Smart Factory After Corona – die neue Zeitrechnung für produzierende Unternehmen

Von Anselm C Magel*

Die Pandemie ist anders als bisherige Krisen: Bekannte Rezepte versprechen keine nachhaltige Lösung. Neue Konzepte müssen gefunden werden. Der gezielte Einsatz von Smart-Factory-Technologien kann helfen.

Die Pandemie bedeutet eine Zäsur für jedes produzierende Unternehmen. In der neuen Zeitrechnung (After Corona) stellen sich fundamentale Zukunftsfragen. Entwickelt die Unternehmensführung eine innere Haltung dazu, lässt sich ein gemeinsames Zukunftsbild entwickeln. Auf dieser Basis können mit einer Regnose neue kraftvolle Lösungen erarbeitet und umgesetzt werden.
Die Pandemie bedeutet eine Zäsur für jedes produzierende Unternehmen. In der neuen Zeitrechnung (After Corona) stellen sich fundamentale Zukunftsfragen. Entwickelt die Unternehmensführung eine innere Haltung dazu, lässt sich ein gemeinsames Zukunftsbild entwickeln. Auf dieser Basis können mit einer Regnose neue kraftvolle Lösungen erarbeitet und umgesetzt werden.
(Bild: / CC0)

Die Pandemie ist anders als bisherige Krisen: Bekannte Mittel versprechen keine nachhaltige Lösung. Die pandemischen Schockwellen verursachten globale Liefer- und Bedarfsschocks, welche zu einer Rezession führten. Die Pandemie bedeutet eine Zäsur für jedes produzierende Unternehmen: In der neuen Zeitrechnung (After Corona) stellen sich fundamentale Zukunftsfragen: Wie erreichen wir Resilienz? Wie entgegnen wir zukünftigen Beschränkungen? Wie bedienen wir volatile Nachfrage effizient? Wie viel Autonomie ist notwendig, wie viel Abhängigkeit verkraftbar? Neue Lösungspfade müssen gefunden werden. Der gezielte Einsatz von Smart-Factory-Technologien bietet hierbei Lösungen.

Weitere Stilllegungen vermeiden

Die Produktionen sind wieder angelaufen, unter neuen Hygiene- und Arbeitsschutzstandards. Die Einhaltung ist schwer zu kontrollieren, bei einem Virusausbruch bleibt den Behörden oftmals keine andere Handlungsoption, als stillzulegen. Eine Produktionsunterbrechung ist mit enormen Kosten verbunden. Mit dem Einsatz von Smart-Factory-Technologien können Stilllegungen vermieden, sowie Hygiene- und Arbeitsschutzmaßnahmen durchgesetzt und nachverfolgt werden.

Dabei sind die wichtigsten Smart-Factory-Technologien die 3D-Positionierungssyteme in Kombination mit smarten Wearables. Damit können Sicherheitsabstände und Hygienestandards eingehalten werden. Regeln für Korridore, Laufrichtungen, Mindestabstände, Maximalbelegung von Räumen, ja auch für die Maskenpflicht der Gruppenarbeiter und für die Handhygiene können definiert werden. Bei Nichteinhaltung wird ein Alarm in Echtzeit an das Wearable gesendet. Der betroffene Mitarbeiter kann sein Verhalten anpassen. Regelverletzungen können aufgezeichnet und später Übertragungsketten nachverfolgt werden.

(Bild: Anselm Magel Management Consultants)

Weitere Smart-Factory-Technologien, zur Vermeidung weiterer Stilllegungen, sind: Die automatisierte Materialhandhabung. Die berührungslose Bedienung verschiedenster Systeme, wie virtuelle Identitäts- und Zugangskontrollen, der Sprach- und Gestikeingabe oder der Eingabe über persönliche mobile Geräte, bzw. über VR-Systeme. Sowie die Reduktion der Mitarbeiterdichte auf dem Shopfloor mit dem Einsatz von Cobots und Automatisierungstechnologien.

