Robotik & Lineartechnik Neue Technologie macht Roboter feinfühlig
Mehr Automatisierung möglich machen – das war das Ziel in der Produktentwicklung von Bosch Rexroth. Und zwar für Prozessaufgaben, die die bisher technisch oder wirtschaftlich nicht automatisierbar waren. Das Resultat: ein sensorgestütztes Ausgleichsmodul, das Robotern taktiles Feingefühl verleiht.
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Der Roboter greift eine Leiterplatte und bewegt sich auf das schwarze Gehäuse eines Motorsteuergerätes zu und setzt diese geschickt auf die empfindlichen Lötstifte, ohne sie zu verbiegen. Wiederholgenau funktioniert das auch nach unendlich vielen Vorgängen. Das, was mit Blick in die Montagezelle so einfach aussieht, ist es aber nicht. Denn dieser vermeintlich einfache Montagevorgang ist in der Umsetzung komplex, weil er sich nicht eindeutig wiederkehrend programmieren lässt.
Warum schafft es dieser Roboter nun dennoch? Der Blick fällt auf ein kleines Bauteil, das zwischen Roboterarm und Greifer angebracht ist. Es handelt sich um ein sensorgestütztes Ausgleichsmodul mit differenzierter Kinematik, das dem Roboter menschenähnliches Feingefühl gibt. „Mit unserem neu entwickelten Smart Flex Effector, der sich für jedwede Robotik und kartesische Linearsysteme eignet, leiten wir einen Paradigmenwechsel in der Fabrikautomation ein“, präsentiert Michael Danzberger, Product Owner Smart End Effectors bei Bosch Rexroth stolz die neu entwickelte Komponente im Labor der Modellfabrik der Zukunft in Ulm. Gezeigt wird hier anhand eines der Pilotprojekte, wie es durch die laufende Referenzierung von Positionen und die Übermittlung der Korrekturdaten dem Roboter gelingt, die Platinen so feinfühlig wie eine menschliche Hand einzusetzen.
Mittels einer unabhängig in sechs Freiheitsgraden arbeitenden Kinematik erfasst der taktile Alleskönner mit Sensitive Touch mögliche Positionsabweichungen zum Werkstück präzise und übermittelt diese zum aktiven Ausgleichen an die Robotersteuerung.
Nachrüstbares Ausgleichselement mit Sensorik und Kinematik in sechs unabhängigen Freiheitsgraden erweitert das Feld für Fabrikautomation.
Smart Flex Effector: neue Automatisierungschancen
Mithilfe dieser einzigartigen räumlichen Referenzierungseigenschaften und Funktionen lässt sich ein breites Spektrum an Prozessen wirtschaftlich stabilisieren und transparent machen. Selbst hochkomplexe Montageprozesse, die sich bisher nur mit großem finanziellem Aufwand oder gar nicht technisch abbilden ließen, werden nun zu vertretbaren Kosten automatisierbar. Mitarbeitende können von monotonen Arbeiten entlastet und an anderer Stelle wertschöpfender eingesetzt werden.
„Die in einem einzigen, nachrüstbaren Bauteil gebündelte Funktionsvielfalt hebt die Grenzen der Fabrikautomatisierung auf und eröffnet völlig neue Perspektiven, und dies bei Nutzung vorhandener Produktionsmittel“, sagt Michael Danzberger. Denn die vorhandenen Fertigungszellen lassen sich einfach und ohne große Umbaumaßnahmen durch den Smart Flex Effector ergänzen.
Ebenso würden sich neue Produktionsanlagen und flexible Montagezellen deutlich einfacher und kostengünstiger realisieren lassen, weil das Ausgleichsmodul die Anforderungen an die Genauigkeit der Anlagen maßgeblich herabsetzt. Michael Danzberger: „So lassen sich bisher schwer beherrschbare Prozesse nun durch einfaches Nachrüsten automatisieren, optimieren und überwachen.“
Schwer beherrschbare Prozesse lassen sich nun durch einfaches Nachrüsten automatisieren, optimieren und überwachen.
