Exoskelett Vier DC-Motoren sorgen für den Stützeffekt
Kompakt, drehmomentstark, dynamisch bei präziser Ansteuerung: Kleinstantriebe sind nicht nur in der Automatisierungstechnik gefragt. In Exoskeletten vom Startup Japet sind DC-Kleinstantriebe von Faulhaber die treibende Kraft beim Heben schwerer Lasten.
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Fehlbelastung und dauerhafte Überlastung der Wirbelsäule gelten mit Abstand als die häufigsten Ursachen für Rückenschmerzen. Betroffen davon sind unzählige Menschen. Krankschreibungen und Frühverrentungen sind eine Auswirkung, vor allem dann, wenn die Beschwerden chronisch werden. Die Folgekosten für Wirtschaft und Gesundheitssysteme sind enorm. Dabei wäre die Fehlbelastung eigentlich meist leicht zu vermeiden, wenn man sich an eine simple Grundregel hält: Lasten heben immer aus den Beinen heraus und nur mit aufrechtem Oberkörper. Allerdings, im Alltag ist das bei vielen Arbeiten oft leichter gesagt als getan. Wer etwa einem Patienten aus dem Bett hilft, ein Paket aus dem Lieferwagen wuchtet, in der Fertigung mit schweren Teilen hantiert oder auf dem Bau mit großen Handmaschinen arbeitet, kann seine Bewegungen keineswegs immer ergonomisch korrekt ausführen. Dann aber drückt das gehobene Gewicht unweigerlich auf die gebeugte Wirbelsäule. Der Hebeleffekt, der dabei entsteht, ist beachtlich: Je nach Grad der Beugung kann ein 10-Kilo-Paket dann durchaus mit bis zu 50 kg auf die lumbalen Bandscheiben der unteren Wirbelsäule drücken. Diese natürlichen Stoßdämpfer aus Faserknorpel sind zwar ausgesprochen zäh und widerstandsfähig, doch sie altern mit den Jahren und können zudem bei häufiger Fehlbelastung frühzeitig verschleißen. Das hat oft schmerzhafte Konsequenzen, etwa durch einen Bandscheibenvorfall.
Mit Motorkraft Bandscheiben schützen
„Wenn sich die Fehlbelastung nicht konsequent vermeiden lässt, sollte man über entlastende Maßnahmen nachdenken“, meint Antoine Noel. Der Robotik-Ingenieur hat 2015 zusammen mit Amelie Blondeaux, einer Produktdesignerin, und Damien Bratic, einem auf Wirbelsäulen spezialisierten Medizintechniker, das Unternehmen Japet im französischen Lille gegründet. „Unser Ziel war es, ein aktives Stützkorsett für die Lendenwirbelsäule zu entwickeln. Ungünstige Belastungen sollen durch Motorkraft ausgeglichen werden“. Das soll die Bandscheiben schützen. Das Ergebnis der Entwicklungsarbeit ist das Exoskelett Japet.W, ein innovative Stützkorsett für die Lendenwirbelsäule.
Japet.W besteht im Wesentlichen aus zwei Gurten, die durch vier Aktoren – je zwei pro Körperseite – miteinander verbunden sind. Der obere Gurt stützt den Rücken, der untere sitzt auf den Hüften auf. Die Aktoren sind sogenannte seriell-elastische Aktoren (SEA). Sie „spüren“ eine auf sie einwirkende Kraft und arbeiten dann mit ihrer Motorkraft dagegen. Ihre wichtigsten Elemente sind ein Motor, eine Spindel und eine Feder. Ein Potentiometer misst die einwirkende Kraft, zum Beispiel wenn der Träger des Exoskeletts sich nach vorne beugt und ein Gewicht anhebt. Dieses Messsignal steuert den Motor, der über ein Getriebe mit der Antriebsspindel gekoppelt ist. Die Spindel dreht sich und überträgt so die Motorkraft auf die Feder. Diese drückt dann vom unteren auf den oberen Gurt, stützt dadurch den Oberkörper und entlastet so die Lendenwirbelsäule. Das Maß der Entlastung kann der Träger des Exoskeletts in vier Stufen wählen. Die Steuerung und die Batterie des Geräts sind in den Doppelgurt integriert.
