Maschinensoftware Mit flexiblen Lizenzierungsmodellen gegen Produktpiraten vorgehen

Autor / Redakteur: Ansgar Dodt* / Reinhard Kluger

Am Elektronikmarkt herrscht Aufbruchstimmung: Neue Lizenzierungsmodelle für die in den Appliances integrierte Software sorgen für einen Wachstumsschub in der Branche der Gerätehersteller. Das Resultat sind zusätzliche Einnahmequellen für Anbieter, mehr Flexibilität für Anwender und nicht zuletzt eine effektivere Bekämpfung von Marken- und Produktpiraten.

Anbieter zum Thema

Das für den deutschen Anlagen- und Maschinenbau typische Prädikat „Made in Germany“ verliert an Wert. Längst entscheidet nicht mehr ausschließlich ingenieurstechnische Handwerkskunst über den Erfolg und Misserfolg von Produkten. Dies gilt insbesondere auch für die Branchen der Hardware-Hersteller, die Wertschöpfung über die mitgelieferte Software erzielen. Zusätzlich zur Qualität der Hardware gehört vor allem die Software - und mit ihr das zugrunde liegende Lizenzierungsmodell - zu den Faktoren einer erfolgreichen Produktentwicklung. Oft beschäftigen Hersteller von als Hardware wahrgenommenen Systemen schon heute 80% ihrer Mitarbeiter im Umfeld der Softwareprogrammierung.

Neue Marktsegmente, weniger Markenklau

Eine Tendenz, an die sich naturgemäß auch Produkt- und Markenpiraten anpassen: Selbst der Nachbau hochkomplexer Hardware wie etwa Geräte für die Metallverarbeitung oder Druckmaschinen stellt spezialisierte Kloner aus Ländern wie China, Brasilien oder Russland nicht mehr vor unlösbare Aufgaben. Vielmehr konzentriert sich der Markenklau heute auf das Kopieren der Geräte-Software − entweder, um sie unverändert auf Nachbauten von eingebetteten Systemen zu übertragen, oder aber, um die Software im Rahmen eines illegalen Re-Engineerings zu recompilieren und Komponenten der Programme für eigene Zwecke zu missbrauchen.

Häufig sorgen allerdings auch wesentlich trivialere Faktoren für eine erhöhte Nachfrage nach Alternativen bei der Lizenzierungspolitik − etwa wenn es um klassische Software-Upgrades für Geräte wie Router oder Unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USV) geht. Oft werden diese, die sich entweder per Internet herunterladen oder per CD aufspielen lassen, auf mehrere Geräte installiert, obwohl im Rahmen des Support-Vertrags lediglich eine Produktlizenz abgedeckt wurde. Das Fazit: Anwendungsentwickler verlieren rund 29 Mrd.-$ jährlich aufgrund von Softwarepiraterie.

Mehr Umsatz durch Lizenzierungsvarianten

Mit Lizenzmanagement-Lösungen neue Märkte erschließen (Archiv: Vogel Business Media)

Neben den Aspekten zur effektiveren Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie spielen indes immer häufiger auch klassische wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle für die Implementierung neuer Lizenzierungsverfahren und die elektronische Verteilung von Lizenzen. Branchenbeobachter sehen dabei vor allem zusätzliche Einnahmequellen durch die Einbindung unterschiedlicher Lizenzierungsvarianten für die integrierte Software - ohne einen höheren Aufwand für die Entwicklung der Produkte.

Denn, während im typischen Geschäft mit eingebetteten Systemen, Geräte für die Telekommunikation, Medizin oder den Maschinenbau als Komplettpaket aus Hardware und Software den Besitzer wechseln, ermöglichen es individuelle Lizenzierungsmodelle, den Funktionsumfang und das Preismodell auf bestimmte Kundengruppen dediziert abzustimmen. Ziel dieser Produktstrategie ist es, die Hardware als einheitliches Basispaket zu entwickeln, den Funktionsumfang des Geräts jedoch mit Hilfe unterschiedlicher Softwarefunktionalitäten auf die bestimmten Anforderungen der unterschiedlichen Märkte anzupassen. So lassen sich ganz nebenbei auch Entwicklungskosten einsparen.

Flexibilität schafft Differenzierungen

Während beispielsweise ein Hersteller in der Metallverarbeitung mit einem festen Lizenzierungsmodell mitunter dazu gezwungen ist, für jeden Maschinentyp eine separate Softwareprogrammierung zu betreiben, können mit Hilfe flexibler Lizenzierungsoptionen unterschiedliche Anlagen auf einer Codebasis produziert und bestimmte Features je nach Anforderung ein- beziehungsweise ausgeblendet werden. So ist es Herstellern etwa auch möglich, einen Gerätetyp als Vollversion zu vermarkten, während mit demselben Entwicklungsaufwand ein System als „Light“-Version angeboten werden kann, um neue Marktsegmente zu erschließen.

Ebenso sind Gerätehersteller mit Hilfe alternativer Lizenzierungen in der Lage, teure Produkte mit voller Funktionalität als abgespeckte Varianten oder mit Probelizenzen anzubieten und Kunden so vom Erwerb des Hauptprodukts zu überzeugen. Ein Schalter innerhalb der Software sorgt dafür, dass die Nutzung der Testlizenz nach einem bestimmten Zeitraum - etwa nach drei Kalendermonaten oder insgesamt 36 Stunden Nutzung - abläuft.

