Automatisierung Schon heute auf die Technik von morgen setzen
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Unternehmen einen klaren Wettbewerbsvorteil bieten und sie fit machen für die Herausforderungen rund um die Produktion der Zukunft: Automatisierung ist dafür unverzichtbar. Das Fraunhofer-IPA zeigt, welche Lösungen bei der Umsetzung helfen können.

Mehr Automatisierung ist in aller Munde, und das aus gutem Grund: gesellschaftliche Herausforderungen wie der Fachkräftemangel, der demografische Wandel, starker Wettbewerb durch die Globalisierung bei gleichzeitig unsicheren Lieferketten und der Bedarf, eine resilientere Produktion gegebenenfalls sogar wieder im Hochlohnland Deutschland zu etablieren.
Gleichzeitig ist Automatisierung alles andere als ein Selbstzweck. Vorrangig technische und wirtschaftliche Kriterien spielen hier eine entscheidende Rolle. Nicht alles, was technisch möglich ist, erfüllt auch die wirtschaftlichen Kriterien eines Unternehmens. Und nicht alles, was wirtschaftlich wünschenswert wäre, ist technisch sinnvoll umsetzbar.
Dennoch ist oft eine erfolgreiche Automatisierungsplanung und -umsetzung möglich. Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA unterstützt Unternehmen dabei mit zahlreichen Angeboten – sowohl bei der Optimierung bestehender Anwendungen als auch dann, wenn ganze neue Lösungen gesucht werden. Anhand der Projektabschnitte zeigen das IPA Produkte und Dienstleistungen auf, die dazu befähigen, diesen jeweiligen Abschnitt erfolgreich umzusetzen.
Schritt 1: Automatisierungspotenziale technisch und wirtschaftlich einschätzen
Viele Unternehmen möchten automatisieren, befürchten jedoch technische und wirtschaftliche Fehleinschätzungen. Doch mit der „Automatisierungs-Potenzialanalyse“ (APA) können die Fraunhofer-Entwickler direkt in die Unternehmen gehen, den Status quo analysieren und eine objektive „Fitness for Automation“ der untersuchten Produktionsprozesse ermitteln. Diese Analyse wurde bereits bei über 500 Kunden weltweit für vielfältige Automatisierungsprojekte rund um die Montage eingesetzt.
Bei einem solchen kompakten APA-Projekt werden alle bisher manuell ausgeführten Montageschritte analysiert. Man untergliedert sie in die Teilschritte Vereinzeln, Handhaben, Positionieren und Fügen und erhält dafür Punkte: Je „automatisierungsfreundlicher“ ein Schritt ist, umso mehr Punkte erhält er. Der Kunde bekommt auf diese Weise eine Auswertung, wie einfach sich eine automatisierte Montage umsetzen lässt – unter den technischen und wirtschaftlichen Kriterien, die individuell gewichtet werden können. Daraus ergeben sich drei Handlungsoptionen:
- Umsetzung als Standardautomatisierung,
- Umsetzung als Spezialautomatisierung oder
- eine Produktänderung mithilfe des „Design for Automation“, also hin zu einem automatisierungsfreundlicheren Design, sofern möglich.
Seit Kurzem ist die APA auch für Schweißprozesse verfügbar. Hier ist der Fachkräftemangel besonders eklatant, weshalb viele Unternehmen mit kleineren Losgrößen mehr auf Automatisierung setzen möchten. In Anlehnung an die Montage-APA gibt es einen Fragebogen, der Themen wie die zu verschweißenden Grundwerkstoffe, die Nahtvorbereitung oder das Entfernen von Schlacke berücksichtigt. „Unternehmen erhalten so eine systematische Entscheidungsgrundlage, die das Investitionsrisiko signifikant verringert“, erklärt Lorenz Halt, Gruppenleiter am Fraunhofer IPA.
Schritt 2: Tragfähige Konzepte erstellen
Erfolgreiche Technologietransfers brauchen eine wasserdichte Planung und Konzeption, um unerwartete Kosten und Mehraufwände im späteren Projektverlauf zu vermeiden. Dabei hilft die auf funktionale Sicherheit (Safety) ausgerichtete Lösung „Robo-Dashcam“. Hierfür erfasst eine Kamera datenschutzkonform sicherheitsrelevante Daten und Personen, während die Roboterzelle in Betrieb ist.
Basierend auf diesen Daten kann das Sicherheitskonzept nachträglich angepasst werden, um die Performance bzw. Taktzeit der Anwendung zu steigern. So sind bis zu zehn Prozent mehr Produktivität und eine um 54 Prozent reduzierte Zeit für die Risikobeurteilung möglich.
Die Kabel- und Steckermontage, die ebenfalls in diese zweite Projektphase gehört, wird durch die geplante Ausgründung „Intrac“ (Intelligent Robotic Assembly Cell) unterstützt. Der hohe Lohnkostenanteil, der hier durch die fast ausschließlich manuelle, monotone Tätigkeit am Produkt entsteht, belastet die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) am Hochlohnstandort Deutschland. „Unsere Lösung geht auf die Bedürfnisse des Mittelstands ein, indem die modulare Roboterzelle flexibel und schnell an verschiedene Produkte anpassbar ist. Dies ermöglicht es den Unternehmen, bereits mit einem System verschiedene Varianten zu fertigen und damit planbare Investitionsentscheidungen zu treffen“, erklärt Mitgründer Arik Lämmle. „Unsere Vision ist, die Mitarbeitenden durch eine leistungsstarke und feinfühlige Montagezelle insbesondere bei wiederkehrenden Tätigkeiten zu unterstützen. Unsere intelligente Überwachungs- und Kontrollfunktion gewährleistet eine hohe Prozesssicherheit und Qualität.“ Damit richtet sich Intrac direkt an KMU, die meist kein Roboterwissen besitzen.
