Nachgefragt: 3 Experten zu Bildverarbeitungs-Trends – Teil 1 Symphonieorchester IBV und Automation
Die Bildverarbeitungssysteme entwickeln sich rasant weiter. Bisher meist nur als leistungsfähige Sensoren betrachtet, übernehmen sie – mit stetig steigendem Funktionsumfang – in einer zunehmend vernetzten Fertigungswelt das „Sehen“. Damit sichern sie in immer mehr Anwenderbranchen die Qualität und optimieren Prozesse. Die elektrotechnik-Redaktion hat sich umgehört, wohin das „Auge“ der Industrie 4.0 blickt.
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Die industrielle Bildverarbeitung gilt schon viele Jahre als Schlüsseltechnologie in der Automatisierung. Welche Rolle wird sie in der zukünftig stark vernetzten Industrie 4.0-Welt bzw. im „Internet of Things“ einnehmen?
Rainer Schönhaar: Industrie 4.0 wird an der Grundaufgabe der industriellen Bildverarbeitung nichts ändern – die Grundaufgabe heißt, hochmoderne Automatisierungsanlagen bezüglich der Qualitätssicherung der Fertigungsprozesse oder deren Ablaufoptimierung, zum Beispiel über den Robotereinsatz, zu unterstützen. Die Evolution findet in diesem Bereich bei den Ergebnis- und Steuerdaten statt: Kameras, Sensoren und Aktoren müssen sich miteinander „unterhalten“ – und hierbei natürlich auch zwingend verstehen. Kommunikationsschnittstellen, wie beispielsweise OPC UA, werden eingesetzt, um über ihre einfach erweiterbaren Datenmodelle die Ergebnisdaten genau auf die Bedürfnisse des Adressaten anzupassen. Bildverarbeitungssysteme – also PC-Systeme und Smart-Kameras – besitzen vom Grundsatz her neben der Bildaufnahme leistungsfähige Rechnerkerne, die bisher vorwiegend dazu verwendet wurden, ein aufgenommenes Bild aufgabenspezifisch zu analysieren. Diese Rechnerleistung lässt sich im Rahmen von Industrie 4.0 dazu verwenden, Steueraufgaben für die Kamera, aber auch für andere Sensoren im Netzwerk zu erledigen – also Aufgaben, die bisher zentral von einer Steuerung, wie zum Beispiel einer SPS oder einem PC, erledigt wurden.
Horst A. Mattfeldt: Die Automatisierungstechnik ist die notwendige Basis der vernetzen Industrie 4.0 und darf nicht das schwache Glied in der Kette sein. Das heißt: Zum einen muss ein Bildverarbeitungssystem die passende Größe sowie die passenden Schnittstellen zur einfachen Integration und Vernetzung haben, zum anderen muss die Bedienung soweit abstrahiert werden, damit jeder mit der Technologie umgehen kann. Hierbei ist es wichtig, dass die Automatisierungstechnik intelligenter wird und sich beispielsweise selbst optimiert oder konfiguriert und Selbstdiagnose erstellt. Intuitiv bedienbare Smart Kameras sind Produkte, die zeigen, wo der Weg hingeht. Sie ermöglichen es, eine Produktion zu überwachen, egal wo sich der QM, der Produktionsmanager, etc. auf der Welt befinden. Der weltweite Zugriff setzt aber Dinge voraus, die nicht vergessen werden dürfen. Nicht überall auf der Welt herrschen gleiche Infrastrukturbedingungen vor. Dementsprechend muss die Automatisierungstechnik sowohl leistungsstark als auch ressourcensparend sein, beispielsweise um Daten durch Vorverarbeitung zu filtern und damit Bandbreite zu sparen. Ressourcensparend umfasst auch den Stromverbrauch. Auch hier sind die Bedingungen unterschiedlich.
Dr. Olaf Munkelt: Gerade auch in der Industrie 4.0 wird die industrielle Bildverarbeitung eine Schlüsselfunktion einnehmen. Ein wichtiger Bestandteil von Industrie-4.0-Anwendungen ist die sichere Interaktion von Mensch und Maschine. Dies funktioniert jedoch nicht ohne „sehende Maschinen“, die 3D-Formen zuverlässig erkennen. Und mehr noch: Produktionsanlagen müssen auch vorausschauend sehen können, also den Ablauf und die Richtung der Bewegungen von Menschen, Werkstücken und anderen Maschinen richtig einschätzen. Das erhöht nicht nur die Arbeitssicherheit, sondern auch die Effizienz, da sich kostspielige Produktionsstopps von Fertigungszentren vermeiden lassen. Ein weiterer wichtiger Industrie-4.0-Aspekt: Flexible Fertigungsprozesse müssen auch bei häufig wechselnden Werkteilen und kleinen Losgrößen wirtschaftlich bleiben. Mittels IBV-Technologien lassen sich Werkstücke zuverlässig erkennen und die Produktion flexibel auf sie abstimmen. Hier steuert das Werkstück die Produktionsschritte. Dabei profitieren nicht nur Industrieapplikationen vom zuverlässigen Sehen, Erkennen und Vorausschauen mittels IBV, sondern zunehmend auch nicht-industrielle Anwendungen des „Internet of Things“.
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