Nachgefragt: 9 Experten zum Thema Relais – Teil 3 Wann wird das Relais intelligent?

Autor / Redakteur: Ines Näther / Ines Stotz

„Totgesagte leben länger“ Das gilt vor allem für das gute alte elektromechanische Relais, das sich seit Jahrzehnten erfolgreich auf dem Markt behauptet. Auch in der modernen Elektronik immer mehr eingesetzt, wird es uns auch in Zukunft noch treu begleiten – oder? Wir wollten es genau wissen und haben uns zum aktuellen Stand der Dinge in Sachen Relais im Markt umgehört.

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(Bild: Weidmüller, E-T-A, Siemens)

Alles wird „intelligent“, Industrie 4.0 ist in aller Munde… Inwieweit können Relais zum Gelingen der Smart Factory beitragen. Sind „Smart-Relais“ schon ein Thema und welche Probleme ließen sich mit integrierter Intelligenz im Relais (besser) lösen?

Jürgen Steinhäuser, Leiter Vertrieb und Marketing bei Elesta: „Die Fragen der vernetzten Fabrik, der intelligenten Wohnung oder des fahrerlosen Autos sind auch immer eine Frage der Energietrennung und somit sind die Relais schon heute in diesen Zukunftsprojekten vertreten.“
Jürgen Steinhäuser, Leiter Vertrieb und Marketing bei Elesta: „Die Fragen der vernetzten Fabrik, der intelligenten Wohnung oder des fahrerlosen Autos sind auch immer eine Frage der Energietrennung und somit sind die Relais schon heute in diesen Zukunftsprojekten vertreten.“
(Bild: Elesta)

Jürgen Steinhäuser, Leiter Vertrieb und Marketing bei Elesta: Relais sind schon lange intelligent. Die ersten Automationen, denken Sie nur an so einfache Produkte wie Zeitrelais, wären ohne Schaltrelais kaum zu realisieren gewesen. Die Frage ist jedoch immer mehr, „Wo steckt die Intelligenz“. Heute ist es zumeist so, dass die Intelligenz von außen zugeliefert wird. Sei es in speziellen Ansteuerchips, Funktionalitäten die im Controller mit einprogrammiert werden oder klassische Relaisfassungen mit der Intelligenz in der Montage im Schaltschrank ‚An der Klemme‘ adaptiert wird.

Die Lösungskonzepte sind da. Integrationen in das Relais sind eine Frage der Miniaturisierung, die aber gerade mit den MEM-Technologien zu realisieren sind. Zumeist scheitert es am Preis. Die Integration der Intelligenz auf der Platine ist derzeit zumeist noch sehr viel günstiger als die Integration ins Relais. Somit sind die Fragen der vernetzten Fabrik, der intelligenten Wohnung oder des fahrerlosen Autos auch immer eine Frage der Energietrennung und somit sind die Relais schon heute in diesen Zukunftsprojekten vertreten.

Patric Groß, Geschäftsfeldmanager in der Sparte Transportation bei E-T-A Elektrotechnische Apparate: „Der eindeutige Vorteil eines smarten Relais liegt in der nachträglichen Funktionserweiterung eines bestehenden Systems.“
Patric Groß, Geschäftsfeldmanager in der Sparte Transportation bei E-T-A Elektrotechnische Apparate: „Der eindeutige Vorteil eines smarten Relais liegt in der nachträglichen Funktionserweiterung eines bestehenden Systems.“
(Bild: E-T-A)

Patric Groß, Geschäftsfeldmanager in der Sparte Transportation bei E-T-A Elektrotechnische Apparate: Smart Relais sind seit vielen Jahren auf dem Markt. Das betrifft sowohl elektromechanische und hybride Relais als auch elektronische bzw. Halbleiterrelais. Das ‚Smart‘ reicht hierbei vom integrierten Test bis zur transparenten Einbindung in einem Netzwerk. An vielen Stellen lassen sich damit flexible Systeme einfacher erstellen. Allerdings ist ein großer Teil des intelligenten, flexiblen Systems häufig bereits durch die Kontrollinstanz vor dem Relais realisiert.

Der eindeutige Vorteil eines smarten Relais liegt in der nachträglichen Funktionserweiterung eines bestehenden Systems. Ein solches Relais, egal welcher Technologie es angehört, ermöglicht es, die Erweiterung meist kostengünstiger und schneller umzusetzen als die tiefgreifende Anpassung der bestehenden Systemteile. Damit steigert es kostengünstig die Flexibilität. Diese Senkung der Gesamtsystem- bzw. Gesamtbetriebskosten ist es, was eine Idee oder Technologie voran bringt. Die reine Funktion hat wenig oder nur kurzzeitig Aussicht auf Erfolg, wenn sie nicht mindestens zur gleichen Total Cost of Ownership führt wie ohne.