Gegen die Schockwellen der Pandemie stemmen

Im Dezember 2019 begann die Pandemie mit ersten Infektionen in China. Die Behörden reagierten mit drastischen Milderungs- und Eindämmungsmaßnahmen, mit dem Ergebnis eines globalen Liefer- und Bedarfsschocks. Im Januar und Februar fiel die Industrieproduktion in China um 13,5 Prozent. Bei den Handelsströmen fiel der Export Chinas im Januar und Februar um 17 Prozent, der Import sackte um 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ab. Das hatte auch Auswirkungen auf globale Vorlieferanten. Zudem waren chinesische Verbraucher verunsichert und die Nachfrage sank, z. B. beim PKW-Absatz. Dieser sank auf 56 Prozent des Vorjahresniveaus im Januar und Februar.

In einer zweiten Schockwelle erfuhren weitere Industrieländer erhebliche Lieferengpässe und eine fallende Nachfrage. In der EU fiel die Industrieproduktion nur im März um 11,8 Prozent, in den USA fiel die Industrieproduktion nur im April um 12,5 Prozent. Das verarbeitende Gewerbe begab sich global in eine Rezessionsspirale. Die zweite Schockwelle erfasste auch die Investitionen: Im März summierten sich die Kapitalabflüsse aus Schwellenländern auf 83 Mrd. Dollar, 80 Staaten beantragten beim IMF Notfinanzierungen. Auch einen Einbruch der ausländischen Direktinvestitionen um 40 Prozent weltweit für 2020 wurde von der UNCTAD prognostiziert, mit Auswirkungen über die Pandemie hinaus.

Regierungen stemmen sich mit Investitions-, Kaufanreiz- und Stützungsprogrammen gegen die Pandemierezession. Bis zur globalen Verfügbarkeit wirksamer Therapeutika und Vakzine sind weitere staatliche Maßnahmen geplant. Auch steigen die Infektionszahlen weltweit wieder, für den Herbst und Winter wird eine zweite Pandemiewelle erwartet.

Effizient produzieren bei volatiler Nachfrage

Produzierende Unternehmen müssen sich in diesem fragilen wirtschaftlichen Umfeld auf eine volatile Nachfrage einstellen. Traditionelle Produktionen haben bei der geforderten agilen und flexiblen Fertigung signifikante Effizienznachteile. Der Einsatz von Smart-Factory-Technologien ermöglicht eine reaktionsschnelle, agile, flexible und kosteneffiziente Fertigung bei volatiler Nachfrage.

Erreicht wird diese agile und flexible Produktion durch die Umsetzung der vertikalen und horizontalen Integration, welche die effiziente Fertigung kleiner Losgrößen erlaubt. Durch die Digitalisierung wesentlicher Schritte, vom Auftrag bis zur Auslieferung, und der Verknüpfung dieser, entsteht die Integration. Wesentliche Smart-Factory-Technologien helfen dabei das Konzept umzusetzen: Der Online-Produktkonfigurator und die automatisierte Auftragsbearbeitung, das dynamische Scheduling, das intelligente Werkstück, die Echtzeit-Schnittstellen zu Maschinen und Anlagen, sowie der digitale Workflow für den Fertigungsprozess.

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung

Vorbei: die grenzenlose Globalisierung der Lieferkette

Globale Lieferketten sind heute komplex, alles ist auf Just-in-time-Lieferung hin ausgerichtet, Geschwindigkeit und Kostendruck sind enorm. Gleichzeitig wurden sie immer länger. Die globale Arbeitsteilung optimierte die Kosten weiter. Je länger die globale Lieferkette, desto anfälliger. Diese Fragilität führt uns die Pandemie vor Augen. Grenzschließungen, Betriebsstillegungen, pandemische Schutz- und Hygienemaßnahmen sind in heutigen Lieferkonzepten nicht vorgesehen, so wurden diese mit großer Wucht getroffen. Die grenzenlose Globalisierung der Lieferkette ist mit der Pandemie nicht mehr realisierbar.