Darüber hinaus lassen sich Lizenzierungsmodelle implementieren, die auf einem Leasing-Ansatz oder aber auf einer Volumenbegrenzung basieren. Auch hier misst ein in der Software enthaltener „Zähler“ die Häufigkeit der Nutzung des Systems und verhindert jede weitere Verwendung, nachdem das Kontingent abgelaufen ist. Erst wenn der Anwender ein weiteres Nutzungsvolumen erwirbt, ist das Gerät erneut verwendbar.

In all diesen Szenarien vereinfachen Lizenzmanagement-Produkte die Verwaltungsarbeit, indem sie Geräteherstellern dabei helfen, Lizenzen elektronisch zu generieren, zu überwachen und die Einhaltung der Bedingungen zu erzwingen. So ist es einerseits möglich, die durch Piraterie, Kopieren und Austausch von Software verloren gegangenen Gewinne zu erzielen und andererseits neue Geschäftsfelder zu erschließen.

Beispiel Metallverarbeitung

Ein typisches Beispiel für die Effektivität eines flexiblen Lizenzierungsmodells lässt sich an der Entwicklung und dem Vertrieb für Lösungen für thermodynamische Berechnungen festmachen. Für gewöhnlich werden derartige Systeme mit einer einzigen Softwareversion verkauft - ganz gleich, ob für große Konzerne oder für kleine Betriebe. Das Problem liegt auf der Hand: Während im ersten Fall die Lösung häufig mit einer sehr hohen Auslastung und täglich genutzt wird, ist das System für einen Fünf-Mann-Betrieb und einer Nutzung pro Woche meist weder finanzierbar noch wirtschaftlich rentabel.

Ein anderes Beispiel: Die Verbreitung hochkomplexer Software für Laser- oder Stanzmaschinen kann per Lizenzierung effektiv kontrolliert werden - und damit auch die Nutzung und preisliche Differenzierung der zugrundeliegenden Maschine. Ähnliches gilt in punkto Feature-Management für Produkte zur Simulation von Strömungsdynamiken. Hier nutzen derzeit bereits 15 der 20 führenden Pharmahersteller weltweit sowie Unternehmen der Agro- und Feinchemie die Möglichkeiten justierter Lizenzierungsmodelle.

Aus einem Pool von Lizenzen schöpfen

Kaum anders verhält es sich bei der Lizenzkontrolle eines internen Test- und Diagnoseprogramms für Motoren: Weil Mitarbeiter die Tests in der Regel per Laptop oder mobilem Device vor Ort ausführen, ist eine sichere Kontrolle der Lizenzen erforderlich, um das eigene Know how des Unternehmens vor Mitbewerbern zu schützen. Dafür eignet sich die so genannte Pendler („Commuter“) Funktionalität eines ausgereiften Lizenzierungstools: Lizenzen werden dabei typischerweise aus einem Pool von Lizenzen auf einem Server entnommen.

So können etwa fünf Anwender im Netzwerk die Software gleichzeitig nutzen. Jeder Mitarbeiter im Außendienst nutzt eine Lizenz und verringert damit den Lizenzpool des Servers. Bei der Rückkehr des Mitarbeiters füllt sich dieser Pool wieder und eine befugte Nutzung sämtlicher Lizenzen kann jederzeit nachvollzogen werden. Häufig verwenden auch Hersteller von Designsoftware für KFZ-Getriebe ein Feature- und Versionsmanagement, weil sich so neue Lizenzmodelle innerhalb weniger Wochen anstatt mehrerer Monate implementieren lassen.

Entkoppelte Konzepte

Unterschiedliche Beispiele einer Branche, in der grundsätzlich aber immer eines gilt: Eine unterschiedliche Staffelung der Preise für zwei unterschiedliche Kundengruppen lässt sich kaum vernünftig begründen. Schlimmstenfalls führen derartige Preisunterschiede zum Handel zwischen den Kunden. Abhilfe schaffen auch hier individuelle Lizenzierungsmodelle, mit denen unterschiedliche Produktvarianten für verschiedene Kundengruppen entwickelt werden können.

So ist es etwa möglich, einem großen Metallverarbeitungskonzern eine unbegrenzte Verwendung zuzusichern, während kleinere Betriebe einen reduzierten Funktionsumfang erhalten oder eine begrenzte Nutzung vereinbaren können, die sich bei Bedarf per Telefon oder Internet erweitern lässt.

Schließlich ist es Herstellern mit Hilfe eines entkoppelten Lizenzierungskonzepts zudem möglich, die bis dato fest mit den Systemen ausgelieferte Software separat zu vermarkten − etwa um flexible Optionen für die Installation durch den Distributor vor Ort zu ermöglichen. Auch hier gilt: Schneller auf Anforderungen des Kunden reagieren und den Verkauf von Produkten ankurbeln.

*Ansgar Dodt ist Direktor Sales Embedded Systems, SafeNet

(ID:262497)