Koppler Mittels Luftspalt: Protokollunabhängig in Echtzeit kommunizieren
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In der Automatisierung findet die Energie- und Datenübertragung zumeist mit Steckverbindern statt. Müssen diese häufig gelöst und neu gesteckt werden, ist ihre Lebensdauer begrenzt, da Kontakte verbiegen oder verschleißen. Das führt zu ungeplanten respektive unvorhersehbaren Produktionsausfällen und regelmäßigen Wartungsintervallen. Kontaktlose Echtzeit-Kommunikationssysteme können Abhilfe schaffen.

Ein anschauliches Beispiel für den Verschleiß von Steckverbindern findet sich in der Automobilfertigung: Pro Tag kommt es hier zu hunderten von Steckzyklen zwischen einem Roboterarm und seinem Wechselwerkzeug. Dies ist in der zunehmenden Automatisierung von Prozessen begründet. Roboter müssen daher über immer mehr Fähigkeiten verfügen sowie die unterschiedlichsten Werkzeuge automatisiert steuern können.
Aufgrund der hohen Steckzyklen beim Werkzeugwechsel reduziert sich der Nutzungszeitraum der Steckverbinder deutlich, weil die Kontakte beim ständigen Austauschen „abbrennen“, verschmutzen oder sich verbiegen. Daraus resultieren Stillstandzeiten, die sich nicht voraussagen oder einplanen lassen. Als vorbeugende Maßnahme belaufen sich die Kosten für regelmäßige Wartungsintervalle schnell auf einen siebenstelligen Betrag.
Steckverbinder werden auch bei fahrerlosen Transportsystemen, Dreh- oder Rundtakttischen sowie Applikationen, die Schleifringe verwenden, oftmals ersetzt. Alle bislang verfügbaren Lösungen erweisen sich entweder als nicht ausreichend performant, fehleranfällig oder wartungsintensiv und damit entsprechend teuer im Betrieb.
Hier bietet sich die kontaktlose Übertragung von Energie und Daten über einen Luftspalt an. Dieser Ansatz erlaubt nicht nur verschleiß- und wartungsfreie Verbindungen, sondern sogar eine Weiterleitung durch Glaswände oder andere nichtleitende Medien, sodass sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten ergeben. Als Beispiel sei die kontaktlose Erschließung nicht- oder schwerzugänglicher Bereiche wie abgeschlossene Schaltschränke, Hochspannungsbereiche oder Reinräume genannt.
Bit-orientierte Vollduplex-Kommunikation
In der industriellen Automatisierung basiert die Datenübertragung heute in der Regel auf Ethernet (100 Mbit/s). Bei einigen der genutzten Protokolle – beispielsweise Profinet IRT, Sercos oder Ethercat – handelt es sich um sogenannte Echtzeit-Protokolle, die eine Kommunikation mit besonders niedriger Latenz bedingen. Als Treiber für diese Entwicklung fungieren die Herausforderungen der digitalen Produktion sowie das damit verbundene Ziel einer wirtschaftlichen Fertigung in Losgröße eins. Zudem sollen die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sowie die Effizienz über die gesamte Wertschöpfungskette – von der Entwicklung bis zum Anwender – gesichert werden.
Als erster Anbieter stellt Phoenix Contact jetzt eine kontaktlose Ethernet-Verbindung ohne nennenswerte Latenzzeiten zur Verfügung. Der Datenaustausch basiert auf einer drahtlosen 60GHz-Kommunikation im Nahfeldbereich. Auf diese Weise ist eine Bit-orientierte Übertragung möglich, wie sie zum Beispiel auch bei der Lichtwellenleiter-Kommunikation verwendet wird.
Sämtliche anderen etablierten Funkübertragungs-Technologien setzen auf eine paketorientierte Weiterleitung der Daten, die stets zu erheblichen Latenzen führt. Denn die Pakete müssen erst empfangen, neu verpackt und drahtlos versendet werden. Ähnlich auf der Empfängerseite, welche die Pakete ebenfalls empfangen, auspacken und wieder ausgeben muss. Dieser Prozess umfasst viele asynchrone und Latenz-verursachende Vorgänge, die bei der neuartigen Bit-orientierten Kommunikationstechnik komplett unterbleiben.
Die Übertragung von Echtzeit-Ethernet-Protokollen erfordert darüber hinaus eine Vollduplex-Weiterleitung, also den gleichzeitigen Datenaustausch in beide Richtungen. Dieser Anspruch stellt etliche Funktechnologien – beispielsweise WLAN oder 5G – vor ein Problem.