Zusammenfassend gilt, dass beide Relaistechnologien weiter parallel im Markt bestehen bleiben und auch Industrie 4.0 unterstützen. Bedingt durch die wesentlich kürzere Historie der Halbleiterrelais wird deren Markt auch in nächster Zeit weiter stark wachsen. Dies aber nicht unbedingt zu Lasten der elektromechanischen Relais, denn die Anzahl der elektrischen Lasten/Verbraucher in allen Industriezeigen nimmt zu und damit auch der Relais-Bedarf, egal ob smart oder einfach.

Berthold Schlechtriemen-Proske, Prokurist sowie Leitung Marketing & Vertrieb bei Finder: „Für die nahtlose Kommunikation vom Sensor bis ins Internet, als Voraussetzung für Industrie 4.0, gibt es zurzeit noch keine Smart-Relais.“
Berthold Schlechtriemen-Proske, Prokurist sowie Leitung Marketing & Vertrieb bei Finder: „Für die nahtlose Kommunikation vom Sensor bis ins Internet, als Voraussetzung für Industrie 4.0, gibt es zurzeit noch keine Smart-Relais.“
(Bild: Finder)

Berthold Schlechtriemen-Proske, Prokurist sowie Leitung Marketing & Vertrieb bei Finder: Laut Reinhard Clemens, CEO von T-Systems, haben die großen europäischen und deutschen Unternehmen sich bisher noch nicht auf einen Standard geeinigt, um letztendlich zu einer Plattform zu kommen. Das IIC (Industrial Internet Consortium) der USA und ähnlichen Bestrebungen Chinas kommen pragmatisch voran, weil Quasi-Standards gesetzt werden. „Unsere Gründlichkeit bei Industrie 4.0 könnte zur Bedrohung werden. Am Ende gewinnt vielleicht nicht der Beste, sondern der Schnellste.“

Für die nahtlose Kommunikation vom Sensor bis ins Internet, als Voraussetzung für Industrie 4.0, gibt es zurzeit noch keine Smart-Relais. Schaltrelais mit dieser Art von Kommunikationsschnittstelle lassen auch nicht erkennen, dass sich das für Finder-Produkte kostentechnisch lohnt. Ein Relais ist und bleibt ein Single-Schaltelement. Abfragen und Auswertungen mit Einbindung im Sinne von Standards, wie Industrie 4.0, geschehen durch die Systeme in die das Relais eingebunden ist.

Andries de Bruin, European Marketing Manager bei Omron Electronic Components Business Europe: „Das intelligente Relais ist schon heute in vollem Umfang möglich – die Frage ist aber ob es für den Markt denn überhaupt interessant ist.“
Andries de Bruin, European Marketing Manager bei Omron Electronic Components Business Europe: „Das intelligente Relais ist schon heute in vollem Umfang möglich – die Frage ist aber ob es für den Markt denn überhaupt interessant ist.“
(Bild: Omron Electronic Components)

Andries de Bruin, European Marketing Manager bei Omron Electronic Components Business Europe: Das intelligente Relais ist schon heute in vollem Umfang möglich – die Frage ist aber ob es für den Markt denn überhaupt interessant ist. Relais üben schon heute in vielen ‘intelligenten’ Systemen grundlegende Funktionen aus und sind in der Lage, überwacht von einem Mikroprozessor, Funktionen, Sub- und Komplettsysteme abzuschalten und vollständig zu isolieren. Diese Intelligenz direkt in das Relais selbst einzubauen würde es jedoch um einiges teurer machen ohne seine Funktionalität groß zu verändern, da ein Relais ein System stets nur an- oder abschalten kann. Der Zukunft gehört, meiner Meinung nach, die gängige Praxis, Relais über externe Mikroprozessoren zu steuern.

