Windkraft-Boom Windenergieanlagen in China setzen auf PC-based Control

Redakteur: Reinhard Kluger

In den letzten Jahren herrschte ein wahrer Windkraft-Boom in China. Nachdem die größten internationalen Windkraftanlagenhersteller Werke in China gegründet haben, wollen nun verstärkt chinesische Maschinenbauer in der Windbranche Fuß fassen. Die aus Südchina stammende Mingyang-Gruppe startete mit einer 1,5-Megawatt-Anlage und setzt dabei auf Steuerungstechnik und Branchen-Know-how von Beckhoff.

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China ist mittlerweile das Land mit den meisten Windparks. Die Gründe für den Einsatz der Windenergie sind naheliegend: Mit mehr als 1,3 Mrd. Einwohnern – das ist ca. ein Viertel der Weltbevölkerung – verbraucht China etwa 10 Prozent der weltweiten Primärenergieressourcen. Kohle ist für China die wichtigste Energiequelle, mit allen Konsequenzen, die die Kohleverstromung hat. Vor allem der hohe CO2-Ausstoß veralteter Kraftwerke sorgt für eine schlechte Umweltbilanz. Das Wirtschaftswachstum sorgt zudem für eine weitere Herausforderung: China muss mehr – und schneller – saubere und moderne Kraftwerkskapazitäten aufbauen als der Energiebedarf steigt.

Windenergie ist einer der Aktivposten im dynamischen Energiemarkt Chinas, entsprechend will man bis zu 40 GW Windenergie bis zum Jahre 2020 installiert haben. Ende 2007 waren es bereits rund 6 GW, davon allein ca. 3,3 GW im Jahr 2007.

Mingyang: Windkraftanlagen für In- und Ausland

Die in der südchinesischen Provinz Guandong heimische Mingyang Electric Group Co., die 1993 gegründet wurde, ist seit längerem auf dem Gebiet der Windenergie tätig. Im vergangenen Jahr errichtete das Unternehmen am Standort Zhanjiang, im äußersten Süden Chinas, die erste Windkraftanlage aus eigener Produktion, mit einer Nennleistung von 1,5 MW. 33 weitere Anlagen sollen folgen. Zurzeit baut Mingyang Produktionskapazitäten auf, die nicht nur den chinesischen Binnenmarkt zufrieden stellen, sondern auch den Export bedienen sollen: Im Jahr 2008 will man 72 Anlagen in die USA exportieren. Insgesamt 2.000 MW will Mingyang in den kommenden Jahren ausliefern, davon allein 1.000 in die USA. Neben dem Preis sind die Leistungsfähigkeit und die Zuverlässigkeit der Anlage die schlagenden Argumente, die für den Neuling am Markt sprechen.

Anlagenkonzept „made in Germany“

Mingyang setzt auf ein bewährtes und erprobtes Konzept, das von der Aerodyn Energiesysteme GmbH, einem in Rendsburg, Deutschland, ansässigen Ingenieurbüro stammt, das bereits seit den frühen achtziger Jahren Windenergieanlagen entwickelt. Das Leit- und Automatisierungssystem liefert Beckhoff. „Das Grundkonzept ist erprobt und wird seit Jahren am Markt erfolgreich eingesetzt“, erklärt Robert Müller, Beckhoff-Projektleiter und Branchenmanager für Windkraftanlagen, die Grundidee der Mingyang-Anlage. Die Windkraftanlage hat eine Nennleistung von 1,5 MW, bei einer Nabenhöhe und einem Rotordurchmesser von jeweils 80 Metern. Mingyang bietet die Anlage als Stark- und Schwachwindvariante sowie in einer „Cold Climate“-Version an. Die Anlage ist pitchgeregelt, drehzahlvariabel und mit einem doppelt gespeisten Asynchrongenerator ausgerüstet. Alles Features, die im Markt bekannt und erprobt sind.

Dennoch war das Projekt ambitioniert: Der Auftrag für die Entwicklung des Leitsystems wurde im Spätherbst 2006 erteilt. Bereits ein Jahr später errichtete man einen Prototypen, der im Oktober 2007 in Betrieb genommen wurde.

