Nachgefragt: 6 Experten zu Industriekommunikation 4.0 – Teil 3 OPC UA: Das sind die heißen Themen
Ziel der OPC Foundation ist es, OPC UA in den nächsten Jahren zum weltweit akzeptierten Standard für das Internet der Dinge voranzutreiben. Welche Aufgaben und Funktionen kann er in der künftigen Industrie 4.0 erfüllen? Die Redaktion hat sich in der Branche umgehört.
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OPC UA (Unified Architecture) ist ein Software-Schnittstellen-Standard, der Daten zwischen sämtlichen Systemen innerhalb eines Unternehmens verfügbar macht. Und zwar von der Chefetage bis zur Feldebene – unabhängig von Betriebssystemen, Bussen, Protokollen und Treibern. Damit erfüllt er die wichtigste Voraussetzung für die Datenkommunikation der Zukunft. Wegen seiner Durchgängigkeit über alle Unternehmensebenen hinweg wurde der OPC-UA-Standard schon seit Jahren als heißer Kandidat für die Datenkommunikation in der Industrie 4.0 gehandelt. Jetzt ist er als Referenzarchitektur gesetzt.
Stichworte Standardisierung, Cloud Computing, Datensicherheit, Beherrschung komplexer Systeme, Echtzeit – wo herrscht noch Handlungsbedarf? Was ist in der Industrie 4.0 in puncto Software-Schnittstellen außer OPC UA noch nötig?
Stefan Schönegger (B&R):
Die Umsetzung von Time Sensitive Networking ist ein sehr wichtiges Thema. Damit ließe sich OPC UA auch für die Linienkommunikation in weicher Echtzeit einsetzen. Weitere wichtige Herausforderungen bei der Umsetzung von Industrie 4.0 sind die Auswertung großer Datenmengen (Big Data) und die Sicherheit von Kommunikationsnetzwerken. B&R bietet zum Beispiel mit seinen Aprol Solutions und dem hochsicheren Powerlink-Protokoll bereits heute Lösungsmöglichkeiten für diese Herausforderungen.
Darek Kominek (Matrikon OPC): Wie bei dem iPhone ist die Frage nicht immer welche einzelnen Technologien dahinter stecken. Vielmehr geht es darum, wie man die einzelnen Teile miteinander kombiniert, um einen Nutzen zu schaffen, der mehr ist als die Summe seiner Teile.
Das IoT ist vielversprechend, benötigt jedoch eine Menge Technologien, die zusammen agieren müssen, um diese Vision und daraus resultierende Vorteile für Unternehmen zu erreichen.
Die Rolle von OPC UA bei all dem ist es, eine sichere und effiziente Möglichkeit zu liefern, Daten von nahezu jeder Quelle einheitlich darzustellen und für andere verwertbar zu machen. Doch auch OPC UA ist auf andere Technologien angewiesen, um spezielle Anforderungen zu meistern. Zwei davon sind UA-Daten in die Cloud zu transferieren und OPC UA immer näher an die Kontrollebene zu bringen, wo eine deterministische Kommunikation notwendig ist. Gegenwärtig laufen die Arbeiten in beiden Bereichen.
Rahman Jamal (National Instruments): Wie schon erwähnt, ist die Echtzeitfähigkeit ein Manko bei OPC UA, was bereits von der genannten Arbeitsgruppe des IEEE 802.1 in Angriff genommen wird. NI ist aktives Mitglied in dieser Arbeitsgruppe, auf deren Arbeitsagenda auch noch die folgenden Punkte stehen: 802.1ASbt (Zur-Verfügung-Stellen von Netzwerkzeitsynchronisierung), 801.1Qbv (Zeitliches Scheduling von Datenpaketen, die über das Netzwerk versendet werden – für garantierte Latenzzeiten), 802.1CB (Sicherstellen von Netzwerkredundanz), 802.1Qbu und 802.3br (präemptives Versenden der Pakete, was für niedrigere Latenz und höhere Bandbreiten sorgen soll).
Das AVnu-Konsortium hingegen kooperiert mit anderen Normungsinstituten bzw. Standardisierungsgremien sowie technischen Arbeitsgruppen bei der Entwicklung von Komplettlösungen für unterschiedlichste Bereiche und Anwendungen. Dazu gehören industrielle Steuer- und Regelanwendungen ebenso wie der Automotive-Bereich, Anwendungen mit professionellen Audio-/Videodaten oder unterschiedliche Felder der Unterhaltungselektronik.
Weiteres Ziel des AVnu ist es, ein Standardfundament zu schaffen, welches zum einen gleich auf Silizium abgebildet werden kann und sich zum anderen von den unterschiedlichsten Protokollen nutzen lässt. Dadurch soll die Interoperabilität gewährleistet sein Aber auch die Systemkosten werden gesenkt und Technologien wie etwa WiFi sowie eine Skalierbarkeit auf höhere Bandbreiten sollen ermöglicht werden.
