Steuerungen Meilenstein der Automation: Der Schlüssel zur Smart Factory
In der Fabrik der Zukunft werden Maschinen flexibler und mobiler eingesetzt werden denn je. Eine zentrale Rolle spielen dabei Steuerungen der nächsten Generation. Spoiler-Alarm: Die Steuerungssoftware entkoppelt sich komplett von der Hardware.
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Manchmal ist die Bürowelt der Produktion einen Schritt voraus. Noch vor wenigen Jahren ging es dort recht statisch zu. Jeder Mitarbeiter hatte seinen Schreibtisch an einem fixen Platz mit Festnetztelefon, PC und über längere Zeiträume gleichbleibende Aufgaben. Aber für Branchen, in denen die Mitarbeiter ständig zwischen Projektteams pendeln und deren Aufgaben sich im Wochenrhythmus ändern, ist dieser Ansatz viel zu starr. Bei solchen Rahmenbedingungen setzen sich zunehmend nonterritoriale Konzepte durch. Mitarbeiter loggen sich morgens ganz flexibel und drahtlos dort ein, wo sich ihr jeweiliges Projektteam trifft – Umrüstzeit gleich null.
Die Geschichte von Bosch Rexroth in Bildern:
Kleinere Losgrößen wirtschaftlich produzieren
Diesen Ansatz wird auch die Fabrik der Zukunft nutzen, wenn es darum geht, immer kleinere Losgrößen wirtschaftlich zu produzieren. Konsumenten wie industrielle Kunden erwarten zunehmend individualisierte Produkte und umgehende Lieferung, möglichst über Nacht. Gleichzeitig verkürzen sich die Lebenszyklen nahezu aller Produkte. Die logische Folge: Konnten früher Fertigungslinien über mehrere Jahre hinweg unverändert mit den gleichen Maschinen und Programmen immer gleiche Produkte herstellen, so muss die Fabrik der Zukunft so flexibel sein, dass Produktionsumstellungen innerhalb kürzester Zeit mit geringstem Aufwand möglich sind.
Die Fertigungsspezialisten in den Werken von Bosch Rexroth beschäftigen sich seit einigen Jahren intensiv mit solchen Themen und haben erste Ansätze in den eigenen Fabriken bereits realisiert. Bei der Entwicklung zukünftiger Automatisierungslösungen gilt für das Unternehmen die Prämisse, dass die Fabrik der Zukunft das nonterritoriale Prinzip moderner Bürokonzepte übernehmen wird: Alles außer Boden, Wänden und dem Dach der Fabrik ist vernetzbar und mobil. Maschinen, Automationstopologien, Einrichtung, Kommunikationswege, sogar die Menschen und ihre Zusammenarbeit passen sich ständig den aktuellen Anforderungen an: mobil, drahtlos, kommunikativ. Ebenso sind Steuerungsfunktionen nicht mehr an spezielle Hardwarekomponenten oder einzelne Maschinen gebunden.
Funktionalitäten unabhängig vom Speicherort abrufen
In einem ersten Schritt entscheiden die Anwender auf Basis der jeweiligen Anforderungen, ob sie Prozessinformationen in der Steuerung (Embedded) direkt am Ort des Geschehens, am Rande eines Netzwerkes mit Datenbanksystemen an der Fertigungslinie (Edge Computing) oder in der Cloud verarbeiten.
Das ist aber nur der Beginn der Entwicklung. Die nächsten Steuerungsgenerationen werden Hard- und Software entkoppeln. Die Software-Funktionen können Maschinenhersteller und Endanwender auf allen erdenklichen Plattformen installieren: im Antrieb, in Embedded-Steuerungen, auf IPCs, ja sogar auf Servern oder in der Cloud.
Bei Produktumstellungen lassen sich die entsprechenden Funktionalitäten unabhängig vom Speicherort abrufen. Bei der zukünftig verfügbaren Bandbreite können aus der Cloud heraus Maschinenbewegungen gesteuert werden. Die Umrüstzeiten sinken auf null.
Eine entscheidende Voraussetzung für diese Flexibilität schaffen IoT Stacks, aufeinander abgestimmte Programme und Funktionen, die gemeinsam eine Aufgabe lösen. So wird bei Rexroth das IoT Gateway Bestandteil jeder intelligenten Komponente und aller Steuerungen des Automatisierungsspezialisten sein, da es bereits installierte sowie neue Maschinen vernetzen kann. Messbare Komplexitäts- und Kosteneinsparungen entstehen durch das Zusammenspiel mit dem Device Portal, das sämtliche angeschlossenen Geräte eines Anwenders verwalten wird.
