Sensorik Sichere Mensch-Roboter-Kollaboration braucht neue Sensorlösungen
Mensch und Roboter können Kollegen sein – wenn die Sicherheit stimmt. Mit bisherigen Sensorlösungen lässt sich die Umgebung jedoch nicht intelligent abdecken. Für eine zuverlässige und sichere Mensch-Roboter-Kollaboration haben Forscher nun miniaturisierte optische Sensoren sowie Ultraschallsensoren entwickelt.
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Die kognitiven und flexiblen Fähigkeiten des Menschen kombiniert mit der Präzision und Ausdauer von Robotern ergibt eine hohe Produktivität. Deshalb sollen Mensch und Roboter in Zukunft enger zusammenarbeiten. Die Voraussetzung für eine solche Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) ist jedoch ein hohes Maß an Sicherheit. Welches bisherige Sensorlösungen für eine vollumfängliche Umgebungserkennung so nicht erfüllen konnten. Doch: Warum sind aktuelle Sensorlösungen nicht ausreichend? Und: Welche Neuentwicklungen bei der Sensorik gibt es für MRK?
Bisherige Sensorsysteme und ihre Hürden
Aktuell verfügbare Sensorsysteme zur Umgebungserkennung bieten derzeit drei Möglichkeiten, wie der Kontakt zwischen Mensch und Maschine erfasst werden kann:
- Direkte oder indirekte Kraftsensoren,
- 3D-Kameras,
- kapazitive Sensoren.
Die Hauptproblematik dieser Systeme liegt häufig in der fehlenden Redundanz verschiedener Sensorprinzipien. Hierdurch kann eine Fehldetektion auftreten. Zum Beispiel weil ein kapazitiver Sensor keine Körper mit geringer Dielektrizitätskonstante (z. B. Kunststoffe) erkennen kann. Weiterhin decken die Sensorsysteme meist nur einen begrenzten Raum der Maschine ab. Es wäre jedoch wünschenswert, wenn alle Zonen mit einer kompletten Detektion aller Körper im Umfeld abgedeckt werden könnten. Zudem ist es oft aufwendig die Sensoren einzurichten und es sind gute Kenntnisse der Maschinenumgebung notwendig.
Eine sichere Umgebungserkennung für die Mensch-Roboter-Kollaboration erfordert deswegen integrierte, vernetzte, redundante und intelligente Erkennungssensoren. Solche Sensoren hat nun das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS in Form von optische Sensoren sowie Ultraschallsensoren entwickelt.
Optische Sensoren: Scanning-Lidar-Systeme für MRK
Optische Lösungen für die Umgebungserfassung werden mittels 3D-Kamerasystemen oder Lidar erreicht. Hierbei haben die Lidar-Systeme, Light Detection And Ranging, den Vorteil einer höheren Tiefenauflösung gegenüber klassischen 3D-Kamerasystemen und einer direkteren Entfernungsmessung. Lidar ist eine Technologie mit der Abstände und Geschwindigkeiten durch die Beleuchtung eines Objektes mittels gepulster Laserstrahlen gemessen werden. Aktuell eingesetzte Lidar-Systeme für die Industrie basieren auf rein mechanisch makroskopischen Spiegelsystemen. Sie sind extrem groß und preisintensiv. Dies limitiert den Einsatzbereich.
Solid-State-Lidar-Systeme (SSL) bieten sich als Alternative an. Basierend auf Mikrosystemen sind sie kleiner, günstiger und robuster als rein mechanische Lidars. Aktuelle Entwicklungen bei Lidar-Systemen stellen die Reichweite, die Auflösung, das Field-of-View (FOV) sowie die fehlerfreie Detektion des reflektierten Lichts dar.
Das Fraunhofer IPMS hat sogenannte Scanning-Lidar-Systeme entwickelt. Diese Systeme erfassen die Umgebung punkt- oder zeilenweise und werden insbesondere zur Abstands- und Geschwindigkeitsmessung von weiter entfernten Objekten eingesetzt. Die entwickelten Mikroscannerspiegel sind hochminiaturisierte MEMS, Mikro-Elektro-Mechanisches System, und bilden die Lichtablenkeinheit. Sie zeichnen sich vor allem durch einen großen optischen Scanbereich, hohe Abtastfrequenzen und einen zuverlässigen Betrieb aus. Infolge des elektrostatischen Antriebs im resonanten Betrieb lassen sich in Abhängigkeit der Resonanzfrequenz große optische FOV erreichen. Zusätzlich garantieren Bauelemente aus Silizium einen robusten Betrieb.
