10 Experten zum Thema industrielle Bildverarbeitung – Teil 3 Nachgefragt: Wohin geht die Reise der Bildverarbeitung?
Die IBV zählt nach wie vor zu den Schlüsseltechnologien in der Automatisierung – und stellt damit einen wichtigen Technologiebaustein in der Fertigung dar. So führt sie nicht nur Qualitätssicherung durch, sondern optimiert auch Prozesse. Außerdem wird die Spannbreite der Bildverarbeitungsaufgaben – von einfach bis High-End – immer breiter. elektrotechnik-Redakteurin Ines Näther hat sich in der Branche umgehört, welche technischen Entwicklungen die zukünftige Bildverarbeitungs-Hardware und -Software prägen werden – und welche Rolle die IBV hinsichtlich Industrie 4.0 spielen wird.
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Dr. Ronald Rösch, Leiter strategische Forschung Bildverarbeitung am Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern: Wie kein anderes Thema soll das BMBF Leitthema Industrie 4.0 Deutschland dazu befähigen, neue Potenziale in der Produktionstechnik zu erschließen und seine Vorreiterstellung als Industriestandort weiter auszubauen. Insbesondere wird eine sehr individuelle und sich selbst organisierende Produktion ermöglicht. IBV spielt bislang dabei noch keine Rolle. Das wird sich ändern. Denn für die in I4.0 anvisierten Ziele sind eine ständige Erfassung des Ist-Zustandes der in der Produktion hergestellten Produkte und eine Zustandserfassung der dabei eingesetzten Produktionsmittel erforderlich. Hierfür bedarf es einer Vielzahl von Sensoren, die komplexe Informationen erfassen und interpretieren müssen. IBV-Systeme sind geradezu prädestiniert für diese Aufgabe, bedürfen aber noch einer deutlichen Weiterentwicklung – insbesondere bei der Interpretation der Bilddaten wie individuelle Prüfung und Ableitung von Trends.
Manuel Hofmann, Product Manager bei National Instruments: Im Sinne von Industrie 4.0 muss die industrielle Bildverarbeitung für immer mehr sowie zusätzliche Aufgaben gewappnet sein, beispielsweise bei der engen Synchronisation von Bildverarbeitung und Motorsteuerung – inzwischen eine Anforderung bei vielen neuen hochanspruchsvollen Anlagen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, integrieren moderne IBV-Systeme neben dem herkömmlichen Prozessor oft noch einen FPGA als Co-Prozessor. Wir als Hersteller dieser Systeme sind in der Pflicht, die Software stärker in den Mittelpunkt rücken und den Entwicklern unsere Unterstützung anbieten, und zwar in Form von Bildverarbeitungsalgorithmen und -funktionen, die als IP für den FPGA schon zur Verfügung stehen.
Rainer Schönhaar, Produktmanager bei Balluff: Industrielle Bildverarbeitung war lange Zeit ein Buch mit sieben Siegeln. Spezielles Expertenwissen war notwendig, um eine Mess- oder Prüfaufgabe prozesssicher für die Industrieumgebung zu realisieren.
Die Entwicklung der Speicher- und Prozessortechnologie ermöglicht es einer Bildverarbeitung entsprechende Leistung in eine Kamera zu integrieren. Hinzu kommt, dass auch noch die komplette Analysebibliothek und die Bediensoftware integriert werden können. Der Kunde ist nicht mehr von einem Betriebssystem auf einem externen PC abhängig. Die Parametrierung, Steuerung, Monitoring der Bildverarbeitungseinheit werden über die normale Ethernet-Systemverbindung direkt neben der Kamera, im Kontrollzentrum oder fernab in der Servicezentrale durchgeführt.
Die Konzentration der Funktionen in der Smart-Kamera unterstützt perfekt das Konzept von Industrie 4.0. Dezentral werden Prozessaktionen durchgeführt und die aufbereiteten Daten oder Kontrollkommandos können in passendem Format dem übergeordneten Steuerungssystem zur Verfügung gestellt werden.