Rückverlagern und Wettbewerbsfähigkeit erhalten

Produzierende Unternehmen haben daraus ihre Lehren gezogen und beginnen ihre lang gezogene, zerfranste Lieferkette anzupassen und robuster zu gestalten. Kurzfristig verspricht die regionale Lagerhaltung mehr Kontrolle, was auch die Kosten treibt. Für national kritische Produkte werden staatlich verordnete Produktionsrückverlagerung diskutiert. Mit der neuen Zeitrechnung (After Corona), gilt es Autonomie und Abhängigkeit, Öffnung und Schließung neu auszubalancieren. Mittel- und langfristig ist die wettbewerbsfähige Rückverlagerung für viele Produktkategorien attraktiv. Nur damit kann dauerhaft Resilienz erreicht werden.

(Bild: BCG, 2020)

Interessant ist eine Rückverlagerung von Niedrigkostenländern nach Europa, wenn die Kostenlücke geschlossen werden kann. Vergleicht man die Produktionskosten von China mit Deutschland, so beträgt die Kostenlücke 18 Prozent, zu Tschechien 5 Prozent, zu Ungarn 4 Prozent und zur Slowakei 7 Prozent. Nimmt man Mexiko als Niedrigkostenland so beträgt die Lücke zu Deutschland 26 Prozent, zu Tschechien 14 Prozent, zu Ungarn 13 Prozent und zur Slowakei 16 Prozent (MCI 2019, BCG).

Mittels Smart-Factory-Technologien die Produktivität steigern

Die analysierte Bandbreite der Kostenlücke kann, nach heutigem Stand der Technik, mit dem Einsatz von Smart-Factory-Technologien geschlossen werden. Derzeit planen produzierende Unternehmen mit Produktivitätssteigerungen von 27 bis 37 Prozent über die nächsten fünf Jahre durch den Einsatz von Smart-Factory-Technologien (Fabrikebene, CGI, 2019). Mit einer Greenfield-Rückverlagerung wird das Potential am oberen Ende der Bandbreite ausgeschöpft. Übersetzt man die Produktivitätssteigerung in Kosteneffizienz, so lassen sich signifikante Potentiale beim Personal, bei der Energie, beim Material und in der Logistik erzielen. Potenzielle Mehrabschreibungen werden dagegen gerechnet.

Potenziale werden in der Smart Factory selbst (vom der Auftragserfassung bis zur Auslieferung), und zusätzlich in der Produktentwicklung gehoben. Der Einbezug des Efficiency-by-Design-Ansatzes (von der Produktentwicklung bis zum Portfoliowechsel) erhöht das Potenzial.

Regnose statt Prognose

Die Pandemie ist anders als bisherige Krisen: Bekannte Rezepte versprechen keine nachhaltige Lösung. Die Ruptur der Lieferketten, die globale Pandemierezession mit Auswirkung auf Angebot und Nachfrage, sowie das globale Primat der Virusbekämpfung werden mit der neuen Zeitrechnung (After Corona) die Produktion verändern.

Am Epochenübergang sind Unternehmensführung aufgefordert fundamentale Zukunftsfragen beantworten: Wie erreichen wir Resilienz für unser Geschäft? Wie viel Autonomie ist notwendig, wie viel Abhängigkeit verkraftbar? Wie entgegnen wir zukünftigen Beschränkungen und der volatilen Nachfrage ohne Effizienzeinbußen?

Entwickelt die Unternehmensführung eine innere Haltung dazu, kann ein gemeinsames Zukunftsbild entwickelt werden. Auf dieser Basis können mit einer Regnose neue kraftvolle Lösungen erarbeitet und umgesetzt werden. (Anm.: Bei der Regnose geht es darum, sich ein Ziel in der Zukunft vorzustellen und sich dann gedanklich Schritt für Schritt rückwärts bis zur Gegenwart zu bewegen.) Damit leitet die Unternehmensführung den Zukunftssprung ein und kann so die Herausforderungen in der neuen Zeitrechnung (After Corona) meistern.

* Anselm C Magel ist ein Managementberater, spezialisiert auf die digitale Transformation von Produktionsunternehmen und Maschinenbauer, sowie die Entwicklung von Technologieunternehmen. Er berät seine internationalen Klienten bei der Bewältigung adaptiver Herausforderungen.

(ID:46896585)