Instandhaltungsautomatisierung Produktionsstörungen sind nicht mehr leistbar
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Über Instandhaltungsautomatisierung wird aktuell noch nicht viel gesprochen. René Heidl, Geschäftsführer von Unternehmen Indu-Sol, erläutert, warum gerade sie so wichtig für den Wohlstand Deutschlands ist.

Herr Heidl, Ihr Unternehmen Indu-Sol konnte im letzten Jahr stolze 40 Prozent Umsatzwachstum verzeichnen. Worauf führen Sie das zurück?
René Heidl: Ein wesentlicher Grund dafür ist sicherlich, dass immer mehr Unternehmen der deutschen Wirtschaft erkennen, dass sie in Zeiten von Hyperwettbewerb, fortwährenden Krisensituationen und steigenden Rohstoffkosten ihre Effektivität erhöhen müssen. Die Nachfrage nach Lösungen, die die Anlagenverfügbarkeit steigern, explodiert im Moment regelrecht. Mit unserer Expertise können wir den Unternehmen bei diesen Vorhaben helfen und überdurchschnittlich wachsen. Vor dem Ukraine-Krieg und der Energiepreiskrise konnten sich viele Unternehmen Produktionsstörungen und Ausfälle noch leisten. Die wurden in der Regel von den Maschinenbedienern einfach wegquittiert, ohne dass die Instandhaltung etwas davon erfuhr. Heute tut das den meisten Unternehmen richtig weh, weil jede Minute Stillstand die Produktivität senkt und die Ausfallkosten im vier- bis fünfstelligen Bereich pro Minute liegen. Und zusätzlich sind die Energie- und Rohstoffkosten massiv gestiegen und auch die Entwicklung der Lohnkosten beschleunigt sich enorm. Dadurch steigen die Kosten pro Produkt dramatisch. Die Unternehmen wollen die Effektivität der Produktion steigern und erhöhen deshalb den Automatisierungsgrad ihrer Fertigungsprozesse, indem sie immer mehr Roboter einsetzen. Dazu gehören aber auch Automatisierungsfortschritte in der Instandhaltung, nicht um kostengünstig Arbeitsplätze zu sparen, sondern um die Instandhaltung zu vereinfachen und diese condition-based umzusetzen.
2022 wurden ihre Mess- und Servicetechniker zu circa 400 Einsätzen gerufen. Gut 150 davon waren akute Notfälle, also ungeplante Total Breakdowns. So ein Total Breakdown dauert im Durchschnitt
2,6 Tage und verursacht beträchtliche Ausfallkosten bis die Prozesse wieder störungsfrei laufen. Haben einige Firmen den Schuss noch nicht gehört? Und was sind die Gründe für diese Stillstände?
Es wird noch etwas dauern, bis alle Firmen merken, dass ihre Produktionsanlagen auf die bisherige Weise nicht mehr rentabel sind. Die Ausfälle sind entstanden, weil im Vorfeld niemand etwas unternommen hat! Sie haben
in einem durchschnittlichen Feldbussystem vielleicht
500 Kontaktstellen und durchschnittlich 200 Metern Leitungen. Die Leitungen werden durch Schleppketten geführt, sind also bewegte Leitungen. Diese und auch die Kontaktstellen stehen in Kontakt mit Kühl- und Schmiermitteln oder aggressiven Reinigungsmedien. Dass irgendwann etwas kaputtgeht, ist nur eine Frage der Zeit! Der Verschleiß lässt sich auch mit den feinen Sinnen eines sehr erfahrenen Instandhalters nicht erfassen, sondern nur mit aufwendigen Messgeräten. Grundsätzlich muss man also im Vorfeld in Condition Monitoring investieren oder man muss eben die Kosten für diese Stillstände aufbringen und die Ressourcen ständig bereithalten. Das ist nichts anderes als eine Wette auf die Zukunft. Immer in der Hoffnung, es wird schon irgendwie gut gehen. Dann kommen die ersten sporadischen Störungen, die wegquittiert werden bis zum Ausfall. Die indirekten Instandhaltungskosten knallen in dieser Situation dramatisch durch die Decke. Das Geld ist verbrannt. Aber in der ganzjährigen Statistik fällt dieses Ereignis nicht weiter ins Gewicht. So werden mögliche Betriebsgewinne im sechsstelligen Bereich verschleiert. Das Management wird dem fantastischen Potential selbst nach solchen Events nicht immer gewahr.
Ändert sich die Haltung nach so einem Ausfall?
Ja, das beobachten wir grundsätzlich. Aber es gibt auch Fälle, bei denen der Gewöhnungseffekt gnadenlos zugeschlagen hat. Dort investiert man nicht mal nach einem Total Breakdown. Warum? Weil die dramatischen Erinnerungen verblassen auf dem langen bürokratischen Weg, wenn eine Investition durchgesetzt werden soll. Unternehmen sind kaskadierende Kommunikationssysteme. Die Dringlichkeit kommt ganz oben nicht immer an.
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Was würden Sie dem Management dieser Unternehmen raten?