In unseren Augen wird die Bildverarbeitung durch Optimierung der Benutzerfreundlichkeit und Netzwerkadaption mehr und mehr zu einer Standardapplikation, die in der modernen Industrielandschaft ihren Siegeszug fortsetzen wird.
Alexander Lewinsky, Produktmanager bei IDS Imaging Development Systems: Eigentlich lässt sich diese Frage mit einem Halbsatz beantworten: Alles wird anwenderfreundlicher. Gemäß dem Plug-and-Play-Prinzip sollen Anwender ihre Kamera anschließen und sofort nutzen können. Ähnliches gilt für die Entwicklung von Bildverarbeitung-Software: ‚Weg von der Algorithmik hin zum Bild‘ nennen wir es intern. Dank zukunftsorientierter Tools wie MVTecs Merlic ist Bildverarbeitung keine Rocket Science mehr, sondern für Jedermann zu bewerkstelligen. Der Programmieraufwand nimmt ab, die Usability nimmt zu. In Sachen Hardware geht der Trend zunehmend in Richtung Auflösung, Bildqualität und Geschwindigkeit.
Industrielle Bildverarbeitung wird im Industrie-4.0-Umfeld eine große Rolle spielen, aber wie genau diese Rolle aussieht, wird sich noch zeigen. Wichtige Punkte dabei sind: Vernetzung, Kommunikation, Datensicherheit und Usability.
Torsten Freiling, Leiter Produktmanagement bei Allied Vision Technologies (AVT): In der Kamera-Hardware rechnen wir mit einem weiteren Aufschwung von CMOS-Sensoren. Dank schnelleren Datenschnittstellen werden höhere Auflösungen möglich, die bisher aufgrund von zu geringen Bildraten für industrielle Applikationen nicht attraktiv waren.
Wir rechnen auch mit immer mehr Bildverarbeitung außerhalb des sichtbaren Spektrums im UV- und Infrarotbereich. Wie bereits erwähnt erwarten wir auch, dass ARM-Systeme immer öfter als Host von Bildverarbeitungsapplikationen verwendet werden.
Horst A. Mattfeldt, Director Standard Products bei Matrix Vision: Wir glauben, dass das Internet of Things auch Augen benötigt, um Dinge zu sehen und zu verstehen. Insofern können wir uns vorstellen, dass viele neue Gagdets Kameras enthalten werden, inklusive Software, um Bilder zu verstehen. Ganz so wie wir heute wie selbstverständlich mit unseren Smartphones hantieren, wobei die Kameras sicher nicht nur Selfies von uns machen werden.
Die Produktionstechnik in der Industrie 4.0 wird zunehmend intelligent automatisiert werden müssen. Wir glauben, dass es hierzu immer einfacher zu konfigurierender respektive parametrisierbarer Bildverarbeitungssysteme bedarf, wenn wir von dem Ideal der Losgröße 1 sprechen wollen.
Christian Jeske, Marketing Leiter bei Pyramid Computer: Grundsätzlich wachsen – ganz im Sinne von Industrie 4.0 – derzeit Bildverarbeitung und Automatisierung immer mehr zusammen. Klare Trends sind heute in der Entwicklung hin zu energieeffizienten, kompakten und wartungsfreien IPCs für den Einsatz in Maschinen und Anlagen zu beobachten. Auch durch das rasche Wachstum von Computer- und Kommunikationstechnologie erfährt der Produktionsbereich eine zunehmende Automatisierung, indem intelligente Geräte zur Überwachung und Kontrolle unbemannter Anlagen eingesetzt werden.
Hochperformante IT-Systeme ermöglichen die umfangreiche Erfassung von Produktionsdaten. Da diese vollständig lückenlos dokumentiert werden, lassen sie sich auch zu analysezwecken zu einem späteren Zeitpunkt verwenden, wenn sich ganz andere Fragestellungen auftun.
Ein Zukunftsmarkt ist auch Vision Guided Robotics (VGR). Dabei werden Kameras in moderne Industrieroboter eingebaut und in deren Steuerungssysteme integriert.
