Datenübertragung Kostensparende Lösung mit viel Potenzial

Von Bernd Rosenbaum, Produktmanager im Bereich Automation Infrastructure, Phoenix Contact Electronics GmbH, Bad Pyrmont

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Die physikalischen Grenzen der Ethernet-Übertragung stellen eine Herausforderung dar hinsichtlich Reichweite und Geschwindigkeit. Die G.hn-Technologie hebt diese Grenzen auf: Mit ihr lassen sich über Zweidrahtleitungen Distanzen bis 1.000 Meter bei einer Datenrate bis zu 1 Gbit/s realisieren.

Gigabit Ethernet Extender mit G.hn-Technologie ermöglichen vernetzte Ethernet-Topologien über Distanzen bis zu einem Kilometer per Zweidrahtleitung oder Koaxialkabel.
Gigabit Ethernet Extender mit G.hn-Technologie ermöglichen vernetzte Ethernet-Topologien über Distanzen bis zu einem Kilometer per Zweidrahtleitung oder Koaxialkabel.
(Bild: Phoenix Contact)

Egal ob Computer, Automatisierungssteuerung, Überwachungskamera, Verkehrsregelung, Gebäudeautomation oder Haushaltsgeräte: In Zeiten der Digitalisierung wird eine stetig wachsende Zahl unterschiedlicher Geräte an das Ethernet-Netzwerk angeschlossen. Da der herkömmliche Ethernet-Standard auf typische IT-Anwendungen abgestimmt ist, stößt er im industriellen Umfeld immer wieder an seine Grenzen. In einigen Bereichen fordern die Anwender hier längere Kommunikationsstrecken und eine vereinfachte Verkabelungsstruktur. Diese Lücken, welche die aktuellen Anforderungen aufdecken, schließen neue Technologien wie SPE, APL, SHDSL oder VDSL2. Besonders hervorzuheben ist der junge Standard G.hn, der für die industrielle Nutzung bis dato kaum im Fokus stand. G.hn verfügt über Funktionen und Vorteile, die den Einsatz der Technologie für zahlreiche Anwendungsbereiche interessant machen.

Ursprünglich für die Heimvernetzung konzipiert

G.hn ist unter der Bezeichnung des zugehörigen Standards ITU G.996X bekannt. Die Abkürzung G.hn steht für Gigabit Home Networks, was verdeutlicht, dass die Technologie ursprünglich für das Umfeld der Heimvernetzung konzipiert wurde. Die Vorteile von G.hn liegen in einer hohen Datenrate bei gleichzeitig guter Übertragungsqualität auf jeder Leitung. Im Resultat steht den Anwendern ein Standard zur Verfügung, der aufgrund dieser Vorzüge in Zukunft mehr Bedeutung in Industrie-, Infrastruktur- und IoT-Applikationen erlangen wird. Bei G.hn handelt es sich um ein Trägerfrequenzverfahren, das die Datenrate dynamisch an die vorliegende Streckendämpfung anpasst sowie mit einer (Brutto-)Signalrate von bis zu 2 Gbit/s arbeitet. Zudem werden maximale Leitungslängen von 1000 Meter überbrückt. Dieser Wert übertrifft die Reichweite von Standard-Ethernet um den Faktor 10.

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Neue Ethernet-Technologien wie SPE und APL sehen ebenso wie das klassische Ethernet in ihren Standards eine feste Datenrate bis zu einer definierten Strecke vor. Leitungen, Steckverbinder und Netzwerkgeräte müssen diesen Anforderungen genügen und entsprechend genormt sein. Dies erweist sich zum einen als positiv, weil der Standard die jeweilige Datenrate für diese Distanzen garantiert. Zum anderen ist die Interoperabilität von Komponenten verschiedener Hersteller stets sichergestellt. Allerdings bedeutet es auch, dass nicht jede beliebige Reichweite überwunden respektive nicht jedes Kabel verwendet werden kann. An dieser Stelle bietet G.hn mehr Flexibilität und eignet sich daher bestens für das Retrofit von Anlagen. In puncto Netzwerkstruktur zeigt sich G.hn ebenfalls als einfacher handhabbar. Komplexe Topologien lassen sich selbst mit passiven Verbindungen umsetzen.