„Die Hüften werden durch den zusätzlichen Druck nur geringfügig belastet; ohnehin vertragen sie auch größere Gewichte ohne Probleme“, erklärt Antoine Noel. „Die Krafteinwirkung auf die Lendenwirbelsäule wird hingegen stark reduziert. Vor allem die übermäßige Belastung der Bandscheiben in einer gebeugten Position wird damit deutlich verringert oder sogar ganz vermieden. Zugleich wird auch die Haltung des Oberkörpers verbessert.“
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Als die Gründer von Japet auf einer Fachmesse den Antriebsspezialisten von Faulhaber begegneten, war das Startup zu der Zeit noch ein technisches Versuchslabor mit Sitz in einem Nebenraum einer nordfranzösischen Klinik und von serienreifen Produkten weit entfernt. In ihre ersten Testgeräte hatten die drei Jungunternehmer lärmende Billigmotoren eingebaut, die sich obendrein auch noch schlecht steuern ließen. Die Experten von Faulhaber fanden Gefallen an der Idee und unterstützten die innovative Entwicklungsarbeit durch Beratung und Gratismuster an Motoren, die der anspruchsvollen Anwendung gerecht werden konnten. „Das war ein wichtiger Beitrag, unser Produkt serienreif zu machen“, so Noel.
Rotor mit freitragender Kupferspule
Im Exoskelett Japet.W liefern jetzt vier DC-Motoren mit Edelmetallkommutierung der Serie 1524…SR die Stützkraft zur Entlastung der Wirbelsäule. Die edelmetallkommutierten Gleichstrommotoren sind bei 15 mm Durchmesser lediglich 24 mm lang, bauen also kompakt und benötigen wenig Einbauraum, was der Anwendung in einem Exoskelett natürlich entgegenkommt. Sie liefern ein Dauer-Drehmoment bis 2,8 mNm bei Drehzahlen bis 4.500 U/min. Die DC-Kleinstmotoren unterscheiden sich von herkömmlichen Ausführungen hauptsächlich durch den Rotor. Dieser ist nicht auf einen Eisenkern gewickelt, sondern besteht aus einer freitragenden, in Schrägwicklung hergestellten Kupferspule. Der leichte Rotor hat einen geringen Trägheitsmoment und rastmomentfreien Lauf, was wiederum der Dynamik zugutekommt.
Für die Kraftübertragung sind Planetengetriebe der Serie 15A mit einer Untersetzung von 52:1 zuständig. Da das Gerät naturgemäß am Körper getragen wird, der zudem entlastet werden soll, kommt es auf jedes Gramm an. Mit nur jeweils 18 Gramm pro Motor machen die Antriebe nur einen Bruchteil der Gesamtmasse aus. Trotzdem sind sie stark genug, um über einen Arbeitstag den Bandscheiben des Trägers insgesamt das Gewicht von drei bis vier Mittelklasseautos abzunehmen. Die entsprechende Ansteuerung ließ sich zudem gut in die Steuerung des Exoskeletts integrieren.
Zertifiziertes Medizinprodukt für jede Branche
Neben dem Verhältnis von Volumen und Kraft zählen für Japet aber vor allem auch Qualität und Zuverlässigkeit zu den entscheidenden Kriterien: „Das Exoskelett ist ein zertifiziertes Medizinprodukt“, erklärt Antoine Noel. „Da gelten höchste Anforderungen. Außerdem muss das Gerät seine Träger im Dauerbetrieb unterstützen, über lange Zeit und möglichst ohne jede Wartung. Das wird mit den Antrieben von Faulhaber möglich.“ Inzwischen wird das innovative Exoskelett in zahlreichen Branchen verwendet, unter anderem in der Eisenbahnindustrie, auf dem Bau und in der medizinischen Pflege. Hier überall wirkt sein Einsatz der möglichen Entstehung chronischer Rückenschmerzen entgegen. Es wird aber auch von Menschen genutzt, die dieses Syndrom bereits entwickelt haben und nach einem Weg suchen, dennoch weiterarbeiten zu können. „75 Prozent der Träger, die zuvor bei der Arbeit Rückenschmerzen entwickelt hatten, berichten von einer wirksamen Schmerzreduktion“, freut sich Antoine Noel. „Das ist aus medizinischer Sicht ein beachtlicher Wert, zumal chronische Rückenschmerzen eine sehr hartnäckige und schwer zu behandelnde Krankheit sind. Da wir alle tendenziell immer länger arbeiten und gleichzeitig das Know-how der älteren Beschäftigten immer wertvoller wird, hat das Exoskelett auch aus ökonomischer Sicht ein großes Potenzial.“
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