Markus Bichler, Produktmanager im Bereich Komponenten bei Panasonic Electric Works Europe: „Die Anforderungen der Kunden an die Anwendungsmöglichkeiten schwanken, so dass eine Lösung für alle nur schwer umzusetzen oder zu bezahlen wäre.“
Markus Bichler, Produktmanager im Bereich Komponenten bei Panasonic Electric Works Europe: „Die Anforderungen der Kunden an die Anwendungsmöglichkeiten schwanken, so dass eine Lösung für alle nur schwer umzusetzen oder zu bezahlen wäre.“
(Bild: Panasonic Electric Works Europe)

Markus Bichler, Produktmanager im Bereich Komponenten bei Panasonic Electric Works Europe: Panasonic hat sich mit dem Thema ‚Intelligenz im Relais‘ bereits befasst, als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte - also lange vor Industrie 4.0. In den 90ern gab es verschiedene Versionen, zum Beispiel das R-Relais mit integrierten Chips zur Spulenansteuerung. Auch heute halten wir noch Patente in dieser Richtung, sehen aber die Funktionalität eher im Umfeld des Relais. So ist etwa die Lichtklemme GE-KL200 der Firma Digital Strom kaum größer als die beiden verbauten DE-Powerrelais, die gebotene Funktionalität ließe sich aber nur schwer im Relais selbst integrieren. Zudem schwanken die Anforderungen der Kunden an die Anwendungsmöglichkeiten, so dass eine Lösung für alle nur schwer umzusetzen oder zu bezahlen wäre.

Dirk Wortmann, Senior Specialist Relay Technology & Application bei Phoenix Contact Electronics: “Ob es sinnhaft ist, die Intelligenz auch in das allerletzte Schaltglied zu bringen, ist zumindest fraglich.“
Dirk Wortmann, Senior Specialist Relay Technology & Application bei Phoenix Contact Electronics: “Ob es sinnhaft ist, die Intelligenz auch in das allerletzte Schaltglied zu bringen, ist zumindest fraglich.“
(Bild: Phoenix Contact)

Dirk Wortmann, Senior Specialist Relay Technology & Application bei Phoenix Contact Electronics und Carsten Gregorius, Senior Specialist Safety bei Phoenix Contact: : Hier muss man wieder trennen. Elementarrelais - also die Relaisbauteile - zu niedrigen Kosten intelligent zu machen, dürfte sich als schwierig erweisen. Überlegungen, welche – bestenfalls intelligenten – Zusatzfunktionen unter Umständen direkt in ein Elementarrelais integriert werden können, hat es seitens der Relaishersteller schon gegeben. Entsprechende Produkte sind aber derzeit nicht erhältlich. Selbst die klassischen Koppelrelais der Relais- und Interface-Hersteller werden dem Markt wohl noch lange ohne Intelligenz erhalten bleiben. Ob es sinnhaft ist, die Intelligenz auch in das allerletzte Schaltglied zu bringen, ist zumindest fraglich, sofern die Kosten dafür in keinem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen der Anwender stehen.

Carsten Gregorius, Senior Specialist Safety bei Phoenix Contact: “Auch diese Geräte legen den Grundstein dazu, dass Industrie 4.0 und Smart Factory jeden Tag ein Stück näher rücken.“
Carsten Gregorius, Senior Specialist Safety bei Phoenix Contact: “Auch diese Geräte legen den Grundstein dazu, dass Industrie 4.0 und Smart Factory jeden Tag ein Stück näher rücken.“
(Bild: Phoenix Contact)

Allerdings gibt es eine Reihe guter Beispiele, wie Relaisprodukte im weiteren Sinn zunehmend intelligenter werden. An dieser Stelle seien nochmals die Hybrid-Motorstarter der Produktfamilie Contactron angeführt, die klassische Relaistechnik mit Halbleitern kombinieren. Neben den Funktionen Rechts- und Linkslauf umfassen die Geräte zudem ein Motorschutzrelais sowie eine Safety-Nothalt-Funktion bis Performance Level e (PL e). Auf Basis von Smart Wire DT und Gateways lassen sich diese Geräte in alle gängigen Bussysteme einbinden. Mit der wachsenden Integration von Elektronik, Netzwerktechnik und elektronischer Dokumentation wird so die Grundlage für eine zukünftige Einbindung in gemäß dem Zukunftsprojekt Industrie 4.0 aufgebaute Systeme geschaffen.

Zu den zunehmend intelligenter werdenden Relaisprodukten zählen seit langem ebenfalls die meist mehrkanaligen busfähigen Relaismodule als Komponenten verschiedener Feldbussysteme. Außerdem seien konfigurierbare Sicherheitsmodule wie das Trisafe-System von Phoenix Contact genannt, die wie die Hybrid-Motorstarter Contactron über Gateways in übergeordnete Feldbussysteme integriert werden können. Diagnose und Visualisierung sind aus der Ferne möglich. Damit legen auch diese Geräte den Grundstein dazu, dass Industrie 4.0 und Smart Factory jeden Tag ein Stück näher rücken.