Mit kombinierten Scannerelementen größere FOV erreichen
Durch die Kombination mehrerer Scannerelemente lassen sich noch größere FOV erzielen und gleichzeitig eine adaptive Abtastung erreichen. Adaptiv heißt, dass der Bildausschnitt dem jeweils relevanten Bereich schnell angepasst werden kann, entsprechend der im menschlichen Auge befindlichen Fovea, die dafür sorgt, dass wir kleine Ausschnitte eines Übersichtsbildes scharf sehen. Softwarealgorithmen analysieren ein schnell erfasstes 3D-Übersichtsbild und lenken den Scanner auf interessante Bildausschnitte, sodass diese in hoher Auflösung abgetastet werden können. Damit wird es möglich, in kurzer Zeit situationsbezogen hochwertige 3D-Scandaten zu gewinnen.
Miniaturisierte Ultraschallsensoren sind gefragt
Ultraschallsensoren werden bereits heute in zahlreichen Anwendungsgebieten für die Umgebungsüberwachung und Objekterkennung eingesetzt. Zum Beispiel bei Einparkassistenzen in der Automobiltechnik, Anwesenheitsdetektion und Füllstandmessung in der Fabrikautomatisierung sowie bei der Entwicklung mobiler Roboter. Die Ultraschallsensoren decken dabei Distanzen im Bereich weniger Zentimeter bis einiger Meter ab. Das Messverfahren beruht auf dem Senden von Ultraschallwellen und der Detektion von Echosignalen aus der Umgebung. Aus der Laufzeit und der Amplitude des reflektierten Signals sowie einer Frequenzverschiebung werden quantitative Aussagen über Abstände und Bewegungen von Hindernissen innerhalb der Sensorreichweite abgeleitet.
Ultraschallverfahren zeichnen sich im Vergleich zu optischen und kapazitiven Methoden dadurch aus, dass die Abstands- und Bewegungsdetektion auch in dunklen bzw. opaken Umgebungen einsatzfähig bleibt und aufgrund längerer Signallaufzeiten mit einem geringeren Detektionsaufwand verbunden ist. Die Sensoren erfassen Objekte selbst in rauen Umgebungen zuverlässig. Da Luftfeuchtigkeit, Luftdruck sowie Partikel einen geringen Einfluss auf die Leistung haben sowie auf ionisierende bzw. intensive optische Strahlung verzichtet wird.
Ultraschallsensoren werden nächster Robotergeneration nicht
Derzeit werden Ultraschallsensorsysteme hauptsächlich durch bleihaltige Piezo-Keramiken und Kompositverbindungen mittels feinmechanischer Herstellungsverfahren realisiert. Die steigende Komplexität von Mess- und Prüfaufgaben in der MRK erfordert jedoch ein steigendes Maß an Sensorminiaturisierung und der lokalen Integration intelligenter Datenverarbeitung in Echtzeit, beispielsweise in Online-Überwachungssystemen oder der Einbettung von reaktiven Greifersystemen. Zudem ist dieser Ansatz hinsichtlich der Auflösung insbesondere im Nahdistanzbereich sowie der RoHS-Konformität eingeschränkt. Demnach werden diese Sensorsysteme den Anforderungen der nächsten Robotergeneration nicht gerecht.
Mut als vielversprechender Sensoransatz
Die mikromechanischen Ultraschallwandler (Mut) basierend auf MEMS sind ein vielversprechender Sensoransatz, um diese Hürden zu überwinden. Diese miniaturisierten Systeme profitieren von zuverlässigen Herstellungsprozessen in CMOS-Technologien, die eine kostengünstige und RoHS-konforme Produktion von Sensoren in hohen Stückzahlen ermöglichen. Muts sind für ein breites Spektrum von Ultraschallfrequenzen fertigbar, sodass applikationsspezifische Reichweiten sowie das Auflösungsvermögen möglich sind. Dabei können Sensorlösungen sowohl in einkanaligen Strukturen als auch in beliebigen zweidimensionalen Arraystrukturen gefertigt werden. Letztere ermöglichen die Anwendung von bildgebenden Verfahren zur Umgebungsüberwachung.
In Verbindung mit einer On-Chip-Sensorsteuerung und Embedded-KI, Künstlicher Intelligenz, können künftig intelligente Mut-Systeme in Sensornetzwerke zur multimodalen Umgebungsüberwachung eingebunden werden und so die kollaborative Interaktion zwischen autonomen Robotersystemen und Menschen ermöglichen.
Miniaturisierte Sensorsysteme für MRK
Die am Fraunhofer IPMS entwickelten Sensorlösungen für MRK vereinen die neuesten MEMS-Scanner-Technologien und bieten ein erweitertes Spektrum an Überwachungsmöglichkeiten. Im Vergleich zu bisherigen Systemen bieten die miniaturisierten Lösungen eine Integration und Kombination verschiedener Sensormodule in kompakten Bauräumen und auf Oberflächen. Dadurch werden neue Applikationen für das Greifen, Positionieren, dem Kollisionsschutz und der Navigation in den Domänen Service-Robotik, Professional Services sowie Machine Tending ermöglicht.
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