Steuerungskonzept für extreme Einsatzbedingungen

Die spezifischen Einsatzbedingungen von Automatisierungskomponenten in der Windenergie unterscheiden sich von denen anderer industrieller Anwendungen und setzen beim Automatisierer spezielles technologisches Know-how voraus: Raue, rasch wechselnde Umweltbedingungen und Wettereinwirkungen, wie Windstärke und Windrichtung, müssen gemeistert werden, damit die Anlagen den hohen Anforderungen an die gelieferte Stromqualität gerecht werden. Insbesondere in der südchinesischen Provinz Zhanjiang ist die Windqualität zwar in der Regel hoch und von einer gleichmäßigen Anströmung bestimmt, aber der Standort ist zugleich ganzjährig taifungefährdet. Bereits während der Errichtungsphase passierten zwei Taifune den Standort und hinterließen ihre Spuren. Windgeschwindigkeiten von deutlich über 50 m/s (180 km/h), verbunden mit starken Niederschlägen, werden hier erreicht, die die Windenergieanlagen schadlos überstehen sollen. Auch klimatisch ist die Lage am Südchinesischen Meer, etwas nördlich des 20. Breitengrades, extremer als mitteleuropäische Standorte.

„Die Steuerung muss auf solche Extrembedingungen angepasst werden“, erläutert Windkraftexperte Robert Müller und fährt fort: „Sie muss sehr schnell reagieren, die Notfallsysteme müssen redundant angelegt sein, der Sicherheitsstandard für Mensch und Anlage muss höchstes Niveau haben.“ Das Automatisierungssystem reagiert auf die Parameter der Umwelteinflüsse selbständig. Die Betriebszustände werden sowohl vor Ort als auch remote – per Daten-Fernkommunikation – überwacht und ermöglichen die Kontrolle der Anlage. Die erhobenen Daten werden gespeichert, um auch retrospektiv – etwa nach Unterbrechungen der Anlagenkommunikation – eine Grundlage zur Analyse von Störfällen zu haben.

PC-basierte Steuerungsplattform bietet Offenheit für zukünftige Entwicklungen

Basis der PC-Steuerung im Turm ist ein Embedded-PC CX1020 mit der Automatisierungssoftware TwinCAT. Das modulare CX-System ist mit einer CAN-Busschnittstelle für die Kommunikation mit dem autonomen Umrichter des doppelt gespeisten Asynchrongenerators sowie den Standardschnittstellen (USB, DVI und Ethernet TCP/IP) ausgerüstet. Weitere I/O-Stationen für die Anbindung der Sensoren und Aktoren sind über das Highspeed-Kommunikationssystem EtherCAT angebunden. Das autonome Pitchsystem mit PROFIBUS-Master wird über entsprechende Feldbusklemmen im EtherCAT-I/O-System eingebunden. Auch die Sicherheitssensoren und -Aktoren in Gondel und Turmfuß sind direkt in das EtherCAT-System eingebunden. Auf ein weiteres Safety-Bussystem kann also verzichtet werden.

In Gondel und Turmfuß können die aktuellen und historischen Betriebsdaten auf Beckhoff Control Paneln angezeigt werden. Optional ist die Einbindung der Einzelanlage in eine Parkkommunikation oder deren Anbindung an eine Leitwarte zur Fernüberwachung möglich, die aber bislang in der Anlage in Zhanjiang nicht realisiert wurde. Diese Funktionalität kann aber bei Bedarf nachgerüstet werden.

Neben den Automatisierungskomponenten lieferte Beckhoff auch die Applikationssoftware und unterstützte die Mingyang-Ingenieure bei der Inbetriebnahme. Da das Applikationsprogramm offengelegt ist, kann Mingyang die Software eigenständig anpassen und weiterentwickeln – ein großer Vorteil der offenen PC-basierter Steuerungstechnik.

Mit der Nutzung von Windows als Betriebssystem und Ethernet als Kommunikationsplattform erschließen sich, was die Geschwindigkeit der Kommunikation und der Datenverarbeitung angeht, neue Potenziale. Kontroll- oder Kommunikationskomponenten, wie Notebooks, sind jederzeit anschließbar. Sämtliche Komponenten können bei zukünftigen Weiterentwicklungen gegen Baugruppen ausgetauscht werden, die den jeweils neuesten Stand der Entwicklung repräsentieren.

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