Nachgefragt: 6 Experten zu Industriekommunikation 4.0 – Teil 1 OPC UA: Viel mehr als ein Datenprotokoll

Autor Ines Stotz

Ziel der OPC Foundation ist es, OPC UA in den nächsten Jahren zum weltweit akzeptierten Standard für das Internet der Dinge voranzutreiben. Welche Aufgaben und Funktionen kann er in der künftigen Industrie 4.0 erfüllen? Die Redaktion hat sich in der Branche umgehört.

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OPC UA bietet die Möglichkeit, eine weltweit standardisierte Kommunikationsschnittstelle in Steuerungen, Antrieben, Gateways, Operator Panels und Prozessleitsystemen bis hin zu ERP- oder MES-Systemen einzubetten.
OPC UA bietet die Möglichkeit, eine weltweit standardisierte Kommunikationsschnittstelle in Steuerungen, Antrieben, Gateways, Operator Panels und Prozessleitsystemen bis hin zu ERP- oder MES-Systemen einzubetten.
(Bild: © GraphicCompressor - Fotolia)

OPC UA (Unified Architecture) ist ein Software-Schnittstellen-Standard, der Daten zwischen sämtlichen Systemen innerhalb eines Unternehmens verfügbar macht. Und zwar von der Chefetage bis zur Feldebene – unabhängig von Betriebssystemen, Bussen, Protokollen und Treibern. Damit erfüllt er die wichtigste Voraussetzung für die Datenkommunikation der Zukunft. Wegen seiner Durchgängigkeit über alle Unternehmensebenen hinweg wurde der OPC-UA-Standard schon seit Jahren als heißer Kandidat für die Datenkommunikation in der Industrie 4.0 gehandelt. Jetzt ist er als Referenzarchitektur gesetzt.

Was präsentiert OPC UA damit nun für die Industrie 4.0?

Stefan Schönegger (B&R):

Stefan Schönegger, Marketing Manager bei B&R: „OPC UA ermöglicht einen einfachen, herstellerübergreifenden Datenaustausch, eine der Grundvoraussetzungen für Industrie 4.0.“
Stefan Schönegger, Marketing Manager bei B&R: „OPC UA ermöglicht einen einfachen, herstellerübergreifenden Datenaustausch, eine der Grundvoraussetzungen für Industrie 4.0.“
(Bild: B&R)

OPC UA bietet sich als Kommunikationsprotokoll oberhalb der Steuerungsebene bis zu ERP-Systemen an. Das Protokoll ist offen, unabhängig und wurde mittlerweile von allen großen Steuerungsherstellern implementiert. Damit ermöglicht es einen einfachen, herstellerübergreifenden Datenaustausch. Das ist eine der Grundvoraussetzungen für Industrie 4.0.

Unterhalb der Steuerungsebene besteht jedoch häufig ein sehr hoher Anspruch an die Geschwindigkeit und an die Synchronität der Datenübertragungen. Es kann gravierende Auswirkungen haben, wenn Daten nicht rechtzeitig ankommen. Dort eingesetzte Protokolle müssen zuverlässig in harter Echtzeit mit Zykluszeiten von deutlich unter 1 ms arbeiten. Powerlink Arbeitet im Mikrosekunden-Bereich und ist daher die ideale Ergänzung zu OPC UA.

Darek Kominek (Matrikon OPC): Kurz gesagt, Industrie 4.0 erfordert Fabriksysteme, die fähig sind auf horizontaler Ebene miteinander zu kommunizieren.

