Schneider Electric im Interview Industrie 4.0: Der Kunde ist die treibende Kraft

Autor Ines Stotz |

Auf dem Weg von der Vision zur Realität wird Industrie 4.0 auf der SPS IPC Drives erneut eine zentrale Rolle spielen. Einer der Vorreiter mit bereits langer Historie bei der digitalen Transformation ist Schneider Electric. Wir sprachen mit Jürgen Siefert, Vice President Industry über die Historie, Herausforderungen und praktische Umsetzung.

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EcoStruxure for Industry macht Industriebetriebe rentabler.
EcoStruxure for Industry macht Industriebetriebe rentabler.
(Bild: Schneider Electric)

Herr Siefert, Schneider Electric bezeichnet sich selbst als Vorreiter der Digitalisierung, welche Historie steckt dahinter?

Schneider Electric ist sicher einer der Wegbereiter der digitalen Fabrik beziehungsweise Industrie 4.0. Schon in den 1990er Jahren hatten wir erste Produkte und haben mit Ethernet-basierten Lösungen die technologische Basis gelegt. Begonnen mit Modbus als offenem Standard kam anschließend Modbus TCP – ein übrigens noch immer erfolgreiches Protokoll – und wurde weiterentwickelt zu Modbus TCP/IP. Heute arbeiten wir in den Arbeitskreisen am nächsten Step mit, das Kommunikationsprotokoll OPC UA over TSN für Industrie 4.0 bzw. des Industrial Internet of Things, sprich IIoT, gemeinsam mit vielen Unternehmen zu definieren. Zudem, glaube ich, steckt dahinter oft auch die Frage: Ist Industrie 4.0 eine Evolution oder eine Revolution? Was die Voraussetzungen angeht, ist es für uns eine Evolution. Aber was auf uns zukommt und die Geschwindigkeit wie neue Lösungen umgesetzt werden, die werden dann revolutionär sein. Auch hier werden wir unseren Vorteil ausspielen, nämlich dass wir uns schon früh sehr intensiv damit beschäftigt haben und dass wir pragmatisch denken.

Welche Lösungen bieten Sie denn heute an?

Der Anspruch von den Schneider Electric sind Lösungen mit ganzheitlichem Ansatz anzubieten von der Mittelspannung bis zur Steckdose, von der Fertigung bis ins Management. Mit unserer IoT-fähigen, offenen und kompatiblen Systemarchitektur EcoStruxure verbinden wir die Kernbereiche unserer Technologien: vernetzte Produkte, Edge Control sowie Anwendungen, Analysen und Services. Anders gesagt, wir ebnen unseren Kunden den Weg in die digitale Zukunft von der vernetzten Maschine, der vernetzten Fabrik bis hin zur Cloud. Diese Strategie treibt uns bereits seit vielen Jahren voran und in den letzten zwei Jahren ist es uns gelungen, das Ganze rund zu machen.

Und was heißt rund und pragmatisch?

Die Reise ist ja schon eine ganze Zeit angetreten: von den Endkunden, den OEMs und von Zulieferern wie uns. Während anfangs viel Powerpoint produziert wurde, füllen wir langsam aber sicher das Thema bei unseren Kunden mit Leben. Denn Industrie 4.0 und die Digitalisierung sind alles andere als Selbstzweck. Wir können bereits mit EcoStruxure und ganz konkreten Use Cases erste konkrete Ergebnisse zeigen, mit klaren betriebswirtschaftlichen und qualitativen Effekten: beim Energiemanagement, der Anlagenauslastung, den Rüst- und Wartungskosten und dem Personaleinsatz. Das heißt, die Reise in die reale Welt ist angetreten.

Können Sie prognostizieren, wohin die die Reise gehen wird?

Ich glaube, das Ziel kennt noch keiner. Bildlich gesprochen laufen wir in eine Nebelwand. Spannend ist, was kommt in den nächsten 100 Metern? Das heißt, wir arbeiten auf Sicht und es ist mir zum einen besonders wichtig, dass wir in diesem Feld, was wir sehen, den Status quo mit gelungenen Praxisbeispielen abbilden. Zum anderen aber auch die nächsten 100 m zu durchdringen. Da ist es aus unserer Sicht wichtig, im Bereich Softwarelösung deutlich voranzukommen. Weil wir dafür Kompetenzen in allen Bereichen brauchen – vom Programmierer über den Informatiker bis zum Applikationsspezialisten – haben wir massiv in Personal investiert, um schnell mit unseren Kunden Lösungen zu entwickeln. So lernen wir gemeinsam mit unseren Kunden, die Anforderungen für die nächsten 100 Meter und danach zu verstehen.

Welche Anforderungen der Endkunden bzw. OEMs bei der Entwicklung intelligenter Maschinen sind denn zu beachten?

Wir müssen zuerst verstehen, was Industrie 4.0 dem jeweiligen Kunden als Nutzen stiften kann. Zunächst haben wir die unterschiedlichen Vertriebswege. Ein Team konzentriert sich auf die industriellen Endkunden, das andere kümmert sich um die OEMs. Und da schließt sich auch der Kreis, denn am Ende des Tages sind die treibende Kraft der Endkunde und dessen Nutzen von der Industrie 4.0. Wenn wir das gut verstanden haben, können wir gemeinsam mit dem Maschinenbauer Lösungen mit konkretem Nutzen entwickeln. Das kann in einem Fall ein Effizienzthema sein, in einem anderen Fall das Thema Ausfallzeiten. Uns ist es wichtig, dem Maschinenbauer und Endkunden einen großen Fundus an Möglichkeiten mit allen möglichen Freiheitsgraden zu bieten. Was er letztendlich davon nutzt, überlassen wir bewusst ihm. Wir helfen dabei, dass er das möglichst schnell und einfach realisieren kann.

