Intelligente Kamera Wie eine Smart Camera bei Aus- und Weiterbildungen hilft
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Um mit der Digitalisierung Schritt halten zu können, müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter fortbilden. In einem firmen- und hochschulübergreifenden Projekt wurde ein neuer Ansatz getestet.

Diese Weisheit dürfte jeder schon einmal in seiner Schulzeit gehört und eventuell mit einem Augenrollen quittiert haben: „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir.“ Was einem vielleicht damals aufgrund des Alters noch nicht bewusst war: Mit dem Ende der Schule, der Ausbildung oder des Studiums hört das Pauken keineswegs auf. Die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt und der Industrie 4.0 erfordern es, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer ein Augenmerk auf Aus- und Weiterbildung richten müssen – Stichwort lebenslanges Lernen.
Die Qualität von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen hängt nicht nur vom individuellen Lerntyp ab, sondern auch von der Art der Aus- und Weiterbildung. Während Webinare, bei denen man nur zuschaut und zuhört, sich ein maximaler Lernerfolg von 50 % einstellt, können gute Seminare schon 70 % erreichen. Der beste Lernerfolg wird dagegen erzielt, wenn möglichst viele Sinne aktiviert werden. Dazu gehört auch die Haptik bzw. wenn der Lernende selbst etwas anwendet. Letzteres kann zu einem Lernerfolg von bis zu 90 % führen.
Projekt KoBeLU: Lerninhalte „begreifbar“ machen
Das ist auch die Idee hinter dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt „KoBeLU“, welches auf drei Jahre ausgerichtet war. Hinter dem Projekt selbst stehen namhafte Vertreter der Industrie und der Wissenschaft wie Audi, Mahle sowie die Universität München und die Universität Tübingen. KoBeLU steht für kontext-bewusste Lernumgebung, das heißt, an einer Station soll eine Lerneinheit interaktiv abgearbeitet werden können, die je nach Bearbeiter individuell angepasste Informationen direkt in den Arbeitsbereich projiziert.
Wird beispielsweise ein Bauteil berührt, sieht der Lernende dessen Eigenschaften und wo es angelötet werden muss. Dieser spielerische Ansatz, auch Gamification genannt, soll für zusätzliche Motivation sorgen. Die Kombination von interaktiver Projektion, Gestensteuerung, Emotions- bzw. Stresserkennung – unter Berücksichtigung des Datenschutzes – sowie Handlungsorientierung und spielerischem Ansatz soll ferner Lerninhalte tatsächlich „begreifbar“ machen.
3D-Kamera aus der Spielewelt bedingt tauglich
Naheliegend, dass die Projektpartner sich bei der technischen Umsetzung in der Computerspielewelt umschauten und mit der Kinect von Microsoft einen geeigneten Kandidaten ausmachten. Die Kinect ist eine 3D-Kamera, die bei der Spielekonsole Xbox zur berührungslosen Steuerung eingesetzt wird. Die Kinect erfasst den Spieler, sodass dieser nicht nur durch ein Gamepad, sondern komplett selbst mit dem Spiel interagiert.
Die ersten Versuche mit der Kinect waren vielversprechend und haben auch bis zu einem gewissen Maß funktioniert, jedoch stellte sich schnell heraus, dass die (3D)-Auflösung der ersten Generation bei vielen Anwendungsszenarien mit 320 × 240 Pixeln zu gering ist. Selbst die Auflösung mit 512 x 484 Pixeln der zweiten Generation der Kinect wurde als zu gering erachtet.
Industriekamera macht das Rennen
So machten sich die Entwickler auf die Suche nach einer Alternative. 3D-Kameras aus dem industriellen Bildverarbeitungsbereich wurden getestet, aber waren im Vergleich zur API der Kinect viel zu kompliziert. Durch einen Messebesuch wurden Vertreter des Projekts auf die Smart Camera Mv Blue Gemini mit der Inspektionssoftware Mv Imact Configuration Studio (kurz mvIMPACT-CS) von Matrix Vision aufmerksam. Zwar handelte es sich um eine 2D-Industriekamera, aber die Wizard-gestützten Tools und die Auflösung von 1280 x 1024 Pixeln hatten das Potenzial, den 3D-Ansatz obsolet zu machen. Denn um zu prüfen, ob ein Teilnehmer der Aus- und Weiterbildung ein Bauteil an die richtige Stelle gelötet hat, um bei dem Beispiel zu bleiben, ist nichts anderes als eine Inspektion und damit das Terrain dieser Smart Camera.
Smart Camera für Jedermann
Der Wechsel zur Mv Blue Gemini bot mehrere Vorteile. Sie wurde entwickelt, um jedem Anwender das Erstellen von Inspektionen zu ermöglichen – ganz ohne Programmier- und Bildverarbeitungskenntnisse vorauszusetzen. Dafür wurde eine übersichtliche Anzahl von „Tools“ definiert, welche den jeweiligen Anwendungszweck beschreiben und die Sprache eines Benutzers verwenden. Wizards helfen innerhalb der Tools dann, die aktuell von der Smart Camera aufgenommene Szene automatisch auszuwerten und die dafür passenden Algorithmen und bei Bedarf auch Filter auszuwählen. Damit ist gewährleistet, dass eine größere Anzahl an Personen Lerneinheiten für die Lernumgebung erstellen oder anpassen können.
Ein weiterer Vorteil ist der webbasierte Ansatz. Dadurch kann auf die Smart Camera weltweit zugegriffen werden und damit auch Lernumgebungen weltweit bespielt werden. Ideal für große Firmen, die beispielsweise ihre Weiterbildungsmaßnahmen zentral steuern möchten.
Eine Lösung für die Praxis
Die Eingliederung der Smart Camera ging zügig voran. Auch die intuitiv bedienbare und schnell zu erlernende Software haben die Entwickler in ihrer Entscheidung bestärkt, auf die Lösung von Matrix Vision zu setzen. Die Lernumgebung wurde mit der benötigten Funktionalität ausgestattet und den benötigten Inhalten gefüllt. Vorrangig kommt KoBeLU für die eigenen Auszubildenden von Audi und Mahle zum Einsatz. Jedoch soll die Lernumgebung auch externen Firmen angeboten werden. Ein mögliches, weiteres Anwendungsgebiet außerhalb der Industrie sind Pflegeeinrichtungen. Die Idee: eine Lernumgebung als interaktiver Begleiter beim Kochen.
* Dipl.-Inform. (FH) Ulli Lansche, Technischer Redakteur bei Matrix Vision, Oppenweiler
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