Schritt 3: Technische Machbarkeit experimentell oder simulativ absichern
Ist die grundsätzliche Automatisierungsidee abgesichert und liegt ein Konzept zur Anwendungsrealisierung vor, geht es um das Prüfen der Machbarkeit. Eine Lösung hierfür ist „AI Picking“, der KI-basierte „Griff in die Kiste“. Der Einsatz von KI, oder genauer von deren Teilgebiet maschinelles Lernen, macht die Anwendung autonomer, schneller und robuster. So lassen sich Objekte aus Kisten mit gemischtem Inhalt zuverlässig erkennen und greifen. Zudem werden Verhakungen automatisch erkannt und die Entnahmebahn des Roboters so geplant, dass sich die Verhakung löst. Es werden aber auch unterschiedliche Gebinde auf einer sortenreinen Palette erkannt und gegriffen. Ein Roboter schichtet die Gebinde dann beispielsweise passend um.
Zum Angebot rund um das zuverlässige Greifen nahezu beliebiger Objekte gehören auch virtuelle Machbarkeitsuntersuchungen. Unternehmen erhalten Aussagen über das passende Zellenlayout, die Hardware, die Greifbarkeit vieler Werkstückgeometrien und weitere Informationen wie mögliche Taktzeiten, Verfügbarkeiten und Griffe pro Stunde.
Neben dem Greifen aus einer Kiste wird auch das Ablegen in eine Kiste immer relevanter, insbesondere durch den boomenden Onlinehandel. Das „Bin Packing“ macht dies vollautomatisiert möglich. Ohne zuvor eingelernte Objektdaten kann das Robotersystem Freiformen platzsparend und ohne Packmuster oder Vorkommissionierung greifen und sauber in einen Karton ablegen. Damit erreicht die Entwicklung eine fünf Prozent höhere Verpackungsdichte bei deutlich reduzierten Vorbereitungsaufwänden. Auch für das Bin Packing sind Machbarkeitsstudien in Simulationen möglich.
Schritt 4: Konzepte in der Produktion implementieren
Die Software Pitasc adressiert eine häufige Hürde für die Montageautomatisierung, nämlich die Variantenvielfalt und damit einhergehende hohe Programmieraufwände. Diese Aufwände machen den Einsatz von Robotik schnell unwirtschaftlich. Genau hier setzt Pitasc an: Mit der Software muss eine Montageaufgabe nicht mehr Punkt für Punkt programmiert werden. Stattdessen erfolgt die Programmierung relativ zum Werkstück strukturiert und modular basierend auf Daten, die Sensoren am Roboter liefern. Vorgefertigte, wiederverwendbare Programmmodule helfen dabei, knifflige, kraftgeregelte Montageanwendungen schneller als bisher umzusetzen, und ermöglichen eine effiziente Anpassung an neue Varianten. „So können zum Beispiel die Position des Roboters, die Vorrichtungen und sogar der Endeffektor ohne Neuprogrammierung gewechselt werden“, erklärt Anwar Al Assadi, Gruppenleiter am Fraunhofer-IPA, die Vorzüge der Pitasc-Lösung.
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Montageplanung
Zeit und Geld bei der Montageplanung sparen
Einen anderen Ansatz für eine bessere Planung und Durchführung einer Montage verfolgt die auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Software „Assemblio“ Assembly Suite. Sie analysiert und wertet CAD-Step-Dateien aus, die jedes CAD-System generieren kann. Sie liefern der „3D-Analyse-KI“ alle notwendigen Informationen, um strukturierte Montageinformationen präzise abzuleiten. Der „Assembly Composer“ liest die extrahierten Montageinformationen ein und speist sie in ein Tool für die Montageplanung ein. Dieses zeigt relevante Informationen grafisch an, sodass die Montage einfach und fehlerfrei planbar ist. Die KI-Montageassistenz „KIM“ erstellt kostengünstig Montageassistenzen, z. B. in 2D oder 3D zur interaktiven Unterstützung des Personals. Erste Nutzerstudien zeigen eine Zeitersparnis von bis zu 92 Prozent, wenn Assemblio zum Einsatz kommt. Ab Juli dieses Jahres wird die Software kommerziell verfügbar sein.
Ein drittes Beispiel für erfolgreiche Anwendungsrealisierungen ist das System Cape, ein flexibles Reinraumsystem, das eine Luftreinheit der ISO-Klassen 1 bis 9 realisiert. Es lässt sich innerhalb weniger Stunden bzw. weniger Tage aufbauen und in Betrieb nehmen. Das neueste Mitglied der Produktfamilie ist das Dry-Clean-Cape. Es schafft nicht nur eine reine Produktionsumgebung, sondern gleichzeitig auch eine mit sehr geringer Luftfeuchtigkeit, beispielsweise einem Taupunkt von -50 °C. In der Batteriezellenproduktion ist das Dry-Clean-Cape bereits im Einsatz, aber auch für die Automobilproduktion oder die Luft- und Raumfahrt ist die Technologie entscheidend.
Fraunhofer IPA auf der Automatica 2023: Halle A4, Stand 321 (Gemeinschaftsstand der Fraunhofer-Gesellschaft)
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