Christian Knorr, Leiter Produktmanagement für Funktionsrelais und Sicherheitsschaltgeräte bei der Siemens-Division Digital Factory: „Smarte Relais, die den Status einer Maschine oder Anlage eigenständig überwachen und über eigene Diagnosefunktionen verfügen, sind bereits heute verfügbar und keine Zukunftsmusik mehr.“
Christian Knorr, Leiter Produktmanagement für Funktionsrelais und Sicherheitsschaltgeräte bei der Siemens-Division Digital Factory: „Smarte Relais, die den Status einer Maschine oder Anlage eigenständig überwachen und über eigene Diagnosefunktionen verfügen, sind bereits heute verfügbar und keine Zukunftsmusik mehr.“
(Bild: Siemens)

Christian Knorr, Leiter Produktmanagement für Funktionsrelais und Sicherheitsschaltgeräte bei der Siemens-Division Digital Factory: Überwachungsrelais verfügen heute über eigene Sensoren und Prozessoren, um die erfassten Daten auszuwerten und darauf zu reagieren. So können sie beispielsweise nicht nur Strom und Spannung messen, sondern bei entsprechender Parametrierung direkt als Fehlerstrom, Motorblockade oder Phasenasymmetrie interpretieren und darauf reagieren. In diesem Sinne sind ‚smarte‘ Relais, die den Status einer Maschine oder Anlage eigenständig überwachen und über eigene Diagnosefunktionen verfügen, bereits heute verfügbar und keine Zukunftsmusik mehr.

Darüber hinaus bietet Siemens bei Überwachungsrelais durchgängig Varianten mit IO-Link an, mit denen die Möglichkeit besteht, die im Gerät vorhandenen Messwerte oder detaillierte Diagnosen an die Steuerung zu melden. Auch die Parametrierung kann jederzeit nicht nur am Gerät, sondern auch zentral geändert und an die gerade notwendigen Überwachungsgrenzen angepasst werden. Die Überwachung erfolgt aber immer vor Ort in der Anlage, unabhängig von einer Kommunikation. Durch die Anbindung an die Steuerungsebene und übergelagerte Softwaresysteme per IO-Link lassen sich zudem mit den Daten aus den Relais umfassende Auswertungen und sogenannte Smart Data Services realisieren.

Frank Polley, Produktmanger Relaiskoppler und Halbleiter-Relais bei Weidmüller: „Auch wenn man es auf den ersten Blink nicht vermutet, ein Relais kann durchaus intelligent sein.“
Frank Polley, Produktmanger Relaiskoppler und Halbleiter-Relais bei Weidmüller: „Auch wenn man es auf den ersten Blink nicht vermutet, ein Relais kann durchaus intelligent sein.“
(Bild: Weidmüller)

Frank Polley, Produktmanger Relaiskoppler und Halbleiter-Relais bei Weidmüller: Auch wenn man es auf den ersten Blink nicht vermutet, ein Relais kann durchaus intelligent sein. Der Einsatzort von Relais kann zwischen Sensorik und Steuerung wie auch zwischen Steuerung und Aktorik sein, hier schalten Relais beispielsweise Magnetventile und Motoren. Ist solch ein Relais mit einer Kommunikationsschnittstelle versehen, so kann es problemlos Daten über sein Umfeld sowie seinen Eingangs- und Ausgangskreis per Netzwerk in einer Cloud zur weiteren Verarbeitung bereitstellen. Weidmüller hat zum Beispiel mit einem kommunikationsfähigen Signalkonverter ein vergleichbares Modul im Programm. Er wird über seine Ethernet-Schnittstelle direkt in bestehende Industrial Ethernet-Strukturen einge-bunden. Das Besondere ist, dass die ethernetfähigen Signalkonverter neben den typischen Funktionen wie Signalerfassung, -aufbereitung, -normierung und -ausgabe umfangreiche Diagnosefunktionen zur Verfügung stellen. Relais mit Kommunikationsschnittstelle könnten vergleichbare Funktionen bereitstellen. Diese ‚Geräte‘ zeigen, dass die Vernetzung der automatisierungstechnischen Komponenten einfacher und effektiver gestaltet werden kann. Die zu einem Gesamtsystem vernetzt, eine ereignisgesteuerte Übermittlung von Daten und Diagnosefunktionen unter den Netzwerkteilnehmern ermöglicht. Mit intelligenten Relais kommen wir Industrie 4.0 einen weiteren Schritt näher.

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