Führungskultur So schaffen es Firmen vom Mittelmaß zum Spitzenreiter

Autor / Redakteur: Hans-Peter Machwürth* / Sariana Kunze

Warum sind manche Unternehmen mittelmäßig und andere Spitze? Zum Beispiel beim Umsatz oder Ertrag? Oder beim Service oder im Bereich Innovation? Liegt es an der Strategie? Meist nicht! In der Regel liegt es an der Unternehmens- und Führungskultur.

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Führungskultur macht den Unterschied: Sie entscheidet darüber, ob Unternehmen Spitzenreiter oder nur Mittelmaß sind.
Führungskultur macht den Unterschied: Sie entscheidet darüber, ob Unternehmen Spitzenreiter oder nur Mittelmaß sind.
(Bild: © VIGE.co/Fotolia.com)

Warum erzielen manche Unternehmen eine Umsatzrendite von 20 Prozent und andere nur eine Rendite von fünf Prozent? Und warum steigt der Umsatz bei einigen Firmen Jahr für Jahr um 15 Prozent, während andere mühsam fünf Prozent Wachstum erzielen? Und dies, obwohl sie in derselben Branche aktiv sind und ihren Kunden weitgehend dieselben Leistungen offerieren. Die Standardantwort auf diese Frage lautet: Es liegt an der Strategie. Schaut man jedoch genauer hin, dann stellt man fest: Dass die Strategie stimmt, ist für den Erfolg eines Unternehmens zwar wichtig. Doch dafür, wie erfolgreich es ist, ist ein anderer Faktor entscheidend: die Unternehmens- und Führungskultur. Denn faktisch sind die strategischen Optionen der Unternehmen meist sehr begrenzt. Schließlich haben sie eine gewachsene Kultur, Struktur und Kompetenz. Zudem bewegen sie sich im selben Marktumfeld wie ihre Mitbewerber. Entsprechend gleichlautend klingen oft ihre strategischen Grundaussagen. Die Unternehmen unterscheiden sich aber darin, wie schnell sie aus Erkenntnissen die erforderlichen Schlüsse ziehen und wie konsequent sie diese umsetzen. Und dies ist eine Frage der Unternehmens- und Führungskultur. Häufig beobachtet man in Unternehmen, dass deren oberste Führung strategische Ziele definiert. Zum Beispiel: Wir wollen in drei Jahren ein Drittel unseres Umsatzes mit Serviceleistungen erzielen. Daraufhin ermitteln die Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern, was dies für deren Arbeit bedeutet. Zudem vereinbaren sie, was es zu tun gilt, damit ihr Bereich den nötigen Beitrag zum Erreichen der Ziele leistet. Doch dann kehren die Beteiligten zur Alltagsarbeit zurück und wenige Tage später sind die Vereinbarungen vergessen. Dieses Phänomen beobachtet man in vielen Unternehmen. Unter anderem, weil ihre Mitarbeiter gelernt haben: „Nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird.“ Deshalb hat sich in ihnen eine Kultur der Inkonsequenz und „tolerierten Mittelmäßigkeit“ entwickelt. Das heißt, die Organisation erbringt keine Top-Leistungen mehr. Sie versinkt allmählich im Mittelmaß.

Mit viel Toleranz im Mittelmaß versinken

Eine Ursache hierfür ist: Viele Führungskräfte sind sich ihrer zentralen Aufgabe nicht ausreichend bewusst. Sie lautet: Sicherstellen, dass ihr Bereich seinen Beitrag zum Erreichen der Ziele des Unternehmens leistet. Dieser Aufgabe ordnen sich alle anderen Führungsaufgaben unter. Deshalb setzt der Aufbau einer Kultur in Unternehmen in der Regel ein Umdenken der Führungskräfte voraus. Ihr Handeln muss sich stärker an der Maxime orientieren: Getroffene Entscheidungen werden umgesetzt. Zudem muss sich ihr Verhalten stärker an den Zielen und Vereinbarungen orientieren. Zu den Kernaufgaben von Führung zählt es auch, mit den Mitarbeitern aus den übergeordneten Zielen abzuleiten, was diese für deren Verhalten im Alltag bedeuten. Zum Beispiel: Wie sollen künftig Angebote gestaltet und nachgefasst werden? Oder: Was tun wir, wenn wir einen Termin nicht halten können? Außerdem ist es eine Kernaufgabe von Führung, mit den Mitarbeitern Meilensteine zu definieren, die es auf dem Weg zum großen Ziel zu erreichen gilt; des Weiteren regelmäßig zu kontrollieren, ob sich ihr Bereich noch auf dem rechten Weg befindet. Sonst können sie letztlich nur das (Nicht-)Erreichen der Ziele konstatieren. Spricht man mit Führungskräften hierüber, dann antworten sie oft: „Das tue ich doch.“ Fragt man jedoch genauer nach, dann zeigt sich meist, dass sich ihr Führungshandeln auf folgende Mitarbeitergruppen konzentriert:

  • die Low-Performer – also die Mitarbeiter, deren Arbeitsverhalten und -einstellung nicht den Erwartungen entspricht, und
  • die High-Performer – also die Mitarbeiter, die fachlich fit und hochmotiviert sind und wenn nötig auch eigenständig neue Problemlösungen erarbeiten.