Damit können weltweit Updates auf Geräte aufgespielt und per Mausklick neue Steuerungsfunktionen nachgerüstet werden, ganz ohne Fachleute vor Ort. Die schnelle Kombination von Plug & Work-Funktionalitäten unabhängig von Hardware-Plattformen schafft die Voraussetzungen für eine selbstoptimierende Umgebung.
Vertikale Anbindungen sind anspruchsvoll
Konnektivität verlangt Maschinensteuerungen einiges ab: Natürlich werden sie wie schon bisher den eigentlichen Produktionsprozess steuern und überwachen sowie flexibel eine breite Palette an Aufgaben und Funktionen beherrschen. Diese können ihnen auch situativ von IT-Systemen übertragen werden. Zusätzlich gilt es, die vertikale Anbindung an die verschiedenen Domänen der Produktionsplanungssysteme und weiterer übergeordneter IT-Systeme und Cloud-basierter Anwendungen zu gewährleisten. Diese Anforderungen müssen zukünftig CNC-Steuerungen ebenso erfüllen wie Motion Controls, Robotik sowie auch reine SPS-Anwendungen.
Die Fabrik der Zukunft ist nur denkbar auf Basis hersteller- und domänenübergreifender Standards für die Kommunikation und den Datenaustausch auf allen Ebenen. Hier setzt sich mit großem Tempo OPC UA als offenes Maschine-zu-Maschine-Protokoll durch. In Verbindung mit Time Sensitive Network (TSN) deckt es die Anforderungen der Automation an Echtzeitfähigkeit ab.
Sercos OPC UA in Steuerungen integrieren
Im TSN Testbed des Industrial Internet Consortium (IIC) arbeiten inzwischen rund 30 Unternehmen zusammen, um IT-Netze und Automatisierungsnetze zu verschmelzen. Da parallel zur Standardisierungsarbeit fast alle beteiligten Unternehmen an Prototypen arbeiten und das herstellerübergreifende Zusammenspiel regelmäßig überprüfen, wird der Aufwand für die Integration von Maschinen in einem Fertigungsverbund deutlich reduziert. In einer längeren Übergangszeit werden Companion Standards wie Sercos OPC UA die etablierten Protokolle der Automation mit OPC UA in einem Netzwerk konvergieren.
Bereits heute nutzen die ersten Steuerungen OPC UA zusätzlich zu den Automationsprotokollen wie zum Beispiel die NC-Systemlösung MTX von Rexroth: Dort ist standardmäßig bereits ein OPC UA-Client/Server integriert. Er kann verschiedene IT-Systeme und andere Maschinen „anbrowsen“ und Informationen austauschen.
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Vernetzung
Bosch bündelt Software und Services unter Nexeed
So übermitteln Werkzeugmaschinen über OPC UA beispielsweise sämtliche Produktionsdaten für jedes gefertigte Teil bis hinunter auf die NC-Satz-Ebene. Das erfüllt die Anforderungen der Automobilindustrie an die Qualitätssicherung und die Nachverfolgbarkeit aller Produktionsdaten. Parallel sendet die Steuerung mit dem OPC UA-Server an andere Systeme den Energieverbrauch jeder Bewegung und die Betriebszustände der Aktoren für Condition Monitoring-Strategien.
Herausforderung Security – ein ständiger Wettlauf
Wer Vernetzung sagt, muss auch immer über Security sprechen, den Schutz vor unerlaubten Zugriffen und den Schutz der Daten und deren Integrität. Security ist kein Endzustand, sondern ein ständiger Wettlauf, bei dem nur klar definierte Standards, Prozesse und Mechanismen Schutz bieten. Sämtliche intelligenten Komponenten müssen sich in diese Systematiken, wie sie beispielsweise Bosch in mehr als 270 Werken umsetzt, einfügen.
Bereits seit Jahren wächst die Sensibilität in der Fabrikautomation, auch das zeigt ein Blick auf OPC UA. Es ist das erste Industrieprotokoll, das in der IT-Industrie bewährte Sicherheitsmechanismen einsetzt und das vom BSI Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie überprüft wurde.
Schweißen und Schrauben pro Vorgang bezahlen
Ein weiteres Beispiel für die vertikale Vernetzung sind Schweißsteuerungen. Schweißen ist die Königsdisziplin für Roboter. Dabei ist das Entscheidende gar nicht die Komplexität der Bewegungen, sondern vielmehr die Qualität des Schweißpunkts. Schweißsteuerungen von Rexroth gewährleisten mit adaptiven Regelalgorithmen eine reproduzierbar hohe Schweißpunktqualität verschiedenster Blechdicken-Kombinationen von Stahl bis hin zu Aluminium.
