Verbandsarbeit ZVEI-Geschichte: 100 Jahre für die Elektroindustrie

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Zehn Männer gründeten vor 100 Jahren den Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V., kurz ZVEI, in Berlin. Seit dieser Zeit hat der Verband die rasante Entwicklung der Elektroindustrie begleitet.

Michael Ziesemer ist der 21. Präsident des ZVEI.
Michael Ziesemer ist der 21. Präsident des ZVEI.
(Bild: ZVEI)

Ende des 19. Jahrhunderts schließen sich im damaligen Deutschen Reich Wirtschaftszweige wie die chemische Industrie (1877) oder die Maschinenbauer (1892) in sogenannten Branchenverbänden zusammen. Sie hatten es sich zur Aufgabe gemacht, die Interessen ihrer Mitglieder durchzusetzen. Eine Branche blieb jedoch von dieser Entwicklung vorerst unbeeindruckt: die Elektroindustrie. Im August 1914 veränderte der Erste Weltkrieg die Lage, ein „Kriegsausschuss der Deutschen Industrie“ wurde gegründet, um die Rohstoffversorgung und die industriellen Produktivkräfte zusammenzufassen. Hierfür wurden dann im Jahr 1916 für die maßgebenden Industriezweige entsprechende Gremien gegründet. Somit auch der Kriegsausschuss der Elektrotechnischen Industrie. Er sollte die Elektroindustrie gegenüber den zuständigen Behörden vertreten.

Die zehn Gründungsmitglieder des ZVEI
Eingetragener Verein
  • Dr. Hugo Cassirer (Dr. Cassirer & Co. AG, Berlin; 1941 umbenannt in Märkische Kabelwerke AG)
  • Felix Deutsch (AEG, Berlin)
  • Dr. Heinrich Garbe (Deutsche Elektrizitätswerke zu Aachen, Garbe, Lahmeyer & Co.)
  • Adolf Haeffner (Voigt & Haeffner AG, Frankfurt am Main).
  • Dr. Jacobus Hissink (Bergmann-Elektricitätswerke AG, Berlin)
  • Dr. William Meinhard (Deutsche Gasglühlicht AG, Berlin; 1938 umbenannt in Deutsche Auergesellschaft AG)
  • Dr. Paul Meyer (Dr. Paul Meyer AG, Berlin)
  • Dr. Erich Sieg (Accumulatorenfabrik Gottfried Hagen AG, Köln)
  • Carl-Friedrich von Siemens (Siemens & Halske AG/Siemens-Schuckertwerke GmbH, Berlin)
  • Dr. Georg Wolf (C. Lorenz AG, Berlin)

Zehn Industrielle, zehn Unterschriften

Zu seinen Aufgaben gehörten vor allem die Sicherstellung des Rohstoffbedarfs, Rohstoffverteilung, Auftragslenkung und gemeinsame Preisstellung gegenüber den staatlichen Stellen. Vorsitzender dieses Ausschusses war Carl Friedrich von Siemens, der jüngste Sohn von Werner von Siemens, der sich für ein entsprechendes Pendant der deutschen Elektrobranche einsetzte. Doch die Interessen der einzelnen Konzerne lagen zu weit auseinander, so dass innerhalb des Kriegsausschusses im Dezember 1917 unter dem Vorsitz von Carl Friedrich von Siemens eine Kommission gebildet wurde, die eine Satzung für einen Branchenverband ausarbeiten sollte. Gesagt, getan: Drei Monate später, am 5. März 1918, trafen sich zehn Industrielle aus dieser Branche noch während des Krieges im Hotel Bristol in Berlin zu einer Sitzung. Auf der Tagesordnung stand der Punkt 'gegebenenfalls Gründungsversammlung für den neuzugründenden eingetragenen Verein'. Im Rahmen der Mitgliedersitzung setzen die zehn Männer ihre Unterschrift unter ein Protokoll mit beigefügter Satzung und verständigten sich so auf die Errichtung eines Zentralverbandes. Erster Vorsitzender des Verbandes war Carl Friedrich von Siemens. Bereits ein Jahr nach seiner Gründung repräsentieren die Mitgliedsfirmen 95 Prozent aller Arbeiter und Angestellten der deutschen Elektroindustrie. In der Zeit des Nationalsozialismus wird der ZVEI in eine ständische Zwangsorganisation überführt. Erst am 24. Februar 1949 kann der Verband in Frankfurt am Main neu gegründet werden.

