Da klingelt es vermutlich in den Ohren vieler Unternehmen, auch weil sie häufig erst nach Reklamationswellen auf Schwachstellen stoßen – und bei der Lösungsfindung womöglich in ihren Denkroutinen hängenbleiben. Bei neuen Produkten handelt es sich dann nicht selten nur um eine Weiterentwicklung mit ein, zwei Extra-Features. Alter Wein in neuen Schläuchen. Maker haben Ideen, zweckentfremden, probieren aus und wagen jede Menge Neues. Und dieser Freigeist steckt vermutlich in vielen von uns. Allein in den USA sollen laut Time Magazin geschätzte 135 Mio. Erwachsene zu den Makern zählen, der eine mehr, der andere weniger.
Doch in vielen Firmen schlummert dieses Potenzial. Da ist dann die Investition in Forschung und Entwicklung vielfach auf Patente getrimmt. Oder ihnen ist gar nicht bewusst, was noch so alles in ihren verdienten Mitarbeitern steckt. Seltsamerweise, denn oft handelt es sich um dieselben Firmen, die auf der Suche nach Fähigkeiten und Impulsen branchenübergreifende Entwicklungspartnerschaften eingehen, Innovations-Plattformen bauen und neue Technologien samt Startup akquirieren. Sie schicken ihre Scouts durch die Foren der Social Media oder regen Kunden an, ihre Ideen in der Produktentwicklung beizusteuern. Customer-Co-Creation etwa heißt die Strategie nicht nur der Automobilindustrie, die Kunden einzubeziehen und selbst aktiv werden zu lassen.
An dieser Stelle hinkt so manches Unternehmen vielleicht schon hinterher. „Zwar wird im Innovationsmanagement der Einbezug von Kunden und Nutzern in die Produkt- und Service-Entwicklung schon lange diskutiert“, heißt es am Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement am RWTH Aachen. Aber innovative Anwender seien schon einen Schritt weiter. Die Crux für die Platzhirsche: „Sie warten nicht mehr auf ein Unternehmen, das ihre Beiträge integriert, sondern nutzen die Potenziale eines gerade entstehenden Produktions- und Distributionssystems, um direkt unternehmerisch tätig zu werden.“ Eine eigene Fertigung aufbauen? Wozu? Der Maker an sich braucht das alles nicht. Es gibt additive Fertigungstechniken, kostengünstige Software und Open-Hardware-Lizenzen. Dazu Crowd Sourcing und Open Production. Maker Economy nennt das RWTH Aachen das, was hier an neuen Geschäftsmodellen aus der Maker-Szene heranwächst. Maker stricken die Wertschöpfungsketten um: Von Null zum Maker, dann von Maker zu Maker und schließlich vom Maker zum Markt, skizziert Deloitte den Umbau in ein neues Ökosystem.
Über 1000 offene Werkstätten weltweit
Das ist nicht nur eine neue Denke, mit der sich Firmen mit eingefahrene Strukturen womöglich schon sehr bald schwer tun werden. Die klassische Industrie spürt den frischen Wind bereits von vorn, während sich Startups vom Rückenwind der innovativen Geschäftsmodelle förmlich auf neue Märkte tragen lassen. „Von den Makern kommen nicht nur Impulse. Um ihre Ideen entsteht eine neue Art Wettbewerb, an dem sich Firmen beteiligen können“, sagt Christian Gülpen, Leiter Unternehmenskooperation und Bereichsleiter Digitalisierung am Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement der RWTH Aachen.
Die internationale Unternehmensberatung Deloitte hat bereits eine Studie vorgelegt, um die von Makern initiierten Geschäfte als Markt zu erfassen. Ein Milliardenvolumen, das sich derzeit offenbar jedes Jahr nahezu verdoppelt. Zudem hat sich im Geleitzug der Open-Source-Bewegung ein eigener Markt entwickelt, der Makern Zugriff auf Spitzentechnologie bietet. Auf rund sechs Mrd. US-Dollar schätzen Markteilnehmer wie Atmel Presseberichten zufolge das Volumen für 2017. Über 1000 dieser offenen Werkstätten mit Zugang zu Profi-Maschinen wie Laser-Cutter und CNC-Fräsen zählte die Szene weltweit bereits vergangenes Jahr. Sie bieten das, was den meisten fehlt: eine Arbeitsumgebung mit Werkzeug, Material und den sich daraus erst ergebenden unzähligen Möglichkeiten – für schmales Geld. Allen Maker-Hubs weltweit gemeinsam ist die offene Atmosphäre, in der sich jeder mit jedem austauscht, egal aus welcher Fachecke er kommt oder wie firm er oder sie ist. Eines davon ist das Fab Lab im Münchner Westend.„Hier kann man mit relativ wenig Budget einen Prototyp entwickeln“, erzählt Andreas Kahler. 28 Euro Mitgliedsbeitrag monatlich und der Zugang zu Know-how aller Fachrichtungen frei Haus. „Hier werkeln die unterschiedlichsten Leute: Ingenieure, Maschinenbauer, Modedesigner, Architekten, Software-Entwickler. Wer herkommt, tauscht sich aus, will sich von Fachfremden inspirieren lassen. Wenn man nur mit Leuten zu tun hat, die in demselben Gebiet arbeiten, lernt man nichts. Die Community ist ein wichtiger Bestandteil.“
Nicht nur Privatleute, auch Firmen nutzen hier die kleine Lege-Batterie aus 3D-Druckern mitunter für ihr Prototyping – oder inhalieren hier oder in einem der anderen offenen Werkstätten das dynamisch kreative Flair. Darauf setzt auch das kürzlich vom Gründerzentrum der TU München, Unternehmer TUM, eröffnete Maker Space in Garching mit einem Maschinenpark, von dem selbst die in Konzernen mangels Kapazitäten unterversorgten Ingenieure träumen: Metallwerkstatt, Oberflächenbearbeitung, Schweißen, diverse CAD-gesteuerte Maschinen, Vakuumformung, Spritzguss, Industrienähmaschinen, Vinyl-Cutter, Siebdruck, Lackieren, Pulverbeschichten & Co. Das war Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich einen Besuch wert.
Überhaupt weckt die Maker-Szene allerhöchstes Interesse. Barack Obama war Gastgeber einer MakerFaire im Weißen Haus. Sofern sie aufgeschlossen sind, könne es für Unternehmen also in mehrerlei Hinsicht wertvoll sein, sich mit den Makern zu beschäftigen, meint auch Gülpen. Oder anders formuliert: Riskant, wenn sie es lassen.
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