Automatisierungs-Anbindung Der Mann aus Hawaii
Auf Hawaii sind Hexapoden begehrt. Die Inselgruppe verfügt über eine Tradition in der Astronomie. Automatisierungstechnik ist beliebt, denn die präzise Ausrichtung der Teleskope ist entscheidend. Ein Markt für Physik Instrumente. Doch die Karlsruher wollen mehr.
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Frankfurt am Main am Flughafen: Der Jet aus San Francisco landet bei leichtem Nieselregen. Der Gast auf Platz 5 f ist schon lange unterwegs und die kühlen 12 Grad auf dem Flugfeld sind ungewohnt für den Mann aus Honolulu. Shorts und T-Shirts hat er im Gepäck. Auf Aprilwetter war er nicht vorbereitet. „Es kam uns sehr entgegen, dass der Kunde sich noch lange Hosen und einen Pullover besorgen musste, denn so hatten wir noch zwei Stunden Zeit, um noch einige Anpassungen des Controllers für den Hexapod vorzunehmen“, erinnert sich Dr. Rainer Glöß von Physik Instrumente an den Gast aus Hawaii. Das war 1993 und das kleine Team bei PI musste in einer sprichwörtlichen Nacht- und Nebelaktion Codes für die komplexe Steuerung des Hexapods schreiben. „Nicht nur die 3D-Transformationen, die Schnittstellen zwischen PC-Kern und zwei Digitalprozessen, sondern auch der Kommando-Parser und alle Schnittstellen mussten aus dem Nichts entwickelt werden“, erinnert sich Glöß, der damals den Shoppingausflug des Amerikaners nutzte, um die letzten Feinheiten am Hexapod zu justieren. Bei Interferometer- Messungen im Labor konnte sich der Mann aus Hawaii von der Überlegenheit der Hexapod-Technologie im Verhältnis zur traditionellen gestapelten Bauweise überzeugen. Der Teleskopmarkt zählt seitdem zu den wichtigen Märkten von Physik Instrumente.
Mehr als 20 Jahre später sind die Hexapoden aus Karlsruhe immer noch begehrt in der Wissenschaft, Forschung und Industrie, denn die Fertigungstiefe, sprich, die Programmierung der Steuerung im Haus, bürgt für Qualität und genaue Positionierung – entscheidend bei der Suche nach neuen Galaxien und Sternen. Hexapoden sind anspruchsvolle Automatisierungslösungen, denn sechs Beine müssen von der Steuerung koordiniert werden, damit ein Gegenstand in allen Freiheitsgraden bewegt werden kann. Hinter der Hardware verbergen sich Algorithmen, die der Endkunde nicht kennen möchte, denn die sind so komplex, dass nur mathematisch-physikalisch geschulte Ingenieure sie verstehen. Usability ist gefragt.
EtherCAT für die Automatisierungslandschaft
„Unsere Herausforderung ist es, die Steuerung so einfach und intuitiv wie möglich zu gestalten, damit das Hexapod-System leicht in die Automatisierungslandschaft des Kunden integriert werden kann“, fasst Glöß zusammen. Inzwischen gehört dazu auch Simulations-Software, die es den Kunden blitzschnell erlaubt, Belastungen und Arbeitsräume zu berechnen. „Das könnte selbst eine CAD-Software so nicht leisten.“ Über EtherCAT oder andere Feldbusschnittstellen kann heutzutage das System eingebunden werden (Wie das genau funktioniert können Sie hier nachlesen).
Das Erlebnis um den Kunden aus Hawaii hat Glöß geprägt. „Wir können das“, sagt er zufrieden. Glöß leitet heute die „Advanced Mechatronics“. Er ist stolz auf die Hexapoden und ihre stetige Weiterentwicklung. Sechs Freiheitsgrade in der Bewegung, Präzision und die genaue Bewegung auch von sehr großen Gewichten sind die Stärken des Roboters. Kunden fanden sich in der Vergangenheit vor allem in der Forschung und Wissenschaft, in der Astronomie und überall dort, wo Anwendungen höchste Präzision erfordern. Doch das Unternehmen will wachsen. Das Hexapod-Team hat noch viele weitere Anwendungen im Hinterkopf. Das Ziel: Die Hexapoden sollen verstärkt in industriellen Fertigungsprozessen Positionierungsaufgaben übernehmen. Seit einigen Jahren liefert das Unternehmen seine Sechs-Bein-Roboter in die Automobilindustrie. Aber auch die Luftfahrtindustrie mit ihren riesigen Tragflächen könnte von der Technik, die mehr als 50 Jahre alt ist, profitieren. Weitere Anwendungsfälle identifizieren die Physiker in der Werkzeugmaschinen-Industrie. Anwendungen gibt es genug. Doch die Industrie wartet oftmals noch ab. Ist die Technik zu komplex? Nein, das Verständnis für die Funktionsweise eines Hexapods ist da und dazu vergleichsweise einfach, aber wichtig ist die einfache Steuerung und Integration des Produkts. Davon will Glöß seine Kunden überzeugen, daran programmiert und forscht das Hexapod-Team bei PI, und mittlerweile können Anwender ihren Hexapod sogar per App steuern.
Davon konnte der Fluggast auf 5f nur träumen. Aber die Beziehungen nach Hawaii blieben intakt. Deutsche Technik hilft noch heute den Astronomen von Hawaii bis Chile bei ihren Teleskopen - dem Aprilwetter zum Trotz.
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