Künstlicher Leiharbeiter Wenn der Miet-Roboter einspringt
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Viele CNC-Werkzeugmaschinen müssen ständig überwacht und bedient werden. Fachkräftemangel, Auftragsspitzen oder Krankheit bringen Mittelständler schnell in Schwierigkeiten. Ein Mietroboter soll Abhilfe schaffen. Kann das funktionieren?

Für viele klein- und mittelständische Unternehmen rechnet sich eine Vollautomatisierung ihrer Produktionsanlagen selbst dann nicht, wenn ihre Maschinen wegen fehlendem Personal länger stillstehen“, beschreibt Dr. Arvid Hellmich, Leiter der Abteilung für technische Kybernetik am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU die Situation der Klein- und Mittelständler (KMU). Dabei ist eine Vollautomatisierung nicht nur teuer, sondern auch zu unflexibel. Welche Möglichkeiten bleiben also den KMU, um den zunehmenden Fachkräftemangel, kurzfristige Auftragsspitzen oder Krankheitsfälle kompensieren zu können?
Bei vielen Teilefertigern werden nicht automatisierbare oder nicht zur Automation vorbereitete CNC-Werkzeugmaschinen eingesetzt. Sie müssen ständig von mindestens einem Facharbeiter überwacht und bedient werden. Fehlt der Mitarbeiter, steht die Maschine still. Besonders bei Auftragsspitzen, längerer Krankheit oder auch Elternzeit ist es für KMU eine Herausforderung ihre Produktivität hoch zu halten. Dieser Problematik hat sich das Fraunhofer IWU gemeinsam mit dem Lösungsanbieter Industrie-Partner aus Coswig in Sachsen angenommen. Sie haben eine mobile Roboterzelle entwickelt, die Werkzeugmaschinen mittels intelligenter Kamerasteuerung selbständig bedient. Das Besondere: Dieser Robo Operator kann kurzfristig gemietet werden. Es ist also ein künstlicher Leiharbeiter, der für menschliche Kollegen einspringt und dessen Mietkosten nicht höher als die eines Leiharbeiters sein sollen.
Was der Roboter für Werkzeugmaschinen mitbringt
Die Zelle auf Rädern eignet sich für unterschiedlichste CNC-Werkzeugmaschinen und Montageautomaten. Er besteht aus einer manuell verfahrbaren Zelle: mit eingebautem Industrieroboter, einem integrierten Werkstückpuffersystem und einem Kamerasystem mit 2D- und 3D-Bildverarbeitung zur genauen Erfassung der eigenen Position, deren Spannmittel und der Lage der Werkstücke sowie des Puffersystems. Das universelle Werkstückpuffersystem ist mit bis zu 540 Teilen (abhängig von der Größe) ausgestattet. Dieses dient der Zwischenspeicherung von Rohteilen und fertigen Werkstücken, damit der Operator selbstständig über längere Zeit arbeiten kann.
Die mobile Roboterzelle wird neben der Werkzeugmaschine platziert. Die Konstruktion ist so ausgelegt, dass keine Bodenbefestigung oder Indexierung benötigt wird. Ein üblicher, ebener Werkstattboden ist ausreichend.
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Interview Deutscher Robotik Verband
Warum KMU Robotik-Missionare brauchen
Das Gesamtsystem wird an den jeweiligen Werkzeugmaschinen mit Spannsystem, Werkstücken, Warenträger und vorausgewählten zusätzlichen Modulen durch einen Mitarbeiter von Industrie-Partner angelernt. Laut dem Lösungsanbieter können Facharbeiter so ohne besondere Roboter-Kenntnisse die Zelle an jeder vorgesehenen Maschine innerhalb kurzer Zeit in Betrieb nehmen und selbstständig arbeiten lassen. Beispielsweise kann der künstliche Leiharbeiter Robo Operator Maschinen be- und entladen, das Spannsystem steuern, entgraten oder ein Programm starten und beenden.
Im Falle einer Störung steht ein Support-Mitarbeiter über eine Cloud-Verbindung mit einem Remoteingriff schnell zur Stelle.
Roboter mit kognitiven Fähigkeiten ausgestattet
Damit der Robo Operator das alles kann, haben die Robotik-Experten am Fraunhofer IWU ihm einiges beibringen müssen: Er „erkennt“ seine Position vor der Werkzeugmaschine dank des integrierten Kamerasystems. Damit kann er z. B. auch die Signalsäulen richtig interpretieren, die den Maschinenzustand anzeigen. Standardmäßig ist der Robo Operator mit einem Universalgreifer für ein breites Spektrum an Werkstücken ausgelegt. Er kann jedoch mit verschiedenen Greifern arbeiten und auch für spezielle Bearbeitungsschritte ausgerüstet werden. Erlernte Fähigkeiten speichert die Zelle in einer Datenbank ab. Dadurch kann der Roboter Maschinen erneut bedienen und gelernte Arbeitsschritte wiederholen.
Damit der Robo Operator Aufgaben lernen kann, muss er nicht mit der Werkzeugmaschine über Hardware oder Steuerungstechnik gekoppelt werden. „Wir haben ein fähigkeitsbasiertes Steuerungskonzept umgesetzt, durch welches Programmabläufe flexibel zusammengestellt werden können. Zudem wurden die Analysealgorithmen für die optischen Systeme so entwickelt, dass sie unter verschiedenen Beleuchtungsbedingungen funktionieren“, erklärt Hellmich die Arbeit des Fraunhofer IWU.
Preisfrage: Was der Miet-Roboter kostet
Der Robo Operator ist bereits im Einsatz und kann von Unternehmen bei IP Equipment Rental, einer Tochterfirma von Industrie-Partner, gemietet werden. Als Basismietpreis berechnet IP rund 1.000 Euro pro Woche, 3.500 Euro pro Monat und pro Quartal 8.000 Euro. Dazu kommen noch Kosten für Anlieferung, Einrichtung und Versicherungen.
Service-Leistungen für die Mietmaschine im Überblick:
- Anlieferung und Abholung,
- Einrichten und Einweisen,
- Erweiterung modular je Anforderung,
- mannloser Maschinenbetrieb über IP-Cloud Service,
- 24/7 Maschinen Leitstand Remote,
- 24/7 Bereitschaftsdienst für Entstörungen.
Mit Roboterzelle mehr Aufträge annehmen
Viele Betriebe stehen vor der Herausforderung: „Sie finden gar keine guten CNC-Fräser oder Dreher mehr. Durch unseren Robo können Mittelständler künftig auch Aufträge annehmen, die sich bisher nur für hochautomatisierte Betriebe gelohnt haben. Oder: Eigene Automatisierungslücken in der Werkshalle kurzfristig schließen“, ist sich der IP-Geschäftsführer Ralf Hock sicher: „Der Robo kann beispielsweise die ganze Nachtschicht oder das Wochenende selbstständig durcharbeiten.“
Obwohl die Roboterzelle für KMU aus dem Maschinenbau entwickelt wurde, hat auch die Automobilindustrie das Potenzial des Mietroboters für sich entdeckt. Denn laut Industrie-Partner kann der selbstständige Robo Operator den Nutzungsgrad jeder Werkzeugmaschine verbessern.
Derzeit arbeitet das Unternehmen an einem kleinen Bruder des Robo Operators, der auf eine halbe Euro-Palette passen soll. Somit soll der Mietroboter auch für verwinkelte Werkhallen und kleine Maschinen verfügbar werden.
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