Können Sie ein Beispiel beschreiben?

Gerne. An einer Verpackungsmaschine haben wir mit unserer neuen App EcoStruxure Augumented Operator Advisor eine Funktion realisiert, mit der der Endanwender direkt in seinem Werk das Paket kurz scannt und daraufhin die Maschine alle relevanten Informationen empfängt, um sich automatisch auf das neue Format einzustellen. Ausgangspunkt war die Interaktion mit einem OEM, Maschinenbediener zu entlasten. Statt sich im Fehlerfall durch hunderte Dokumentationen zu wühlen, wird er par App sofort auf die entsprechende Dokumentationsseite verlinkt. Daraus entwickelte sich die Idee der Verpackungserkennung mit der App. Beim Verkauf der Maschine an einen Kunden in Asien wurde dies zum I-Tüpfelchen. Der Endkunde sagte zum Schluss, er kauft die Maschine unter einer Bedingung: Er wolle diese Funktionalität haben. Er habe gleich noch zwei weitere Ideen, die er damit umsetzen wolle. Nun haben wir als Zulieferer und der OEM den positiven Druck, das umzusetzen. Ich glaube, das ist das beste Vorgehen, um konkrete und nutzvolle Industrie 4.0-Applikation zu realisieren. Ein paar Ideen einzubringen, aber dann sehr schnell mit den Kunden und dessen Kunden lernen, was die eigentlichen Nutzen daraus sein könnten.

Ein zweites Beispiel: Eine bereits komplett automatisierte Verpackungsmaschine sollte intelligenter, einfacher bedienbar und bei gleicher Stellfläche um Quanten schneller gemacht werden. So haben wir mit Ecostruxure eine Maschine realisiert, die dieses Jahr auf der Interpack eingeschlagen hat wie eine Bombe. Auch hier war während der gesamten Entwicklungszeit die treibende Kraft unser Kunde.

Das klingt nach viel Entwicklungsfreude, die sich mit den größeren „Early Birds“ der Digitalisierung bereits umsetzen lassen. Adressiert Schneider auch kleinere Maschinenbauer, die vielleicht auch nur zehn Mitarbeiter haben?

Natürlich, unser Slogan ist ja ‚Partner des Mittelstandes‘ zu sein. Das nehmen wir ernst und die Herausforderung an, auch mit den unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Digitalisierung voranzugehen. Es gibt bei uns das Maschinen-Integrator Partnerprogramm. Das sind Schneider Elektrik Integratoren, die trainiert werden wie unsere eigenen Leute. Sie können dann Projekte bei den kleinen Kunden komplett umsetzen, den diese heute im eigenen Hause aufgrund der kritischen Masse einfach nicht abdecken können.

Sie hatten die Software angesprochen, welche Rolle wird sie in Zukunft spielen?

Software ist überall. Und das ist auch das Thema. Die Differenzierung aus unserer Sicht wird mehr und mehr durch Software geschehen. In den drei Ebenen der EcoStruxure betrachtet, baucht man im unteren Bereich Produkte die Industrie 4.0-fähig sind, dann kommt das Thema Edge-Control, die Steuerungsebene, die die ganzen Standards wie OPC UA unterstützen müssen und schließlich Apps und Analytics. Was steckt dahinter? Software. Hier wird in der Zukunft am meisten passieren und das zeigt auch, wohin die Reise geht. Deshalb verstärken wir uns hier massiv.

Auch ein Thema was da reinspielt ist die Cloud-Nutzung. Wird dies in den nächsten Jahren trotz der Sicherheitsbedenken Akzeptanz finden?

Ja ich glaube, die Sicherheitsprobleme werden sukzessive gelöst werden. Schließlich sind die Nutzen einfach immens. Zum Beispiel cloudbasierte Programmierung. Der Programmierer arbeitet nicht mehr lokal auf seinem Rechner, sondern programmiert direkt in der Cloud. Dort ist dann die gesamte Maschinensoftware-Versionsverwaltung zu finden, damit der Servicetechniker überall auf der Welt jederzeit die richtige Softwareversion für die richtige Maschine verfügbar hat. Dieses Thema wird jeder Anwender schnell verstehen.

Wie ist Schneider Electric heute im Markt aufgestellt?

Wir sind entsprechend unserer jeweiligen ländertypischen Situation hervorragend aufgestellt. Ein Beispiel für gesetzten Marktführer ist das Thema Automatisierungslösung für Verpackungsmaschinen. Da sind wir ein richtiger Player am Markt. In der Krantechnologie haben wir inzwischen wertige Player an Bord. In Deutschland haben wir in Summe einen Marktanteil von plus minus fünf Prozent. Mit allen Facetten, von ein Prozent bis zur Marktführerschaft. Das heißt, wir sind der Challenger am Markt. Und genau so sind wir aufgestellt. Wir haben eine schlagkräftige Mannschaft, die in der Lage ist, dem Kunden zu helfen, schnell neue Ideen und Konzepte umzusetzen. Zudem stellen wir uns in jedem Land so auf, wie der Markt uns benötigt. In Deutschland und der Schweiz ist das übrigens auch ein wichtiges Thema. Hier haben wir eine sehr hohe Maschinenbaudominanz – die wollen wir bedienen, besser und schneller als andere. Deswegen investieren wir strategisch und langfristig in kompetentes Personal und natürlich in die richtigen Produkte und Lösungen innerhalb der EcoStruxure.

Apropos Personal, die Mitarbeiter sind unser Kapital. Wirklich gut beherrschen wir, die Menschen für Schneider Electric zu begeistern. Das wird uns oft auch von unseren Kunden wertschätzend zurückgespiegelt: Mittelstandsorientierung, die gelebt wird.

SPS IPC Drives: Halle 1, Stand 540

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