Vernetzung Meilenstein der Automation: Grundmuster des Industrial Internet of Things

Autor Karin Pfeiffer

Schneider Electric gilt als ein Vorreiter der vernetzen Produktion – lange, bevor Industrie 4.0 ein Schlagwort war, stand das Unternehmen hinter dem Thema Vernetzung. Doch das war nicht immer einfach.

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Die Neuausrichtung auf Power & Control hatte Schneider Electric 1996 abgeschlossen. Um die Jahrtausendwende folgte die Transformation zum globalen Spezialisten für Automation und Energiemanagement.
Die Neuausrichtung auf Power & Control hatte Schneider Electric 1996 abgeschlossen. Um die Jahrtausendwende folgte die Transformation zum globalen Spezialisten für Automation und Energiemanagement.
(Bild: Schneider Electric/This content is subject to copyright)

„Ich kann gar nicht sagen, wie oft wir ein Nein gehört haben“, erinnert sich Mark Fondl, früherer Vice President von Schneider Electric. „Ein Nein zum Ethernet, weil es nicht deterministisch genug sei. Ein Nein zur Investition, weil Kompatibilität eine Herausforderung war. Und ein Nein, weil so etwas einfach nicht funktionieren könnte.“ Fondl gilt als der „Grandfather of IoT“. Und er realisierte dort als Marketingchef der Tochter Schneider Automation schon vor mehr als 20 Jahren mit der Architektur der Transparent Factory die Vision einer vernetzten Produktion und Energieversorgung – lange, bevor das Schlagwort Connected Enterprises die Runde machte. Und lange auch, bevor die Bundesregierung in Deutschland mit der Initiative Industrie 4.0 ein Programm anschob, dass das Thema Vernetzung auch offiziell zu einem der wichtigsten Wettbewerbsfaktoren für moderne Volkswirtschaften erhob.

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In den 1990ern haperte es am Kommunikationsfluss

Verknüpft waren auch Mitte der 1990er schon viele Dinge. Das Internet entfaltete neue Möglichkeiten, und die Automatisierungspyramide stand ohnehin schon seit den 1980ern.

Nur haperte es noch an der durchgängigen Kommunikation von der Prozessebene über die Feld- und Steuerungsebene bis hinauf zur Unternehmensebene. Jedes Level brauchte seinen Mittler, um die Daten weiterzureichen – in verteilten Systemen mit unterschiedlichen Standards, verschiedenster Software und einer Vielfalt an Managementsystemen.

In dieser Zeit herstellerspezifischer Alleingänge begann bei Schneider Automation die Transparent Factory in den Entwicklungsabteilungen in North Andover (USA), Sophia Antipolis (Frankreich) und in Seligenstadt Gestalt anzunehmen. Das Unternehmen hatte den Bedarf der industriellen Anwender aufgegriffen, ein Entwicklerteam aus Vernetzungsexperten hatte geforscht, entwickelt und umgesetzt.

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Wir networken, was das Zeug hält: Als Menschen in sozialen Gefügen, als Unternehmen in Kooperationen, für gemeinsame Spielregeln und Standards, um Fähigkeiten zu verknüpfen, kurz: Netzwerke durchziehen sämtliche Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft. Thomas Hammermeister, PR Manager bei Schneider Electric, skizziert die verschiedenen Dimensionen des Netzwerk-Konzepts für die Industrie:

„Netze gibt es seit Anbeginn der Industrialisierung, beispielsweise für die Versorgung von Haushalten und der Industrie mit elektrischer Energie, Wasser oder Gas. Diese Netze waren traditionell komplett voneinander entkoppelt und wurden als Inseln betrieben. Bei der Versorgung mit elektrischer Energie gab es ein Netzmanagement ursprünglich hauptsächlich auf Höchstspannungsebene. Durch die Erneuerbaren Energien Solar und Wind und die bedingte Dezentralisierung der Energieerzeugung ist die Notwendigkeit entstanden, das Stromnetz zu digitalisieren. Sprich, intelligent zu machen, um Versorgungssicherheit und Netzstabilität gewährleisten zu können.