Interview ZVEI-Präsident: „Wir wollen gestalten, nicht bewahren“
Elektrifizierung

Herr Ziesemer, nicht nur elektrotechnik AUTOMATISIERUNG feiert in diesem Jahr das 100. Jubiläum, auch der ZVEI blickt auf 100 Jahre Verbandsgeschichte zurück. Was sind die großen Meilensteine des ZVEI?

Michael Ziesemer ist der 21. Präsident des ZVEI.
Michael Ziesemer ist der 21. Präsident des ZVEI.
(Bild: ZVEI)

Die Meilensteine der Verbandsgeschichte sind eng verwoben mit der Geschichte der gesamten Branche. Vieles, was heute möglich ist, wäre ohne die Innovationen der Elektroindustrie nicht denkbar. Seit der Erfindung der Glühbirne prägt die Branche das Leben von Menschen. Uns freut, dass wir in fast allen Arbeits- und Lebensbereichen unterstützen: Wir sind auf dem Weg zur Arbeit, am Arbeitsplatz und im Privaten an zahlreichen Stellen vertreten – denken Sie nur an E-Auto, Laptop, Kühlschrank oder Smart-TV. Innovation entsteht nicht aus Selbstzweck. Der ZVEI ist seit seiner Gründung ein Verband, der sich mit seiner technologischen Kompetenz auch in die gesellschaftliche und politische Diskussion einbringt. Wir wollen gestalten, nicht bewahren. Meilensteine sind dabei wichtig, denn sie setzen die Planken für den weiteren Weg. Mit dem Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 (RAMI 4.0) haben wir einen solchen Standard gesetzt. Auf dieser Basis nehmen wir weiter die Zukunft fest in den Blick: Diese liegt in offenen Plattformen und tragfähigen Kompromissen, die wir mit verlässlichen Partnern auch künftig vertrauensvoll aushandeln. Der digitale Wandel kann nur vernünftig für alle gestaltet werden, wenn wir Märkte nicht abschotten, sondern zusammenarbeiten.

Was waren die größten Hindernisse in der Verbandsgeschichte? Und: Welche Hindernisse gibt es heute?

Die Rolle von Verbänden ist, Hindernisse, die einzelne nicht allein überwinden können, gemeinsam anzugehen. Auf alten Errungenschaften dürfen wir uns dabei nicht ausruhen. Heute stehen wir erneut vor einer Reihe von Herausforderungen, die wir als längst überwunden empfunden hatten – aktuelle Beispiele dafür sind der Handelsstreit mit den USA und der Brexit. Wichtig ist, dass wir als Industrie und als Verband selbst Position beziehen. Demokratisch legitimierte Herrschaft, offene Märkte sowie partnerschaftliches Miteinander in Deutschland, Europa und der Welt sind mit Blick auf die Geschichte nicht garantiert. Das müssen wir uns immer wieder ins Bewusstsein rufen und für unsere liberale Werteordnung eintreten. Mehr, als wir es derzeit tun. Bereits 1925 sagte Hans von Raumer, der damalige Hauptgeschäftsführer des ZVEI: 'Die Zukunft der einzelnen europäischen Nationen kann nicht mehr durch Verschärfung der Gegensätze zu ihren Nachbarn, nicht durch eine noch so schwere Waffenrüstung, nicht durch Absperrung der Grenzen gegen Verkehr und Güteraustausch, sondern nur durch Zusammenarbeit wirtschaftlich, kulturell und politisch sichergestellt werden. Die Voraussetzungen in den Seelen der Nationen sind dafür gegeben, es gibt gute Europäer in allen Ländern und in großer Zahl, sie müssen sich nur dessen bewusst werden und danach handeln.' Heute blicken wir auf 70 Jahre Frieden und Zusammenarbeit in Europa zurück. Das dürfen wir nicht leichtsinnig riskieren. Handelskriege kennen am Ende nur Verlierer. Für dieses Verständnis gilt es erneut zu werben, gerade bei unseren Partnern in den USA und in Großbritannien. Aber auch an weiteren Stellen brauchen wir das Engagement der Elektroindustrie und ihrer Partner. Uns mangelt es an Fach- und Nachwuchskräften – besonders für Facharbeiterinnen und Ingenieurinnen müssen wir als Branche attraktiver werden.