Latenz von weniger als 1 µs
In der NearFi-basierten Lösung von Phoenix Contact werden zwei 60GHz-Verbindungen – ein Uplink und ein Downlink – parallel auf getrennten Frequenzbändern genutzt, um einen Vollduplex-Betrieb zu ermöglichen.
Zum Vergleich: WLAN erzeugt bei einer Ethernet-Kommunikation eine Latenz von rund 10 bis 20 ms (10.000 bis 20.000 µs). 5G strebt für die Zukunft 1 ms (1000 µs) an. NearFi bietet hingegen eine Latenz von weniger als 1 µs, ist somit circa 1000 Mal schneller als 5G.
Außerdem erlaubt NearFi eine kontaktlose und nahezu latenzfreie Ethernet-Übertragung bis 100 Mbit/s in Echtzeit und arbeitet ferner protokoll-unabhängig. Folglich eignet sich die Technologie auch für zukünftige Entwicklungen.
NearFi bietet eine Latenz von weniger als eine Mikrosekunde, ist somit circa eintausend Mal schneller als 5G.
Da die Funkkommunikation im Nahfeldbereich über einen sehr geringen Abstand erfolgt, entsteht quasi kein Störspektrum im Umfeld der Geräte, sodass sich zahlreiche NearFi-Systeme parallel nutzen lassen sowie eine Koexistenz mit vorhandenen Funktechnologien – zum Beispiel WLAN oder Bluetooth – gegeben ist. Industrielle Störspektren, wie sie beispielsweise beim Lichtbogenschweißen auftreten, können die NearFi-Technologie ebenfalls nicht beeinflussen.
Diese wird erstmals in den neuen NearFi-Kopplern von Phoenix Contact verwendet. Die Geräte ermöglichen die Weiterleitung von 50 W Energie (24 V, 2 A) sowie von Echtzeit-Ethernet-Daten über einen Luftspalt bis zu einer Entfernung von einigen Zentimetern. Aufgrund des robusten IP65-Gehäuses mit M12-Anschlüssen für Ethernet und Spannung lassen sich die Koppler auch in anspruchsvollen Umgebungen einsetzen.
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Innovatorenportrait
So geht Automatisierung heute
Konstante Leistung von 50 W
Die Energieübertragung geschieht induktiv. Der Base-Koppler erzeugt über eine Spule ein magnetisches Feld, das in die Spule des Remote-Kopplers induziert wird. Die aktive Regelung wählt immer die bestmöglichen Parameter für die Energieübertragung aus. Dadurch reduziert sich die Leistung nicht über den Abstand, sondern wird auf dem gesamten Arbeitsbereich konstant bei 50 W gehalten. Endgeräte, wie zum Beispiel I/O-Stationen oder Switches, lassen sich also kontaktlos mit Energie versorgen. Die Kopplung erfolgt automatisch, es ist somit keine Konfiguration oder Programmierung erforderlich.
Im Gegensatz zu den üblichen Steckverbinder-Lösungen können die Base- und Remote-Koppler aus beliebigen Richtungen oder auch rotierend zueinander geführt werden. Darüber hinaus muss der Anwender die Geräte nicht exakt zentrieren; sie können sich mit einem Versatz oder einem tangentialen Winkel gegenüberstehen. Dies verringert die Präzisionsanforderungen an die mechanische Bewegung von zwei unabhängigen Anlagenteilen erheblich. Bei einem Steckverbinder sind Stecker und Buchse hingegen sehr präzise zu positionieren, weil die empfindlichen Stifte ansonsten schnell beschädigt werden.
In rotierenden Anwendungen kommen manchmal Schleifringe oder optische Drehübertrager zur Anwendung. Bei beiden Systemen tritt ein hoher mechanischer Verschleiß auf. Zudem müssen sie genau gefertigt werden, was die Kosten und die Ausfallraten in die Höhe treibt. NearFi-Kopplern reicht dagegen eine einfache, unpräzise Positionierung von Base- und Remote-Gerät aus, um eine zuverlässige, verschleißfreie Übertragung sicherzustellen. Die Koppler werden direkt oder über Befestigungswinkel von drei verschiedenen Seiten mit M5- oder M6-Schrauben fixiert. Auf diese Weise lassen sie sich universell und flexibel montieren.
Sinkende Aufwände bei optimierten Produktionsprozessen
Durch die Nutzung der NearFi-Koppler reduzieren sich folglich Serviceeinsätze, Wartungskosten entfallen und dadurch lässt sich die Anlagenverfügbarkeit steigern. Sinkende Aufwände und optimierte Produktionsprozesse verkürzen ihre Amortisationszeit deutlich.
* Benjamin Fiene, Mitarbeiter im Produktmarketing Communication Interfaces, Phoenix Contact Electronics, Bad Pyrmont
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