Dirk Ratsack, Vice President MVSD Sales & Service Europe bei Cognex: Legt man die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre zugrunde, so ist die Einschätzung nicht vermessen, dass die nächsten zehn Jahre von noch schnellerer Entwicklung geprägt sein werden. Die rasante Entwicklung, beispielsweise der Bildsensoren - siehe Trend CMOS -, der Computerprozessoren – siehe Multiprozessoren -, der Optiken - siehe Flüssiglinsen -, der Bilderfassungs- und Bildverarbeitungssoftware oder auch der Schnittstellen – wie GigE und USB - wird noch aus dem Konsumerbereich beschleunigt.
Der internationale Bedarf im gesamten Anwendungsspektrum der IBV und der ID-Techniken wächst deutlich. Dementsprechend werden auch die Stückzahlen - von Kameras, Vision-Sensoren, autarken Vision-Systemen (Smart-Kameras), Embedded- und PC-gestützten Systemen, Schnittstellen-Komponenten, bildbasierte Codeleser sowie BV-Software und Software von Entwicklungsumgebungen – steigen. Das Verhältnis Preis/Leistung wird zunehmend günstiger.
Die IBV ist bereits ein fester Bestandteil der industriellen Prozessoptimierung und muss deshalb zukünftig in ihrer ganzen Systemarchitektur auch auf die Anforderungen von Industrie 4.0 ausgerichtet werden.
Stefan Waizmann, Leiter Produktmanagement bei Framos: Die Fortschritte bezüglich der Rechenleistung von PCs können aktuell nicht Schritt halten mit den Fortschritten in der Sensor- und Kameratechnik. Hier braucht die Branche Hardware- und Software-Lösungen, um die enorm hohen Bildraten und Auflösungen heutiger Videokameras auswerten zu können. Speziell mit 10-Gigabit-Ethernet stehen zumindest auf der Schnittstellen-Seite im Augenblick bereits ausreichend leistungsfähige und kostengünstige Technologien zur Verfügung.
Fertigungsanlagen, die der Idee der Industrie 4.0 folgen, kommen quasi schon per Definition nicht daran vorbei im großen Stil Bildverarbeitungstechnologien anzuwenden, weil es keine andere Sensorik gibt, die dermaßen hohe Flexibilität und Autonomie von einzelnen Maschinen und kompletten Produktionsstraßen ermöglicht.
Dr. Olaf Munkelt, Geschäftsführer von MVTec Software: Die weitere Leistungssteigerung der Rechenkapazität – nicht zuletzt durch CPUs, die immer mehr Kerne integrieren – gepaart mit immer höher auflösenden Sensoren und einer kostengünstigeren Verfügbarkeit von 3D-Sensoren wird auch künftig die Grenze des Machbaren bei der Bildverarbeitung nach oben verschieben.
Aber auch neue Hardware-Entwicklungen bei mobilen Geräten und in der Displaytechnologie werden in Zukunft ganz neue Nutzungsszenarios ermöglichen und eine kommunikative Vernetzung im Sinne von Industrie 4.0 zwischen Mitarbeitern, Maschinen und Werkstücken auch außerhalb der Fabrikationshallen ermöglichen. Ausschlaggebend sind hierbei zu entwickelnde Standards, die eine einfache und leistungsfähige Vernetzung aller Komponenten ermöglichen und gleichzeitig die hohen Sicherheitsanforderungen der Industrie schützen.
Bildverarbeitung bildet für die Entwicklung von Industrie 4.0 den Schlüssel, um von der Welt der sichtbaren Objekte automatisiert zu Entscheidungen zu gelangen, die es ermöglichen, Prozesse bestmöglich zu steuern. Bei MVTec freuen wir uns darauf, Teil dieser Entwicklung zu sein, und mit unseren Standard-Software-Produkten moderne Bildverarbeitungstechnologien einer breiten Zielgruppe zu eröffnen.
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