Herr Ziesemer, Sie sind nun mittlerweile der 21. ZVEI-Präsident. Was ist das für ein Gefühl, Teil der Verbandsgeschichte zu sein? Wie sehen Ihre Ziele als Präsident aus?

Das ist ein gutes Gefühl. Vieles von dem, was für uns heute selbstverständlich ist, haben meine Vorgänger durch ihren Einsatz, Mut und den Glauben an eine einmalige Branche bewirkt. Nicht Mensch oder Roboter, sondern Mensch und Roboter lautet die Herausforderung. Auch Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz werden den Menschen nicht an den Rand drängen. In diesen spannenden Zeiten, in denen uns der digitale Wandel täglich vor neue Herausforderungen stellt, möchte ich als ZVEI-Präsident beitragen, die digitale Zukunft für Menschen zu gestalten. Wichtig ist des Weiteren, dass wir Europa als unseren Heimatkontinent begreifen. Europa ist eine Erfolgsstory, aber wir müssen gerade jetzt mehr tun, damit diese Story neue Kapitel erhält. Beispielsweise der digitale Binnenmarkt. Er ist Voraussetzung, um auch künftig international erfolgreich zu sein. Schließlich müssen wir die Energiewende umsetzen, in Deutschland und Europa. Gerade die Elektroindustrie hat viel anzubieten, um das Klima effektiver zu schützen. Z.B. wird Digitalisierung dem Klimaschutz neuen Schub verleihen.

Die Digitalisierung verändert die Welt und auch den ZVEI. Wo geht die Reise hin?

Der Weg, die Welt zu elektrifizieren, ist noch lange nicht zu Ende. Effizient, ressourcenschonend und nachhaltig, sicher ist, elektrische Energie wird weiter immer wichtiger. Wir sind Tag für Tag gefordert. Das hält jung! Und das ist gut so, denn die Elektrifizierung hat die besten Jahre noch vor sich – genau wie die Elektroindustrie und ihr Verband. Auch die Politik müssen wir weiterhin fordern. Bundesminister Peter Altmaier hat es auf dem ZVEI-Festakt richtig gesagt: 'Wir müssen das große Zukunftsthema Digitalisierung jetzt gemeinsam in Europa vorantreiben.' Denn: Digitalisierung erfolgt nicht nur in den Fabriken. Sie trifft uns nicht nur im Arbeitsleben, sondern auch in unserem Alltag, in unserem Zuhause. In den letzten 100 Jahren haben wir viel geleistet. Ich bin mir aber sicher, das Meiste liegt noch vor uns.

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100 Jahre Fortschritt und Beschäftigung

Heute zählen etwa 1.600 Mitglieder aus der Elektroindustrie zum Verband. Über die fünf Leitmärkte Energie, Gebäude, Gesundheit, Industrie und Mobilität hinweg spannt sich das ZVEI-Netzwerk. In 100 Jahren Verbandsgeschichte steht der ZVEI seit jeher für Fortschritt und Beschäftigung, aktuell beschäftigt die Branche rund 868.000 Arbeitnehmer im In- und 736.000 im Ausland.

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