Als umfassend ausgebildeter Netzwerkexperte liegt es in meiner Natur, Prozesse optimieren zu wollen. Wissen Sie, was Deutschland für ein Optimierungspotential durch die Digitalisierung auf Shopfloorebene hätte? Wenn man mehr Sensoren einsetzt, könnte man solche Produktionsstörungen mehrere Monate im Vorfeld erkennen! Und daraus könnte dann ein Instandhaltungsprozess entstehen, bei dem rechtzeitig und strukturiert gearbeitet werden kann. Das wäre mein Rat für diese Unternehmen.
Zur Person
René Heidl
Zusammen mit Karl-Heinz Richter leitet René Heidl das thüringische IT-Unternehmen Indu-Sol, das seinen Sitz im thüringischen Schmölln hat und im letzten Jahr 40 Prozent Wachstum verzeichnen konnte. Heidl trägt dabei die Verantwortung für die Bereiche Technik & Entwicklung.
Interessierte finden auf der Homepage von Indu-Sol konkrete Rechenbeispiele dazu, wie sich die Gesamtanlageneffektivität durch den Einsatz von Condition Monitoring und Predictive Maintenance steigern lässt.
Das hört sich nach einem Kommunikationsproblem innerhalb der Organisation an?
Durchaus. Diejenigen, die das betriebswirtschaftliche Verständnis haben, also das leitende Management, wissen in der Regel nichts von den Ausfällen oder schätzen die Auswirkungen für das Betriebsergebnis als zu gering ein. Und diejenigen, die davon wissen, also die Instandhalter, treiben Maßnahmen gegen die Produktivitätsstörungen nicht voran und richten sich damit ein. Ihnen fehlt der betriebswirtschaftliche Hintergrund und das notwendige Zahlenwerk, um Potentiale zu beschreiben und ROI-Berechnungen aufzustellen. Kurz gesagt: Beiden Seiten fehlt der gemeinsame Sprachsatz.
Haben Sie für uns ein Beispiel aus der Praxis?
Gerne. Erst vor kurzem waren wir in einem Unternehmen, bei dem eine große Produktionsanlage mehrere Stunden lang stillstand. Der Grund war ein Problem mit dem Netzwerk. Erst nach vier Stunden Produktionsstillstand hat sich die Betriebsleiterin eingeschaltet. Von mehreren ähnlichen Störungen im Vorfeld wusste die Managerin nichts. Sobald meine Mitarbeiter die Anlage wieder flottgemacht hatten, war die Betriebsleiterin wie üblich weg und bekam auch im weiteren Verlauf der Rettungsmaßnahme nichts mehr mit. Interessanterweise ging es in den Gesprächen mit der Instandhaltung während diesem Zeitraum niemals um Ausfallkosten. Und das, obwohl davon auszugehen war, dass in dieser Zeit ein hoher sechsstelliger Schaden für das Unternehmen entstanden war.
Was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste: Die Betriebsleiterin nutze das Ereignis, um das Top-Management zu sensibilisieren. Gemeinsam mit den Instandhaltern dieser Firma arbeiten wir jetzt an einem Projekthandbuch, in dem wir gemeinsam ermitteln, wie sich der OEE, also die Gesamtanlageneffektivität, steigern lässt und wie der ROI für die notwendige Maßnahme sein wird. In diesem Fall liegt der Return on Investment unter fünf Monaten. Dafür muss man in vielen Unternehmen noch nicht einmal vor die höhere Managementebene treten.
Sollte man also die Feldebene fokussieren?
In der Instandhaltungsautomatisierung liegt ein Riesenpotential! An den fehlenden Fachkräften und den hohen Lohnkosten können wir aktuell nichts ändern, aber an den Produktionsstörungen. Wenn wir dieses Thema von der Shopfloor-Ebene in die Topfloor-Ebene holen und dort die Shopfloor-Daten analysieren und die richtigen Maßnahmen ableiten, hat jedes Unternehmen schon den Zugang, um sein Ergebnis zu steigern. Die Firmen, die jetzt aktiv werden, werden ohne großen Aufwand deutlich mehr Gewinne machen können. Andere werden ihre Produktion mit der Zeit ins Ausland verlagern oder ihren Betrieb schließen müssen.
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Was fühlen Sie, wenn Sie an den Standort Deutschland denken?
Die deutschen Unternehmen sind erfinderisch. Das macht uns aus. Wir haben eine höchst automatisierte Produktion, weshalb sich die Lohnstückkosten in der Industrie nicht so stark auswirken werden. Was aktuell durchschlägt, sind die hohen Energie- und Materialkosten. Optimiert man den Produktionsablauf weiter, kann ein Unternehmen so viel rausholen, dass es große Ausgaben kompensieren kann. Es ist machbar, auch unter den aktuellen Rahmenbedingungen. Wir müssen nur genauer hingucken in der Produktion und jeden Stein umdrehen. Ich bin guter Dinge – wenn wir die Verluste, die wir bisher wegquittiert haben, jetzt in Gewinne umwandeln!
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