Einsatz der vorhandenen Verkabelung möglich

Das Besondere der Technologie besteht nicht nur in der Kombination aus Datenrate und großer Reichweite: Mit G.hn können unterschiedliche Übertragungsmedien wie Twisted Pair, Koaxialleiter oder nicht genutzte Stromkabel verwendet werden. Die Technologie erlaubt zum Beispiel den Einsatz der vorhandenen Verkabelung, sodass Aufwand und Kosten sinken. Mit der neuen Produktfamilie Gigabit Ethernet Extender hat Phoenix Contact Geräte entwickelt, welche die Ethernet- einfach auf eine G.hn-Kommunikation transformieren. Die Gigabit Ethernet Extender sind wahlweise mit Anschlüssen für Twisted-Pair-Leitungen auf eine Push-in-Klemme oder mit einer BNC-Buchse zur Anbindung von Koaxialkabeln erhältlich. Immer dann, wenn Ethernet-Verbindungen mehr als 100 Meter betragen, müssen Anwender andere Lösungen als die übliche LAN-Verbindung finden. Hier bietet sich die G.hn-Technologie als kostensparende Alternative zu Lichtwellenleitern an. Bei Verwendung der bestehenden Kupferkabel lassen sich teure Neuinstallationen vermeiden.

Direkte Versorgung über die Datenleitung

Die G.hn-Technologie der Gigabit Ethernet Extender erlaubt die Stromversorgung der Geräte untereinander sowie der angeschlossenen Netzwerkteilnehmer über die Datenleitungen. Alle Geräte verfügen über eine Funktion, die ähnlich wie bei Power-over-Ethernet (PoE) arbeitet. Dabei wird der zweite angebundene Extender vom ersten Extender über die G.hn-Datenverbindung zusätzlich mit Spannung beliefert. Die Funktion, Power-over-Link (PoL) genannt, lässt sich wahlweise aktivieren, wenn beispielsweise keine Versorgungsmöglichkeit im Feld besteht. Darüber hinaus werden durch das Wegfallen von Netzteilen und deren Montage weitere Kosten eingespart.

Ein weiterer Vorteil: Der per PoL belieferte Gigabit Ethernet Extender kann zum Beispiel eine angekoppelte PoE-fähige Kamera gemäß dem Standard 802.3at bis 30 Watt versorgen. Aufgrund des Gesamtleistungsbudgets des einspeisenden Geräts lassen sich nicht sämtliche im Netzwerk installierte Extender mit PoL beliefern. Ein Mischbetrieb ist jedoch möglich: Weitere an das Netzwerk angeschlossene Extender können lokal versorgt werden und PoE an ihre angebundenen Endteilnehmer ausgeben. Auf diese Weise lassen sich Endgeräte direkt über die Datenleitung beliefern, ohne dass die Anwender ein zusätzliches Netzteil montieren müssen.

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Aufgrund der Bandbreite und der Übertragungsdistanz eignet sich die G.hn-Technologie für Anwendungen mit hohem Datenaufkommen, wie es etwa in Videoüberwachungsanlagen der Fall ist. Wegen ihrer hohen Auflösung in HD, Full HD oder 4K erfordern die Kameras zur Weiterleitung der Bilder eine entsprechende Bandbreite. Bei professionellen Videoüberwachungsanlagen sind oftmals erhebliche Distanzen zwischen den Kameras und den am nächsten verbauten Netzwerkkomponenten zu überbrücken. In solchen Fällen reichen die beim Standard-Ethernet verfügbaren 100 Meter Kabellänge meist nicht aus. An dieser Stelle kann G.hn Abhilfe schaffen und auch weit entfernt montierte Kameras mit hohem Bandbreitenbedarf in das Netzwerk integrieren und mit Energie beliefern.

