration des gesamten Systems war in allen Projekten ein wesentlicher Vorteil für die Anwender. Dies führt zu einer enormen Zeitersparnis bei der Inbetriebnahme. Eine Senkung der Betriebs- und Instandhaltungskosten ist dank der einfachen Visualisierung und der erweiterten Diagnosemöglichkeiten möglich. Durch die Integration von Teilanlagen in das Leitsystem können veraltete SPSen und deren separate Tools zur Programmierung und zur Erstellung von Bedienbildern abgeschafft werden.
Wie stark wird sich ABB weiterhin in diesem Segment engagieren und von welchen Faktoren hängt dies ab?
ABB sieht im Hybridmarkt ein großes Potenzial für viele neue Applikationen und Einsatzfelder, darum werden wir diesem Markt verstärkt unsere Aufmerksamkeit widmen. Heutzutage sind nicht nur die reinen Anschaffungskosten für den Kauf einer Anlage entscheidend, sondern die Gesamtkosten über den kompletten Lebenszyklus hinweg. Hier bietet das Lifecycle-Konzept von ABB unseren Kunden deutliche Wettbewerbsvorteile. Unsere Leittechnik wird kontinuierlich entsprechend den Anwenderwünschen verbessert und mit der neuesten Technologie erweitert. Davon können unsere Kunden durch regelmäßige Updates ihrer Systeme profitieren. Wir garantieren den Support unserer Systeme über Jahrzehnte hinweg; damit schützen unsere Kunden ihre Investitionen langfristig. Joe Hogan, CEO von ABB, hat das so formuliert: Mit verbesserter Energieeffizienz, Steigerung der Produktivität, integrierten Technologien, starken und langfristigen Partnerschaften und einem weit reichenden Serviceangebot helfen wir unseren Kunden, Kosten zu optimieren und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Matthias Stein, ABB Automation, Marketing Communications Control Products and Systems
Artikelfiles und Artikellinks
(ID:295140)