Die Qualitätssicherung erfolgt zerstörungsfrei zu 100 Prozent im Prozess. Das verlangt zum einen eine sehr hohe Rechenleistung in der Schweißsteuerung für den Prozess. Zum anderen müssen hohe Datenvolumina in kurzer Zeit an übergeordnete Systeme übermittelt werden.
Auch bei Schraubsystemen setzt sich die Prozessüberwachung in situ durch. Mehr noch, in der variantenreichen Fertigung erkennen die Schraubsteuerungen, welche Verschraubungen an welcher Station anstehen, stellen die entsprechenden Drehmoment-Verläufe ein und überwachen dann die korrekte Ausführung.
Sowohl bei Schweiß- als auch bei Schraubanwendungen zeichnet sich mit diesen Möglichkeiten übrigens ein Paradigmenwechsel ab: Anwender wie die Automotive-Industrie stellen sich die Frage, ob sie die entsprechende Technik wirklich besitzen müssen oder ob sie nicht einfach nur eine Gebühr per dokumentierten Schweißpunkten und Verschraubungen an den Systemhersteller zahlen.
Das reduziert den Kapitaleinsatz erheblich und ist der Einstieg in die digitale Welt der Shared Economy mit „Pay per Use“. Dieser Ansatz wird sich auf lange Sicht auch auf andere Produktionsschritte ausweiten und disruptive digitale Geschäftsmodelle ermöglichen.
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Steuerungen
„Wir verfolgen die richtigen Zukunftsthemen“
Automation und IT wachsen enger zusammen
Eine wichtige Voraussetzung dafür ist ein engeres Zusammenwachsen von Automation und IT. Sie haben sich über Jahrzehnte parallel entwickelt, mit eigenen Programmierumgebungen und eigenen Protokollen.
Beim Informationsaustausch weist OPC UA den Weg. Aber auch bei der Programmierung von Steuerungsfunktionen werden IT-Standards eine immer stärkere Verbreitung finden. In der Automation haben sich über viele Jahrzehnte SPS-Sprachen wie die der IEC 61131 als effiziente Programmierumgebung für den Maschinenbau etabliert.
Damit IT-Funktionen auf Steuerungen und intelligente Antriebe zugreifen können, ist es bislang in den meisten Fällen notwendig, aufwendige Schnittstellen zur SPS zu schreiben. Mit Blick auf die Fabrik der Zukunft ist das eine Sackgasse, und das schon aus rein praktischen Gründen. Die Zahl der SPS-Programmierer ist weltweit relativ niedrig. Sie können schon heute kaum den Bedarf an IT-/SPS-Schnittstellen und Funktionen decken. Mit der fortschreitenden Vernetzung und notwendigen Flexibilität für kleinere Losgrößen wird sich der Bedarf an domänenübergreifende Funktionen aber noch vervielfachen.
Hier schlägt Rexroth mit Open Core Engineering die notwendige Brücke. Mit dieser Software-Technologie können Millionen von Programmierern in ihren gewohnten Hochsprachen und Internet-Dialekten Funktionen erstellen, die direkt auf den Steuerungskern zugreifen können – losgelöst von Hardware-Plattformen. Die zukünftige Softwarearchitektur basiert auf Apps. Anwender kombinieren diese Apps flexibel und (re-)konfigurieren sie für verschiedenste Aufgaben und erstellen selbst eigene Apps.
Maschinensteuerungen sind das Verbindungsstück
In der Fabrik der Zukunft spielen Maschinensteuerungen eine zentrale Rolle. Sie verbinden IT-Prozesse mit den eigentlichen Fertigungsabläufen. Schon bald werden sich nonterritoriale Fertigungen durchsetzen, bei denen, ähnlich wie in modernen Bürokonzepten, Maschinen flexibel zu Schichtbeginn aufgabengerecht kombiniert werden. Stromversorgung und Kommunikation erfolgen drahtlos und vereinfachen diese Rekonfiguration auf ein einfaches Verschieben. Das zu fertigende Produkt ruft die notwendigen Bearbeitungsschritte ab, die die Steuerungen als App laden und deren Ausführung sie über OPC UA zudem noch in übergeordneten Systemen dokumentieren. Damit erfüllt die Fabrik der Zukunft die Forderungen nach individualisierten Produkten mit kürzester Lieferzeit zu wirtschaftlichen Herstellkosten.
* *Dr. Heiner Lang, Leiter der Automation & Electrification Solutions bei Bosch Rexroth
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