Entfernung zwischen Kamera und Rekorder bis 400 Meter

Bei älteren Überwachungsanlagen werden analoge Kameras genutzt, die über Koaxialkabel an die Zentrale angekoppelt sind. Daraus ergibt sich der Vorteil, dass die Entfernung zwischen Kamera und Rekorder bis zu 400 Meter betragen darf. Findet eine Modernisierung der Anlagen statt, ermöglicht der Einsatz von G.hn die Beibehaltung der vorhandenen Verkabelung. Lediglich die analoge ist gegen eine IP-Kamera zu tauschen. Der Anwender muss somit nicht auf eine hohe Auflösung der Videobilder verzichten.

Verglichen mit dem ISO/OSI-Referenzmodell beschreibt G.hn nicht nur den Physical Layer (erste Schicht), sondern ebenfalls den Data Layer (zweite Schicht), was den Standard deutlich von anderen Technologien wie SHDSL, VDSL und SPE abhebt. Auf diese Weise eröffnet G.hn die Option, komplexere Netzwerktopologien aufzubauen und zu managen.

Verschiedene Topologien miteinander vernetzen

Mit den Gigabit Ethernet Extendern von Phoenix Contact lassen sich Netzwerkteilnehmer in verschiedenen Topologien miteinander vernetzen. Über die einfache Punkt-zu-Punkt-Verbindung hinaus unterstützen die Geräte Linien-, Stern- und Baumstrukturen. Der Aufbau von Ringstrukturen ist ebenso realisierbar, sodass eine Redundanzfunktion umgesetzt werden kann. Dazu sind alle teilnehmenden Extender einfach parallel miteinander verbunden. Bei der Twisted-Pair-Variante erfolgt dies über die Push-in-Klemme, dagegen werden bei der Koax-Variante die üblichen BNC-T-Stücke eingesetzt. Das integrierte G.hn-Management erlaubt die Verwaltung von maximal 15 Geräten, an denen keine Einstellungen vorgenommen werden müssen: Die Gigabit Ethernet Extender lassen sich einfach per Plug-and-Play installieren. Der Anwender sollte jedoch beachten, dass sich die maximale Datenrate von 1 Gbit/s mit der zunehmenden Anzahl von Extendern verringern kann.

Die G.hn-Technologie hat ihren Weg aus dem Home-Networking-Bereich in die industrielle Applikation gefunden. Sämtliche Vorteile von G.hn werden von den neuen Gigabit Ethernet Extendern von Phoenix Contact zur Verfügung gestellt. Die Geräte ermöglichen eine flexible breitbandige Anwendung bis 1 Gbit/s über beliebige Zweidrahtleitungen und Koaxialkabel. Durch die Nutzung bestehender, bis 1000 Meter langer Leitungen spart der Anwender Investitionskosten ein. Mit der Funktion Power-over-Link (PoL) können sich die Extender untereinander versorgen, durch Power-over-Ethernet (PoE) werden angeschlossene PoE-Teilnehmer über die Datenleitung mit Spannung beliefert. Aufgrund der Plug-and-Play-Installation der Geräte ist eine flexible Netzwerkgestaltung von einer Punkt-zu-Punkt- und Linienstruktur bis zur Stern- und Ringtopologie realisierbar.

Physikalischen Grenzen von Ethernet weiter hinausgeschoben

Die Gigabit Ethernet Extender eignen sich insbesondere für die Videoüberwachung, weil moderne Videotechnik hohe Anforderungen an die teilweise ausgedehnte Netzwerkinfrastruktur stellt. G.hn erweist sich also nicht als einzige Technologie in ihrem industriellen Anwendungsbereich, markiert aber einen weiteren Schritt in der Evolution der Ethernet-Übertragung. Mit G.hn werden die physikalischen Grenzen von Ethernet weiter hinausgeschoben, was neue Perspektiven eröffnet. n

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