Quantencomputer Forschung am Rechner der Zukunft
Quantencomputer stellen herkömmliche Computer mit ihrer Rechenleistung meilenweit in den Schatten, aber noch steckt die Entwicklung in Kinderschuhen. Informatiker Sevag Gharibian will zu mehr Verständnis für Quantensysteme beitragen.
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Quantencomputer sind der nächste große Schritt in der Entwicklung der Computertechnik – sie stellen mit ihrer Leistung selbst die besten Superrechner in den Schatten. Das gelingt ihnen, da die Quantenmechanik nicht wie die klassische Mechanik den bekannten Gesetze der Physik unterliegen. Große Tec-Unternehmen wie Google, IBM und Microsoft liefern sich aktuell einen Wettkampf um die Entwicklung der Megarechner – allerdings sind Quantencomputer schwer zu bauen und zu programmieren. Jun.-Prof. Sevag Gharibian, Quanteninformatiker an der Universität Paderborn, möchte mit einem neuen Forschungsprojekt einen Beitrag zum besseren Verständnis der neuen Superrechner leisten.
Quantenmechanik vs. klassische Mechanik
Heutige Computer basieren auf der klassischen Mechanik und rechnen mit Bits. Quantencomputer funktionieren auf Basis der Quantenmechanik und rechnen mit Quanten-Bits, Qubits genannt. Während die klassische Mechanik mathematisch beschreibt, wie groß oder makroskopisch sich Objekte verhalten, widmet sich die Quantenmechanik der Welt des Allerkleinsten: Sie untersucht die mathematischen Gesetze, die bestimmen, wie klein oder subatomar Objekte wie Photonen, also winzige Lichtteilchen, agieren.
Subatomare Objekte wie Photonen oder Elektronen verhalten sich in dieser Welt des Allerkleinsten komplett anders als ihre Gegenstücke in der klassischen Mechanik, das beschreiben die Gesetze der Quantenmechanik. Gharibian erklärt: „Nehmen wir ein klassisches Objekt, etwa einen Tennisball in Bewegung: Er kann nur an einem Ort sein und einen Zustand annehmen. Kleine Objekte wie Elektronen dagegen können gleichzeitig an verschiedenen Orten und in verschiedenen Zuständen existieren.“
Qubit: Alle Zustände gleichzeitig darstellen
Für die Welt der Computer bedeutet das: Im Chip eines normalen PCs wird ein Bit durch einen Prozessor, ein klassisches Objekt, modelliert. Durch den Prozessor fließt entweder Strom oder nicht. Bei „Strom an“ nimmt das Bit den Zustand 1 an, bei „Strom aus“ den Zustand 0.
Im Quantencomputer dagegen ist der Prozessor durch beispielsweise ein Elektron, ein subatomares Objekt, ersetzt. Das Bit wird dann durch das Elektron modelliert, Teil des Elektrons und zum Qubit. Das Qubit kann wie das Bit den Zustand 1 oder 0 annehmen – aber auch gleichzeitig im Zustand 1 und 0 sein sowie in theoretisch unendlichen Zuständen dazwischen.
Warum Quantencomputer so viel leistungsfähiger sind
Genau diese auf den ersten Blick schwer greifbare Fähigkeit der Qubits macht Quantencomputer schneller und leistungsfähiger als bisherige Rechner: Für die gleiche Berechnung benötigen sie wesentlich weniger Zeit. Der Informatiker erläutert: „In einem aktuellen Computer können zwei Bits immer nur eine Zahl auf einmal darstellen – in einem Quantencomputer dagegen kann bereits ein Qubit unendlich viele verschiedene Zustände annehmen und das gleichzeitig.“
Quantencomputer nutzen außerdem das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung. So können Qubits quantenverschränkt, also miteinander verknüpft sein. Wird ein Qubit in einen bestimmten Zustand gebracht, ändert sich auch der Zustand der anderen mit ihm verbundenen Qubits, egal wie weit entfernt das Quantenpaar voneinander ist. Das geschieht mit Überlichtgeschwindigkeit. Wenn mehrere Qubits miteinander quantenverschränkt sind, kann auch der Quantencomputer mit Überlichtgeschwindigkeit und damit deutlich schneller als aktuelle Computer rechnen.
Wo Quantencomputer eingesetzt werden könnten
Den klassischen Heimcomputer wird der Quantencomputer sicherlich nicht ersetzen. Aber sie könnten künftig beispielsweise im Bereich Big Data eingesetzt werden, über Verschlüsselungsmechanismen für mehr Datensicherheit sorgen, aber auch helfen, physikalische Prozesse zu simulieren, die in der Natur vorkommen. Vor allem, wenn es darum geht, eine große Datenmenge zu verarbeiten, für die ein klassischer Rechner Jahre brauchen würde, und im Bereich der Kryptographie, punkten die Quantencomputer – beispielsweise mit dem sogenannten Shor-Algorithmus, der Mittel der Quanteninformatik nutzt.
Bislang ist allerdings vieles Zukunftsmusik, denn die Entwicklung der Quantencomputer steckt noch in den Kinderschuhen. Die Forschung an Quantencomputer nahm Mitte der 1990er Jahre Fahrt auf, als der Quantenfaktor-Algorithmus von Peter Shor Schwachstellen bei der Verschlüsselung von Daten offenbarte. Großunternehmen wie Google und Spezialunternehmen wie Ion-Q haben erste Quantencomputer auf Basis unterschiedlicher Technologien entwickelt, die über Leistungen von 50 bis 100 Qubits verfügen.
Energie der Quantensysteme richtig berechnen
Was die Entwicklung von Quantencomputern so kompliziert macht: Da sie nach anderen Gesetzen funktionieren als bisherige Rechner, braucht es neue Programmiermethoden. Und: Sie müssen aufwändig auf extrem niedrige Temperaturen heruntergekühlt werden. Hier kommt Sevag Gharibians Forschungsprojekt ins Spiel: „In unserem Projekt wollen wir Algorithmen und mathematische Beweise für Computerprobleme entwickeln, die bei mit Tiefsttemperaturen arbeitenden Quantensystemen auftreten“, erläutert der Wissenschaftler. Ein zentrales Problem bei der Entwicklung von Quantencomputern sei es beispielsweise, die Energie eines Quantensystems, das auf den absoluten Nullpunkt herunter gekühlt ist, zu berechnen, so Gharibian. Bisherige Ansätze der sogenannten theoretischen Informatik seien hier nicht effizient genug.
Gharibian wendet daher in seinem „Quantum Computing Lab“ an der Universität Paderborn verschiedene Methoden der theoretischen Informatik und der Mathematik an: „Wir setzen etwa Techniken der Algorithmen- und der Komplexitätstheorie ein, zwei Teilgebieten der theoretischen Informatik, und aus der Mathematik vor allem lineare Algebra und algebraische Geometrie“, führt der Informatiker aus. Besonders interessant für ihn ist die sogenannte Hamiltonianische Komplexität: „Dieses Spezialgebiet der theoretischen Informatik hilft uns zu verstehen, wie sich Quantensysteme verhalten, die mit Tiefsttemperaturen arbeiten.“
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