Darek Kominek, Sr. Strategic Marketing Manager bei Matrikon OPC: „Mit OPC UA reden wir im Kern über wirkliche M2M-Kommunikation – eine der wesentlichen Säulen von Industrie 4.0.“
Darek Kominek, Sr. Strategic Marketing Manager bei Matrikon OPC: „Mit OPC UA reden wir im Kern über wirkliche M2M-Kommunikation – eine der wesentlichen Säulen von Industrie 4.0.“
(Bild: Matrikon OPC)

Gleichzeitig müssen diese Systeme so intelligent sein, dass sie, basierend auf Daten die sie horizontal mit höheren Unternehmensebenen austauschen, ihre eigenen Entscheidungen treffen können. OPC UA spielt sowohl für die Kommunikation horizontal als auch vertikal eine Rolle. Es ermöglicht unterschiedlichen Fertigungsbereichen auf sichere und einheitliche Art und Weise eigene Daten darzustellen sowie systemfremde Daten ‚verständlich‘ zu erfassen und in den eigenen Kontext zu integrieren.

Damit reden wir im Kern über wirkliche M2M-Kommunikation – eine der wesentlichen Säulen von Industrie 4.0. OPC UA schafft hierfür die Grundlage. Es erlaubt Multi-Vendor-Systemen in der Fabrikhalle die Kommunikation untereinander, um sich gemeinsam über das ‚Wie wird etwas produziert‘ auszutauschen, basierend auf der ‚Was soll produziert werden‘-Vorgabe höherer Unternehmensebenen.

Rahman Jamal (National Instruments): Es ist zu begrüßen, dass OPC UA fast schon als Datenkommunikationsprotokoll der Zukunft für Industrie-4.0-Anwendungen gesetzt ist.

Rahman Jamal, Global Technology & Marketing Director bei National Instruments: „Die Unterstützung von TSN, Time-Sensitive Networking, in OPC UA ist eine notwendige Voraussetzung für die Erfüllung der Anforderungen von Industrie 4.0.“
Rahman Jamal, Global Technology & Marketing Director bei National Instruments: „Die Unterstützung von TSN, Time-Sensitive Networking, in OPC UA ist eine notwendige Voraussetzung für die Erfüllung der Anforderungen von Industrie 4.0.“
(Bild: National Instruments)

Allerdings ist die Grundvoraussetzung für Industrie 4.0 die nahtlose Kommunikation von Maschinen, Objekten und Dienstleistungen in Echtzeit. Um diese Anforderungen zu erfüllen, muss OPC UA erst einmal echtzeitfähig werden – eine Eigenschaft, die es momentan noch nicht innehat. Gerade damit beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe des IEEE 802.1, bei der NI aktives Mitglied ist. Hier geht es darum, einen echtzeitfähigen Ethernet-Standard zu entwickeln, den so genannten TSN, sprich Time-Sensitive Networking. Dieser soll letztendlich auch in industriellen Automatisierungsanwendungen einsetzbar sein, die hohe Anforderungen an die Echtzeitfähigkeit haben.

TSN soll es gestatten, die bisher nicht miteinander zu vereinbarenden – aber für die standardisierte Kommunikation über Ethernet erforderlichen – Technologien direkt in Silizium zu gießen. Dies wiederum verspricht deterministische High-speed-Datenübertragung sowie extrem präzise Zeitsynchronisation.

Das Fundament, das durch all diese Entwicklungen entsteht, wird eine Unmenge an Applikationen und Branchen beeinflussen – seien es Prüfzellen, HiL-Applikationen, Anwendungen zur Anlagenüberwachung oder Maschinensteuerung. Die Unterstützung von TSN in OPC UA ist eine notwendige Voraussetzung für die Erfüllung der Anforderungen von Industrie 4.0.

Stefan Hoppe (OPC Foundation): Hersteller von intelligenten Geräten oder Diensten wollen es selbst in der Hand haben, welche Daten und Informationen für wen und wann sowie über welchen Transportkanal verfügbar sind.

Stefan Hoppe, Vice President der OPC Foundation: „Der eigentliche Transportkanal für die Dienste und Daten ist austauschbar, genau das macht OPC UA sexy.“
Stefan Hoppe, Vice President der OPC Foundation: „Der eigentliche Transportkanal für die Dienste und Daten ist austauschbar, genau das macht OPC UA sexy.“
(Bild: OPC Foundation)

OPC-UA ist eben viel mehr als ein Datenprotokoll – es liefert genau die Modellierungsmöglichkeiten mit Zugriffkontrolle. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, kurz BSI, analysiert aufgrund der Relevanz von OPC UA für die deutsche Industrie die integrierten Sicherheitsmechanismen. Der eigentliche Transportkanal für die Dienste und Daten ist austauschbar – genau das macht OPC UA sexy.