Für Industriebetriebe, die ernsthaftes Energiemanagement betreiben wollen, ist eine isolierte Betrachtung einzelner Energieträger oder Medien innerhalb des Unternehmens nicht mehr opportun. Hier ist oft von WAGES die Rede. Gemeint ist damit die ganzheitliche Betrachtung von Wasser (Water), Luft (Air), Gas (Gas), Elektrizität (Electricity) und Dampf (Steam). Hieran ist leicht zu erkennen, dass die Erhebung von Daten, ihre Übertragung, Zusammenführung und ganzheitliche Betrachtung unerlässlich ist. Dies wird verstärkt durch Industrie 4.0 getrieben, wo sämtliche Prozesse integriert werden.

Das Internet hat für die offene Kommunikation basierend auf offenen Standards den Weg bereitet. Schneider Electric hat dieses Potenzial früh erkannt.

Das Konzept rief zunächst viele Skeptiker auf den Plan

Die Kernidee der 1997 eingeführten Automatisierungsarchitektur, die zunächst auf etliche Skeptiker stieß: Anstelle von proprietären Feldbussen und Netzwerken, die in der Regel nicht mal genügend Bandbreite boten, wollte Schneider auf das Ethernet als universelles Netzwerk setzen und offene Internet-Protokolle im industriellen Umfeld einführen und nutzen.

„Eine durchgängige Kommunikation auf allen und über alle Ebenen der Fabrik – der Gedanke war damals eine kleine Sensation und ist selbst heute noch eines der wichtigen Themen, wenn es um Industrie 4.0 und Smart Factorys geht“, sagt Jürgen Siefert, Vice President Industry DACH bei Schneider Electric in Ratingen. „Kommunikation ist das Wesen digitalisierter Vernetzung, und Vernetzung wiederum die Voraussetzung für alle Zukunftsthemen wie etwa Industrie 4.0.“

Ethernet erlaubte zudem den Austausch größerer Datenmengen innerhalb kurzer Zeit und war in diesem Punkt den zu der Zeit etablierten Feldbus-Systemen wie Interbus S und Profibus klar überlegen. Hinzu kam, dass Ethernet in Kombination mit dem Modbus-Protokoll echtzeitfähig war. Es eignete sich damit als E/A-Netzwerk, wie beispielsweise der E/A-Scanner in den Steuerungen von Schneider Automation bald zeigte.

Was vorher nur mit erheblichem Programmier- und Hardware-Aufwand möglich war, gelang nun mit dem neuen Ansatz: Daten konnten transparent über alle Schichten der bis dahin oft und gerne genutzten Automatisierungspyramide hinweg direkt zwischen Datenquelle und Nutzer der Daten ausgetauscht werden. Die Kombination aus Ethernet und dem Modbus-Protokoll brachte ein weiteres Novum in die Automatisierung: Durch den sogenannten Well Known Port 502, den Modbus/TCP von der IANA zugewiesen bekam, wurde die industrielle Kommunikation erstmals routing- und damit internetfähig.

Im Zuge der Transparent Factory hat der Elektrotechnik-Konzern die Webserver-Technologie in Speicherprogrammierbare Steuerungen, Antriebe und I/O-Devices eingebettet. Der Zugriff auf Informationen wurde dadurch bestechend einfach: Der Zugriff auf Daten, einfache Konfiguration von Geräten, der Abruf von Status- und Diagnoseinformationen aus Maschinen oder Anlagen via Webbrowser konnte erstmals unabhängig vom verwendeten Gerät, dem Betriebssystem und auch noch standortunabhängig via Internet erfolgen.

Bereits 2007 bei der ersten Generation von Eco Struxure erkennbar: der holistische Grundgedanke.
Bereits 2007 bei der ersten Generation von Eco Struxure erkennbar: der holistische Grundgedanke.
(Bild: Schneider Electric)

Thyssen Krupp zählte seinerzeit übrigens zu den ersten Anwendern, die den transparenten Zugriff auf Produktions- und Anlagendaten von jeder beliebigen Stelle ihres Netzwerkes nutzten. Der Einsatz von Webtechnologie erschloss der gesamten Automatisierungsbrache eine neue, faszinierende Welt von Anwendungsmöglichkeiten, die zu der Zeit als visionär angesehen werden konnte.

