Sensorik Bereit, sich für die Smart Factory zu verändern

Von Sariana Kunze

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Der Weg zu einer Fabrik der Zukunft ist gewiss kein leichter. Das weiß auch der Sensorik-Anbieter Sick. Obwohl intelligente Sensorlösungen die Basis für eine vernetzte Produktion bilden, musste das traditionsreiche Unternehmen selbst viel verändern.

Für eine eigene Smart Factory musste Sick nicht nur auf neue Tools, sondern auch auf neues Denken setzen.
Für eine eigene Smart Factory musste Sick nicht nur auf neue Tools, sondern auch auf neues Denken setzen.
(Bild: Sick)

Eine Holztribüne, Kissen, jede Menge Schreibtische und Bildschirme, Holzspanplatten sowie vereinzelte Topfpflanzen prägen das Bild. Überall hängen Poster in unterschiedlichen Größen. Sie zeigen, woran die jungen Leute arbeiten, die konzentriert an ihren Arbeitsplätzen sitzen oder diskutierend zusammenstehen. Eben eine kreative Atmosphäre mit trubeliger Geräuschkulisse.

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Wer jetzt denkt, dass es sich um ein hippes Start-up in Berlin handelt, der irrt. Ein solches Konzept findet man auch in dem 21.000-Einwohner-Schwarzwaldort Waldkirch im Südwesten Baden-Württembergs. Hier brainstormen und entwickeln 15 Start-ups neue Lösungen rund um die Digitalisierung. Die Besonderheit der Teams: Sie gehören alle zu einem großen Konzern. Wie so etwas geht, zeigt der in Waldkirch ansässige Sensor-Anbieter Sick AG. Das 75 Jahre alte Unternehmen hat hier eine eigene Start-up-Arena aufgebaut.

Wir müssen unser Verhalten und unsere Arbeitsweise verändern.

Bernhard Müller, Senior Vice President Industry 4.0 bei Sick

Wer digitalisieren will, muss die Arbeitsweise umstellen

Wo heute kreativ gearbeitet wird und neue Ideen entstehen, wurden früher Sensoren gefertigt. Inmitten dieser umfunktionierten Produktionshalle schnappt sich Bernhard Müller, Senior Vice President Industry 4.0 bei Sick, einige Kissen und platziert sie sorgsam auf der Sitzfläche einer Holztribüne. Als er sich hinsetzt, erzählt er: „Wir treiben viele spannende Themen rund um Industrie 4.0 voran. Das heißt aber auch, dass wir unser Verhalten und unsere Arbeitsweise verändern müssen. Für viele Unternehmen scheint diese Hürde jedoch aktuell noch zu hoch zu sein.“ Auch bei Sick gelingt diese Umstellung nicht auf Knopfdruck. Ein strukturiertes Vorgehen ist wichtig. „Wir müssen intern neue Kompetenzen aufbauen, um unsere digitalen Geschäftsmodelle voranzutreiben. Zudem wollen wir unsere Kunden abholen und bei der digitalen Transformation begleiten“, erklärt Müller. Um bei Industrie 4.0 die sogenannten „low hanging fruits‘“ ernten zu können, ist nicht nur neues Denken, sondern sind auch neue Tools notwendig, weiß der I4.0-Experte.

Eine Smart Factory produziert Sensoren

Das Ziel all dieser Bemühungen ist die Fabrik der Zukunft. Sie ist flexibler, effizienter und nachhaltiger als heutige Produktionsstätten, digitalisiert und vernetzt. Aber wie sieht so eine Smart Factory konkret aus? Wo arbeiten heute schon Menschen und Roboter zusammen? Und: wo wird sowohl Losgröße 1 als auch Masse produziert? Die Antwort: Bei Sick in Freiburg-Hochdorf. Der Sensoranbieter hat neben der hausinternen Start-up-Szene auch im Jahr 2019 eine eigene Produktion nach den Industrie-4.0-Prinzipien aufgebaut, um eigene Erfahrungen mit den neuen Tools zu sammeln.

Mit zwölf vollautomatisierten Produktions-Technologie-Modulen, einem hybriden Arbeitsplatz und vier manuellen Arbeitsplätzen produzieren Roboter und Mitarbeiter Hand in Hand Sensoren für Sick. Im zellulär angeordneten Produktionsprozess kann die Reihenfolge der Modulnutzung je nach Anforderung variieren. Die Materialzufuhr erfolgt über fahrerlose Transportsysteme (FTS). Alle Abläufe steuert eine hochleistungsfähige Software, die bei Sick entwickelt wurde. In ihr sind alle Informationen eines Auftrages hinterlegt. Das System sendet die Informationen an die Maschinen und erhält umgekehrt ständig Rückmeldung. Nicht nur die Software, auch die Sensoren und Sensorsysteme für die Anlagen kommen von Sick selbst.