David Eisl (Sigmatek): OPC UA besteht aus einer Reihe von Spezifikationen, die in enger Zusammenarbeit von Herstellern, Anwendern und Konsortien entstanden sind, um den reibungslosen Datenaustausch in der Industrie zu sichern.

David Eisl, Produktmanagement Industrielle Kommunikation bei Sigmatek: „Für die Industrie 4.0 repräsentiert OPC UA eine international standardisierte Lösung zur horizontalen und zur vertikalen Integration von Anlagen und Systemen.“
David Eisl, Produktmanagement Industrielle Kommunikation bei Sigmatek: „Für die Industrie 4.0 repräsentiert OPC UA eine international standardisierte Lösung zur horizontalen und zur vertikalen Integration von Anlagen und Systemen.“
(Bild: Sigmatek)

Im Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0 der Acatech (Deutsche Akademie der Technikwissenschaften) wird der Standard als Schlüsseltechnologie für die neu entstandenen Smart Factories bezeichnet. Bei dieser neuen Generation der Fabrikautomation bringt das Produkt selbst seine Fertigungsinformation zum Beispiel auf einem RFID-Chip mit. Anhand dieser Information wird auf unterster Feldebene der Weg des Produkts gesteuert und die Fertigungsanlage an das jeweilige Produkt angepasst. Informationen wie zum Beispiel Produktionsstatus, Fertigstellung oder Lagerort des Produktes werden in der Maschinen- und Anlagen-Steuerung verarbeitet und über OPC UA an den Leitrechner weitergegeben.

Für die Industrie 4.0 repräsentiert OPC UA damit eine international standardisierte Lösung zur horizontalen und zur vertikalen Integration von Anlagen und Systemen. Wir stellen die OPC UA Server Software für unsere Steuerungen bereit und ebnen dadurch unseren Kunden den Weg zur Industrie 4.0.

Peter Seeberg (Softing): Jetzt ist es – fast – offiziell: um OPC UA wird man in der Industrie 4.0 nicht mehr herum kommen.

Peter Seeberg, Market Segment Manager Factory Automation bei Softing Industrial Automation: „OPC UA ermöglicht für Industrie 4.0 die horizontale und vertikale Integration sowie die Durchgängigkeit des Engineerings über den gesamten Lebenszyklus: die drei Säulen der Industrie 4.0.“
Peter Seeberg, Market Segment Manager Factory Automation bei Softing Industrial Automation: „OPC UA ermöglicht für Industrie 4.0 die horizontale und vertikale Integration sowie die Durchgängigkeit des Engineerings über den gesamten Lebenszyklus: die drei Säulen der Industrie 4.0.“
(Bild: Softing Softing Industrial Automation)

In der Umsetzungsstrategie der Plattform Industrie 4.0 geht es im ‚Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0‘, kurz RAMI4.0 zwar zunächst einmal um die grundsätzliche Prüfung, ob die Realisierung eines Communication Layers mittels OPC UA / IEC 62541 möglich ist. Grundsätzlich wird dies aber bejaht. Die allgemeine Erwartung ist, dass es hierzu in nächster Zeit eine Empfehlung geben wird.

OPC UA ist ein plattform- und anbieterunabhängiger, sicherer und robuster Standard für den Datenaustausch mit einer außergewöhnlich großen semantischen Modellierungsfähigkeit. Genau deshalb wird er seit vielen Jahren in der Industrie eingesetzt. OPC UA ermöglicht für Industrie 4.0 die horizontale und vertikale Integration sowie die Durchgängigkeit des Engineerings über den gesamten Lebenszyklus: die drei Säulen der Industrie 4.0.

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