Klingt nach Industrial Internet of Things (IIoT)? Ein wichtiger Grundstein war mit der Transparent Factory zumindest wohl schon mal vor mehr als zwei Jahrzehnten gelegt. Was manchmal bei dem rasanten Entwicklungstempo des Internet in Vergessenheit gerät: Noch 2004 erklärten Fachjournalisten ihren Lesern beispielsweise den Begriff World Wide Web als „jüngsten Ableger des Internet“. „Das war 1997 schon sehr visionär gedacht von Mark Fondl“, meinen heute noch viele der Experten bei Schneider Electric.

Strategische Akquisitionen für die Zukunft

Mit seiner Architektur der Transparent Factory machte Schneider Electric Automation die Fertigungsprozesse transparent.
Mit seiner Architektur der Transparent Factory machte Schneider Electric Automation die Fertigungsprozesse transparent.
(Bild: Schneider Electric)

Das Management hat das Unternehmen seit den 1990er Jahren konsequent weiterentwickelt und fit für das 21. Jahrhundert gemacht. Dazu gehören neben Investition in Forschung und Entwicklung auch strategisch wichtige Akquisitionen mit Blick auf innovative Technologien, etwa die Übernahme von ELAU (Automatisierung im High-End-Bereich) oder APC (Sichere Energieversorgung und Rechenzentrums-Infrastrukturen).

Ursprünglich hatte sich das Unternehmen auf die Geschäftsbereiche Power & Control konzentriert, und zählte in diesen Feldern weltweit als führender Spezialist mit den zwei Strategiefeldern Elektrische Energieverteilung und Industrielle Automatisierung, die rund zwei Drittel des Geschäfts in Deutschland ausmachte. „Wir haben uns dann überlegt, in welche Richtung wir das Unternehmen weiterentwickeln wollen, damit es zukunftsfähig bleibt“, erzählt Jürgen Siefert.

Mit dem Background an Energiethemen festigte sich im Management die Überzeugung, dass das Thema Energie die Welt im 21. Jahrhunderts bestimmen werde. Intelligente Energie, bei der sämtliche Daten mitfließen, um mit Strom und Sicherheit zu versorgen, um zu klimatisieren und auch um zu automatisieren in einer digitalen Welt. „Energie ist der Schlüssel, so ist elektrische Energie ja auch bei antriebsintensiven Maschinenkonstruktionen ein Schlüsselelement“, sagt Vice President Industry Siefert.

Evolution der Managementsysteme

Für Schneider Electric symbolisiert diese Maus heute noch die Transparent Factory.
Für Schneider Electric symbolisiert diese Maus heute noch die Transparent Factory.
(Bild: Schneider Electric)

Und auch hier ging es im Kern wieder um das Grundmuster des erfolgreichen Zusammenwirkens aller Faktoren, die Vernetzung. Schneider Electric entwickelte sich Richtung Komplettanbieter und gestaltete aus der gewachsenen Substanz an Erfahrungswissen und Expertise mit der Transparent Factory heraus den nächsten Meilenstein in puncto industrielle Vernetzung und brachte Eco Struxure 1.0 als „Evolution der Managementsysteme“ 2007 auf den Markt. Zu der Zeit begannen sich bereits im Zuge von Internet und mobiler Geräte neue Gewohnheiten im Umgang mit Informationen herauszubilden. Apple etwa brachte gerade das iPhone heraus.

Der frische Ansatz: Bislang spiegelten Systemlösungen der industriellen Automatisierung ein betriebliches Organigramm wider, in dem Gebäude, Rechenzentrum-Infrastruktur, Energie, Sicherheit, Maschinen und Prozesse als Geschäftsbereiche weitgehend unabhängig voneinander betrieben wurden. Eco Struxure verknüpfte sie zu einem Ökosystem, in dem diese Kerndomänen zusammenlaufen und nahtlos miteinander funktionieren. „Die Grundidee bei Eco Struxure war, eine durchgängige Lösung vom Kraftwerk bis zur Steckdose zu schaffen, also alle Lösungen aus einem Guss“, bringt es Siefert auf den Punkt.