Es ist ja kein Geheimnis, dass das grundlegende Problem nicht etwa die Anzahl der Protokolle ist, sondern eher die der Busse, die nicht miteinander kompatibel sind. Unter anderem auch weil das Standard-Ethernet nicht in der Lage war, ohne weiteres die Anforderungen industrieller Steuer- und Regelanwendungen zu erfüllen: Die Latenz bei der Datenübertragung in solchen Applikationen war schlichtweg nicht zu bewältigen.
Stefan Hoppe (OPC Foundation): OPC-UA skaliert bereits vom kleinsten Sensor mit 35 kb bis in die Cloud.
Zur Hannover Messe 2015 hat Microsoft eine OPC-UA-Integration zur Azure Cloud vorgestellt. Die OPC-UA-Architektur wird aktuell mit Pub/Sub und AMQP erweitert, um weitere Applikationsfelder abzudecken. Mit dem Start der neuen Arbeitsgruppe Mitte Juni wird nun auch an der ‚Time Sensitive Networking‘ (TSN)-Echtzeitfähigkeit gearbeitet.
Notwendig ist, dass Betreiber in den Pflichtenheften den Einsatz zertifizierter OPC-UA-Produkte vorschreiben. Damit lässt sich die IT-Sicherheit erhöhen, aber auch die Inbetriebnahme erleichtern. Des Weiteren wird die semantische Interoperabilität der Schlüssel zu Industrie 4.0 sein – grob gesagt die Beschreibung der Daten.
David Eisl (Sigmatek):Von Beginn an war eine der wichtigsten Anforderungen an OPC eine universelle Plattform zu schaffen, wo basierend auf einem IEC-Standard weitere, darauf aufbauende Standards gebildet werden können.
Resultierend aus der zunehmenden Funktionalität, der zunehmenden Individualisierung von Produkten und der zunehmenden Dynamik in der Auslieferung werden Produktionssysteme immer umfangreicher und komplexer.
Handlungsbedarf besteht hinsichtlich der Informationsmodelle bei Einbindung von Automatisierungskomponenten im Feld. OPC UA stellt das Protokoll und die Services bereit, sodass die Anwender auf reichhaltige Informationsmodelle zugreifen und komplexe Daten zwischen unabhängig entwickelten Anwendungen austauschen können. Obwohl bereits verschiedene wichtige Informationsmodelle wie Data Access oder Alarms & Conditions existieren, gibt es noch Handlungsbedarf und zwar bei der Identifizierung von Netzwerkkomponenten.
Für Sigmatek als Steuerungshersteller ist grundsätzlich jede Art der Datenübertragung interessant, die unseren Kunden die Einbindung von Fremdsystemen und die Analyse von Prozessdaten ermöglicht.
Peter Seeberg (Softing): Der Standard OPC UA als IEC 62541 steht – inklusive implizite Sicherheit. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) führt derzeit eine umfassende und unabhängige Sicherheitsanalyse mit dem Ziel durch, eine detaillierte und aussagekräftige Analyse von OPC UA zu erstellen sowie Vorschläge für ggf. erforderliche Verbesserungen und Empfehlungen für Hersteller, Integratoren und Betreiber zu formulieren.
Microsoft hat auf der Hannover Messe die OPC UA-Anbindung an seine Azure-Cloud gezeigt und auch die SAP HANA Cloud Platform ist über OPC UA erreichbar; andere Cloud-Anbieter werden folgen.
Die OPC Foundation hat angekündigt, die OPC UA-Architektur zusätzlich zur Client/Server- mit einer Publisher/Subscriber-Kommunikationsfähigkeit auszustatten, womit sie für das Internet of Things, kurz IoT, geeignet wäre. Das gleiche Ziel verfolgt die Bereitstellung von OPC-Spezifikationen und -Technologie als Open Source. Sobald die Publisher/Subscriber-Funktionalität realisiert ist, wird es auch möglich sein, den Echtzeitstandard TSN (Time-Sensitive Networking) im Verbund mit OPC UA umzusetzen, wie von Kuka gefordert.
OPC UA ist als offizieller- und de-facto Standard auf den ISO-OSI-Ebenen 5 und 6 angekommen und ermöglicht als solcher einen Plug&Play-Austausch von Geräten und Modulen. Das wurde bereits realisiert im Demonstrator der Smart Factory KL auf der Hannover Messe. Mehr Forschung und Entwicklung wird in den nächsten Jahren im Bereich der Semantik notwendig sein. Die umfangreiche Modellierfähigkeit von OPC UA begünstigt Bestrebungen in diese Richtung.
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