„Der Sensor ist der Startpunkt von Industrie 4.0“
Interview

„Wertvolle Informationen sollen nicht länger im Sensor versacken“, sagt Christoph Müller, Senior Vice President Industrial Integration Space bei Sick.
„Wertvolle Informationen sollen nicht länger im Sensor versacken“, sagt Christoph Müller, Senior Vice President Industrial Integration Space bei Sick.
(Bild: Bild: Sick)

Herr Müller, digitale Services und Lösungen – warum gehen Sie diesen Weg?

Für uns steht fest: Der Sensor ist der Startpunkt von Industrie 4.0. Hier entstehen die Daten. Wir haben heute die Chance, die Sensortechnologien besonders zu nutzen. Deshalb erweitern wir unsere Rolle und bieten Lösungen für sensorbasierte Applikationen an. Beispielsweise unterstützen wir bereits im Entwicklungsprozess, indem wir die Sensorfunktion virtualisieren.

Mit dem Sick Appspace stellen Sie Apps für Sensoren bereit und somit die Möglichkeit, Sensoren für spezifische Aufgaben anzupassen. Für welche Anwendungen bieten Sie schon Apps an?

In unserem App-Pool befinden sich momentan Apps zur Qualitätskontrolle, Roboterführung und Positionierung. Seit Mitte des Jahres haben wir den Appspace für ein Kundensegment ohne Programmier-Know-how geöffnet. Anwender können nun auch Sensor-Applikationen lösen, ohne Codes schreiben zu müssen. Wir haben eine Oberfläche zur Vernetzung und Konfiguration vordefinierter Funktionsblöcke entwickelt.

Welche Rolle spielt die Automatisierungs-Architektur?

Die wird sich verändern. Bisher wurden die Daten in eine SPS geschickt, die eine Automatisierungslogik erzeugt – das Steuern und Regeln von Maschinen. Damit endet auch schon die Nutzung der Daten. Sie liefern keinen Aufschluss über den Fertigungsprozess oder die Wertschöpfung in der Produktionslinie. Wir schaffen hier Abhilfe: Beispielsweise mit einer PC-basierten Software, die für IO-Link-Sensoren die Daten zugänglich macht. In der Fabrik werden heute viele Sensordaten Edge Devices ausgewertet und mit der Cloud verbunden.

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Wenn Systeme an ihre Grenzen stoßen

Aktuell fertigt die von Sick als „4.0 Now“ bezeichnete Fabrik mit autonomen digitalen Produktions- und Steuerungsprozessen sieben Produktfamilien, zwei weitere sollen bis Jahresende hinzukommen. Zwölf sind das erklärte Ziel. „Die Maschinen machen dieses Wachstum problemlos mit. Wir produzieren aktuell sogar neben sicheren auch nicht sichere Produkte auf den selben Modulen“, beschreibt Joachim Schultis, Produktionsleiter der 4.0 Now Fabrik, den derzeitigen Stand. Denkbar sind perspektivisch über 500.000 Produktvarianten.

Genau wie bei einer herkömmlichen Produktion ist auch das Ziel dieser Smart Factory, die Gesamteffizienz zu steigern. Jedoch unterscheidet sich der Weg dorthin. „Es geht darum, aus dem, was wir sehen, zu lernen und die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen“, sagt der Produktionsleiter. „Wir können bestehende Grenzen der alten Welt überwinden und die Gesamteffizienz neu definieren.“ Der Weg dorthin ist nicht leicht. Die Komplexität des neuen Produktionssystems stellt Sick vor neue Herausforderungen. „Wir mussten uns organisatorisch neu aufstellen“, blickt Schultis zurück. Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, führte das Unternehmen agile Arbeitsformen ein. Seitdem kann in der Produktion schneller und zielsicherer agiert werden.

Smart Factory: Prototypen parallel zur Serienproduktion fertigen

Zieht man in Freiburg nun auch schon aus den generierten Daten – ganz im Sinne von Industrie 4.0 –Konsequenzen? „Jein“, antwortet der Produktionsleiter schmunzelnd. Zwar ist es schon möglich, erste Konsequenzen zu ziehen, doch wird hier noch viel passieren, was heute noch gar nicht absehenbar ist. Derzeit profitiert das Unternehmen besonders in der Prototypenphase von den hochautomatisierten Anlagen: „Wir müssen keine extra Anlage mehr von Hand für Prototypen aufbauen. Wir fertigen jetzt beispielsweise Prototypen parallel zur Serienproduktion“, resümiert Schultis.

Für Sick ist eines klar: Die Zukunft wird dynamisch und komplex. Kein Wunder also, dass einige Unternehmen angesichts der bevorstehenden Veränderung noch zurückhaltend agieren. „Wer unternehmerisch handelt, muss jetzt zügig Vorteile erkennen“, meint Müller abschließend. Der Sick-Konzern möchte dabei mit seinen Sensoren, Lösungen und der 4.0 Now Fabrik andere Unternehmen unterstützen.

* Sariana Kunze, Fachredakteurin Automatisierung, Vogel Communications Group

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