Was rückblickend möglicherweise auf der Hand liegt: Um die Jahrtausendwende nahm Schneider Electric nach Ansicht etlicher Branchenexperten mit seiner strategischen Ausrichtung schon relativ früh die Anforderung des Mega- trends Digitalisierung vorweg – auch deswegen, weil Schneider Electric für die nahtlose Integration der Eco Struxure weiter konsequent auf eine offene und durchgängige Kommunikation mit Ethernet TCP/IP, Internet- und Web-Technik sowie Web-Services setzte, nun allerdings übertragen auf ein deutlich gewachsenes Lösungsportfolio. Dazu zählten beispielsweise auch Architekturen für einzelne Märkte wie etwa Eco Struxure Machine oder Eco Struxure Plant.

Megatrend Digitalisierung vorweggenommen

Ebenso konsequent griff Schneider Electric die mitwachsenden Herausforderungen auf, die die Digitalisierung den industriellen Anwendern bescherten. Die Cloud etwa mauserte sich zu einem zentralen Thema für die Automatisierung. Das Vereinfachen komplexer Strukturen, Kommunikations-Standards und -Protokolle, Skalierbarkeit der Lösung, Zuschnitt auf den jeweiligen Anwendungsfall – alles Dauerbrenner.

Und so fassten die Entwickler in der nächsten Phase mit Eco Struxure 2.0 alle Architekturen systematisch in einem holistischen, durchgängigen Lösungsansatz zusammen und bauten auf Internet-Technologien und offene Standards für die Interoperabilität auf, wie beispielsweise Sercos III als Ethernet-basiertes Motion-Netzwerk.

Eco Struxure geht weit über traditionelle Ansätze hinaus. Mit konsequenter Vernetzung als Grundvoraussetzung für weitgehende Digitalisierung, offener Kommunikation und offenen Standards verbindet diese holistische Architektur klassische Informationstechnologie (IT) mit klassischer Betriebstechnologie (Operational Technology, OT). Diese technisch und virtuell geschlagene Brücke ermöglicht Kunden, auf Basis der gewonnenen Daten ihre Unternehmensprozesse in Echtzeit und vollumfassend zu steuern und zu optimieren.

„Industrie 4.0 bedeutet in letzter Konsequenz die nahtlose Integration von Geschäfts- und Produktionsprozessen zur Steigerung beziehungsweise für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Die Konvergenz der bisher völlig separat betrachteten Bereiche IT und OT ist in diesem Zusammenhang unabdingbar“, erläutert Dr. Barbara Frei, verantwortlich für die DACH-Region bei Schneider Electric. „Dies, gepaart mit den technischen Highlights des Industrial Internet of Things sowie dem ganzheitlichen Ansatz über alle Bereiche hinweg bildet Eco Struxure ein solides Fundament für den Erfolg unseres Unternehmens.“

Grundidee steckt in vielen der heutigen Architekturen

„Ein Meisterstück“, befinden nicht nur die Industrie-4.0-Pioniere bei Schneider Electric heute. Ein Meilenstein der Vernetzung, der den Markt prägte und vermutlich noch weiter prägen wird. Denn die Grundidee von einst steckt in den meisten der heutigen Architekturen und auch in der Ausrichtung auf die Zukunft mit der Vision neuer Geschäftsmodelle und dem Bewältigen globaler Herausforderungen. „Vernetzung ist noch immer das Schlüsselelement, um Daten nach Möglichkeit in Echtzeit zu sammeln, zusammenzuführen, neue Erkenntnisse zu gewinnen und als Basis für Geschäftsentscheidungen analysieren, auswerten und nutzen zu können“, ergänzt Frei. „Die Lösungsarchitektur Eco Struxure ist eine offene, kompatible und IoT-fähige Plattform, mit der Schneider Electric die Weichen für die Zukunft frühzeitig stellt.“

* *Karin Pfeiffer ist Fach- und Wirtschaftsjournalistin; Thomas Hammermeister ist Public Relation Manager bei Schneider Electric

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