Den Fleißigen mehr Beachtung schenken

Wenig Beachtung schenken Führungskräfte jedoch meist den Fleißigen, die kompetent und ausdauernd sowie ohne große Forderungen zu stellen, ihre Arbeit verrichten. Sich mit diesen Mitarbeitern zu befassen, ist für viele Führungskräfte nicht nötig. Sie funktionieren ja. Dabei bestünde hierzu durchaus Anlass. Denn die Fleißigen machen in der Regel ca. zwei Drittel der Beschäftigten aus. Sie sind das Rückgrat jedes Unternehmens. Und sie leisten aufgrund ihrer Zahl und Zuverlässigkeit den größten Beitrag zum Erfolg jeder Organisation. Also sollten Führungskräfte diesen Mitarbeitern auch die verdiente Beachtung schenken – auch wenn es darum geht, die Leistung ihres Bereichs zu steigern. Zum Steigern ihrer Leistung sind die fleißigen Mitarbeiter in der Regel fähig und bereit. Unter drei Voraussetzungen:

  • Die Führungskraft nimmt die Fleißigen überhaupt wahr,
  • sucht den Dialog mit ihnen und
  • stellt realistische Anforderungen.

Anders ist es, wenn Führungskräfte Mitarbeiter mit einer unrealistischen Forderung konfrontieren wie „Im kommenden Jahr müssen Sie 50 Prozent mehr Umsatz erzielen“. Eine solche Forderung wird als Affront erlebt. Nicht nur, weil die Fleißigen eine solche Zielvorgabe als Ausdruck mangelnder Wertschätzung ihrer bisherigen Arbeit erfahren, sondern auch weil sie wissen: Wenn ich dieses Ziel erreichen möchte, dann bedeutet dies für mich so viel Mehrarbeit, dass ich noch abends hier sitze, wenn mein Lebenspartner die Kinder ins Bett bringt. Das heißt: Die fleißigen Mitarbeiter erleben eine solche Zielvorgabe als mangelnde Rücksichtnahme auf ihre persönlichen Interessen. Also beginnen sie (innerlich) zu rebellieren und zu opponieren. Dadurch wird das Rückgrat der Organisation geschwächt.

Realistische Ziele motivieren die Mitarbeiter

Anders reagieren Mitarbeiter jedoch, wenn sich die Führungskraft mit ihnen zusammensetzt und sagt: „Frau Maier, Sie haben bisher von 100 Angeboten im Schnitt 18 in Aufträge umgewandelt. Eine gute Quote. Erachten Sie es unter gewissen Umständen als möglich, im Schnitt 20 von 100 Angeboten in Aufträge umzuwandeln?“ Dann antwortet jeder gute Mitarbeiter „unter gewissen Umständen, ja“. So steht die Führungskraft nur noch vor der Herausforderung, mit dem Mitarbeiter herauszuarbeiten, was die „gewissen Umstände“ sind. Dies können die unterschiedlichsten Dinge sein. „Wenn ich besser im Verhandeln geschult wäre, ...“, „Wenn ich mehr Entscheidungsspielräume hätte, ...“ etc. Der Job als Führungskraft ist es dann, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Ungeachtet dessen sollte die Führungskraft am Ball bleiben – also regelmäßig nachfragen. Denn selbst wenn die vereinbarten Ziele realistisch sind, dann können diese bei dem Mitarbeiter doch ein teilweise verändertes Verhalten voraussetzen. Das heißt, er wird punktuell aus seiner „Komfortzone“ herausgerissen. Und diese zu verlassen, fällt vielen Fleißigen schwer. Also benötigen sie eine Unterstützung.

Die Spitzenkandidaten stärker einbinden

Und hier liegt in der Regel das Problem. Spricht man mit Führungskräften hierüber, dann erwidern sie meist: „Zu einem so intensiven Betreuen so vieler Mitarbeiter fehlt mir die Zeit.“ Schließlich bilden die Fleißigen die Mehrzahl der Mitarbeiter. Teilweise lässt sich dieses Problem lösen, indem man den Führungskräften vermittelt: Auch ihr müsst mehr Selbstdisziplin im Arbeitsalltag zeigen. Denn noch immer gilt: Viele Führungskräfte delegieren (anspruchsvolle) Fachaufgaben nicht konsequent genug. Die Folge: Das Tagesgeschäft frisst sie auf und Führungsaufgaben bleiben liegen. Dabei gäbe es Mitarbeiter, an die sie die Fachaufgaben delegieren könnten: die High-Performer. Hierdurch würden die Führungskräfte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – sich selbst entlasten und den High-Performern, die sich herausfordernde Aufgaben wünschen, eine Chance geben, sich zu bewähren und weiter zu profilieren. Teilweise kann zudem das Betreuen und Anleiten der Fleißigen den High-Performern übertragen werden – zum Beispiel, indem Führungskräfte gezielt aus einem High-Performer und zwei, drei fleißigen Arbeitnehmern ein Arbeitsteam bilden.

Eine Aufwärtsspirale in Gang setzen

Auch diese Möglichkeit nutzen Führungskräfte zu selten, um die Mehrzahl der Mitarbeiter in Bewegung zu versetzen und die Mehrleistung zu erzielen, die dazu führt, dass ein Unternehmen zu den Spitzenreitern im Markt zählt. Wenn eine Organisation zu den Top-Performern zählt, erwirbt sie sich mit der Zeit einen entsprechenden Ruf – in der Branche und im (Arbeits-)Markt. Damit haftet ihr ein positives Image an. Die Organisation wird so attraktiver für gute Bewerber. Also kann sie höhere Maßstäbe an neue Mitarbeiter stellen, wodurch sich das Leistungsniveau Schritt für Schritt nach oben verschiebt. Diese Spirale in Gang zu setzen, ist gerade in Zeiten, in denen gute Fach- und Führungskräfte rar sind, wichtig.

* *Hans-Peter Machwürth, Geschäftsführer, Machwürth Team International (MTI Consultancy)

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