Human Machine Interface

Industrial Usability Day 2014: „Steve macht alle wuschig“

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Auch der Vorstand kann die Maschinen bedienen

Unbewusst orientierte sich Homag dabei wieder an Apple. Jobs kündigte schon vor sieben Jahren an, dass ein „revolutionäres User-Interface immer ein Zusammenspiel von Soft- und Hardware sei.“ Wie lange die Amerikaner für diese Erkenntnis brauchten, verriet der Apple-Boss damals nicht. Er sprach nur von anstrengender Entwicklungsarbeit. Ähnlich sah es bei Homag aus. Fünf Jahre nach den ersten Planungen, präsentierte das Unternehmen 2013 seine Touch-Bedienung der Kundschaft – in Lederschuhen, mit Anzug und Krawatte.

Im Vorfeld der Präsentation durfte der Vertrieb die neue Lösung testen und „selbst der Vorstand konnte die Maschine bedienen“, erinnert sich Schwendele mit einem Lachen.

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Vor einigen Monaten staunten die Apple-Nutzer nicht schlecht. Nach einer Softwareaktualisierung erstrahlten die Icons, Schieber und Apps in einem neuen Design. „Flat“ war das Stichwort. Auch die Industriedesigner haben sich mit dem Trend beschäftigt. Tom Cadera von Cadera Design aus Würzburg ist nicht nur beruflich vom Flat-Design-Trend betroffen. „Meine Frau favorisierte die ältere 3D-Darstellung auf dem iPhone“, scherzt der Würzburger Unternehmer. Und die Industrie? Cadera und die Universität Würzburg starten in diesen Tagen eine Studie zur Usability von 3D-Darstellung und Flat-Darstellung. Der Designer rät vorab: Besser zeitlos arbeiten und an Usability denken. Zusammengefasst: Nicht alles was schön ist, muss auch sinnvoll sein. Ein Mittelweg, so der Unterfranke, könnte „Almost Flat“ sein – ein dezentes 3D-Design eben. Bis zu den Studienergebnissen müssen sich die Anwender aber noch gedulden. Um mit einem Mythos allerdings aufzuräumen: Das Flat-Design wurde nicht von Apple erfunden, sondern Microsoft war der erste Softwareriese, der auf 3D-Spielerein in Windows 8 verzichtete.

Als Sonderausstattung vermarkten die Badener seitdem die Technik. Für die Touch-Funktion muss der Kunde zwischen 750 bis 1700 Euro extra auf den Tisch legen, aber die Absatzzahlen geben den Entwicklern Recht. Mittlerweile verkauft Homag die Hälfte seiner Maschinen mit der Power-Touch-Technik. Die Parallele zu Apple: Auch das iPhone macht mittlerweile mehr als die Hälfte des Umsatzes der Amerikaner aus.

Diese Entwicklung verdanken die Kalifornier auch ihrem Marketing. In der Industrie sieht es anders aus, meint Frank Konopka von Siemens. „Usability ist verkaufbar, aber schwer vermarktbar“, behauptet der Produktmanager für HMI Software.

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Aber sorgte das iPhone nicht für einen Hype? Ja, meint der VDMA. Auch er kommt nicht an Jobs-Telefon vorbei. Im Publikum geht ein Raunen durch den Saal. „Der Steve macht alle wuschig“, flüstert ein Zuhörer des Usability-Kongresses seinem Sitznachbarn zu.

Smart-Devices schlagen die Funktionen

Das würde Prof. Claus Oetter, stellvertretender Geschäftsführer des Fachverbandes Software im VDMA, wohl unterschreiben, denn er macht bei vielen Unternehmen im Maschinenbau seit einiger Zeit einen iPhone-Effekt aus. Will heißen: Durch das Smartphone von der Westküste verstehen sich Vorstand und Entwicklung das erste Mal richtig und über Funktionalität reden die Maschinen-und Anlagenbauer nicht mehr ausgiebig. Diese wird vom Kunden von jedem Anbieter erwartet, vorausgesetzt. „Gehen Sie mal auf die Messen und schauen Sie sich um, womit die Unternehmen werben – fast überall werden sie Smart-Devices-Anwendungen finden“, resümiert Oetter seine jüngsten Eindrücke von der Hannover Messe. Smart-Devices seien die Gesichter der Industrie 4.0 und die Usability ein notwendiger Baustein für die vierte industrielle Revolution, die für die deutsche Industrie zum Kassenschlager werden soll, so der Verbandsmann. „Wir verkaufen bei Usability User Experience“, bestätigt Andreas Beu von Smart HMI die VDMA-These. Deutschland könne sich einen Vorsprung erarbeiten, so Oetter, aber dafür brauche man in der Ausbildung von Ingenieuren und Informatikern noch mehr Inhalte zur Bedienbarkeit von Maschinen. Dazu kommt: Für ihn sei im Unternehmen vor allem die Kommunikation zwischen den Fachabteilungen ein wichtiger Punkt. „Teams funktionieren nicht mit Fachidioten. Usability braucht Kommunikatoren“, fordert Oetter vom Rednerpult aus. Im Zuhörerraum sitzt Helmut Schwendele und bestätigt: „Ich rede mittlerweile mehr als ich programmiere.“

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