Großes Anwendungsspektrum
Der Smart Flex Effector ist für Handhabungslasten bis 6 kg ausgelegt. Er eröffnet Maschinenherstellern und -nutzern eine Vielzahl an neuen Anwendungen, die sich mit bisherigen Mitteln wie passiven Ausgleichseinheiten, Kraftdrehmomentsensoren und visuellen Systemen nur teilweise oder gar nicht realisieren lassen. Das Spektrum reicht von der Prozessautomatisierung über die Qualitätsüberwachung, bis zum Teaching und kontrollierten Handling von Objekten.
Typische Anwendungsfälle sind Fügeprozesse mit Kleinsttoleranzen, komplexe Montagen oder schwierige Handling-Aufgaben. Fehler und Ausschuss werden so minimiert, und auch das Teaching und die Inbetriebnahme gelingen einfacher und schneller.
Quantensprung in der Prozessautomation
Dank seiner differenzierten Kinematik ist der taktile Alleskönner in der Lage, Abläufe mit hoher Komplexität und engen Toleranzen zu korrigieren, beispielsweise bei Lageabweichungen zwischen Werkzeug und Werkstück oder in komplexen Fügeprozesse mit Kleinsttoleranzen. Darüber hinaus lassen sich mit dem taktilen Feingefühl nun auch Abläufe durch Roboter erledigen, die bislang nicht automatisierbar waren.
Feinfühliges Handling von Objekten
Auch während des Antastens lässt sich der Smart Flex Effector dazu nutzen, Lageabweichungen zu erkennen und mithilfe der Sensorik die genaue Position des Objektes zu bestimmen. So nimmt der Roboter Montage- oder Handling-Objekte präzise auf, positioniert kontrolliert und legt zielsicher ab oder sortiert ein. Selbst Bauteile aus Glas oder anderen sensiblen Materialien lassen sich nun sicher handhaben.
Solch ein Anwendungsfall – ein bislang nicht automatisierbarer Montageprozess – wurde in einem Bosch Werk umgesetzt: Hier setzt ein mit dem Smart Flex Effector ausgestatteter Roboter Glasplatten so sensitiv in einen Kühlschrank ein, dass die Böden nicht verkanten oder brechen. Im Sinne größtmöglicher Produktivität kann das Ausgleichsmodul für schnelle Transferfahrten aktiv in die Nullposition gebracht und elektromechanisch verriegelt werden.
Zeitersparnis beim Teaching
In einem weiteren Anwendungsfeld reduziert der Smart Flex Effector den bisherigen Zeitaufwand für Teaching-Vorgänge. Durch die 6D Positionserfassung liest die jeweilige Roboter-Steuerung die exakten Koordinaten von Abgriff – und Ablagepunkten direkt aus. Ein wiederholtes Anlernen im Betrieb ist damit automatisiert möglich.
Darüber hinaus lassen sich viele typische Vorgänge im Produktionsumfeld vereinfachen, etwa durch händisches Führen eines Greifers. Somit sind Roboter auch manuell teachbar, indem sie einfach von Hand in Position gebracht werden.
Qualitätssteigerung durch Transparenz
Im Rahmen der Prozessüberwachung vereinfacht der Smart Flex Effector nicht nur die Dokumentation. Vielmehr lässt sich auch die Qualität steigern, weil Abweichungen sofort erkannt und entweder korrigiert oder an die Steuerung gemeldet werden. Das vermeidet Fehler und unnötige Kosten durch Ausschuss oder Nacharbeit.
Hohe Konnektivität, einfache Installation
Für den Datenaustausch bietet der Smart Flex Effector eine RS485- sowie eine I/O-Schnittstelle. Die Installation ist denkbar einfach: Für eine passive Ausgleichsfunktion wird der Smart Flex Effector lediglich mit dem Roboterflansch und dem Greifer verschraubt. Sperrfunktion und Datenübertragung stehen nach dem Anschluss an Strom und Steuerung zur Verfügung.
„Der Smart Flex Effector ermöglicht ein neues Automatisierungslevel, mit dem Maschinenbau- und Produktionsunternehmen deutlich mehr Prozesse wirtschaftlich abbilden und ihr Anlagendesign grundlegend vereinfachen können, ohne auf teure Hochtechnologie zurückgreifen zu müssen“, fasst Michael Danzberger zusammen. Und: „Die geringen Mehrkosten für das Ausgleichssystem amortisieren sich schnell.“
Auf der Hannover Messe stellt Bosch Rexroth den Smart Flex Effector erstmals dem Fachpublikum vor: in Halle 6, Stand C26.
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