Magnetischer Multiturn Echtes „True-power-on”-System für Umdrehungszähler arbeitet ohne Pufferbatterie und Getriebe
Ein innovatives Konzept zum Messen von Umdrehungen mit mehr als 12 bit kommt, BMBF-gefördert, in den kommenden Jahren zur Serienreife. Ein solcher Multiturn liefert absolute Positionsmesswerte und stellt diese ohne Pufferbatterie sofort nach dem Start zur Verfügung. Für die Automatisierungstechnik ergeben sich so völlig neue Lösungen.
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Winkelgeber, die mehrere Umdrehungen erfassen, haben ihre potenziellen Einsatzbereiche z.B. in Automobilen oder mobilen Arbeitsmaschinen, um dort den aktuellen Lenkwinkel über mehrere Umdrehungen erfassen zu können. Multiturn-Sensoren, die auf herkömmlichen Funktionsprinzipien basieren, sind jedoch für solche Anwendungsbereiche eher ungeeignet: Sie erfordern entweder eine dauerhafte Stromversorgung und: sie nutzen mechanische Konstruktionen. Die Folge: Solche Winkelgeber arbeiten verschleißbehaftet, oder sie sind für den Einsatzbereich zu aufwändig und damit oft zu teuer.
Aus zwei magnetischen Schichten
Ganz anders funktionieren Winkelgeber nach dem GMR-Effekt (Giant Magneto Resistance, also „Riesen-Magnetwiderstand“). Hierbei handelt es sich um ein quantenmechanisches Phänomen, das man in dünnen Filmstrukturen aus ferromagnetischen und nichtferromagnetischen Schichten beobachten kann: Hat man einen solchen heterogenen Aufbau aus zwei magnetischen Schichten (eine weichmagnetische Sensorschicht und als Referenzschicht eine sehr hartmagnetische Schicht), die durch eine nur wenige Atomlagen dicke, nichtmagnetische Schicht getrennt sind, so lässt sich der Widerstand des Stapels durch externe Magnetfelder ändern.

Die Referenzschichtorientierung bleibt bestehen, solange die Magnetfelder nicht extrem groß werden. Der Schichtstapel selbst ist in Streifen mit einer Breite von unter 200 nm strukturiert, wodurch sich die Sensorschicht nur entweder parallel oder antiparallel zum Streifen ausrichten kann. Der elektrische Widerstand ändert sich deutlich, wenn die magnetischen Momente in dieser Sensorschicht umklappen. Stehen sie parallel zueinander, sinkt der Widerstand auf den Minimalwert, bei antiparalleler Ausrichtung erreicht er sein Maximum. Der Magnetisierungszustand einer solchen Struktur lässt sich also leicht durch eine ohmsche Messung bestimmen.
„Steer-by-Wire“ im Trend
Effekte wie dieser, lassen sich in der Automobilindustrie verwenden. Geht doch der Trend zu „Steer-by-Wire“, d.h. Elektronik und Elektrik ersetzen zunehmend die vorhandene verschleißanfällige Mechanik. Ein Plus an Sicherheit, Ökonomie und Komfort wird die Folge sein. Gleichzeitig steigt dadurch auch der Bedarf an robuster Sensorik. Ein Trend, den auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erkannt hat und deswegen im Jahr 2007 Fördermaßnahmen ausgeschrieben hat, um im Bereich „Magnetische Mikro- und Nanotechnologien“ u.a. die Entwicklung neuer Produkte bei magnetischen Sensoren und Sensorsystemen für Automobil- und Automatisierungstechnik gezielt voranzutreiben.

Dabei gelang, was sonst leider viel zu selten vorkommt: „Eine Förderung in dieser Sparte ging an eine Gruppe mittelständischer Unternehmen, die durch ihre innovativen, in enger Kooperation mit einem Forschungsinstitut entstandenen Konzepte die Jury überzeugten“, erläutert Ernst Halder, Geschäftsführer Technik bei Novotechnik. An dem Projekt beteiligt sind außer der Novotechnik Messwertaufnehmer OHG auch die Firmen Sensitec GmbH, IMSTec GmbH, Fernsteuergeräte Kurt Oelsch GmbH, AB Elektronik GmbH und andere sowie das Institut für Photonische Technologien e.V. (IPHT) in Jena. „Da Novotechnik bei der Initiierung dieses Projektes mit federführend war, profitieren wir erheblich von der Förderung,“ so Halder weiter. „Die nächste Generation unseres magnetischen Multiturns wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Wir können die Entwicklung nun zügig vorantreiben.“
Magnetischer Multiturn für über 4.000 Umdrehungen
Die Sensorikexperten von Novotechnik haben gemeinsam mit dem IPHT bereits 2007 einen Multiturn-Sensor entwickelt, der den GMR-Effekt nutzt, für dessen Entdeckung Peter Grünberg und Albert Fert 2007 den Physik-Nobelpreis erhielten. Dieser kann zusätzlich zum Drehwinkelsignal im stromlosen Zustand ohne Pufferbatterie und ohne Getriebe derzeit bis zu 16 Umdrehungen zählen und dauerhaft in verschiebbaren magnetischen Zonen speichern. Dank der im Oktober 2008 bewilligten Förderung steht seiner Weiterentwicklung nichts mehr im Wege: Das innovative Konzept für höhere Umdrehungszählungen (bis 12 bit, was 4096 Umdrehungen entspricht), das für die Fördervergabe ausschlaggebend war, kann damit in den nächsten drei Jahren zügig verwirklicht und anschließend zur Serienreife gebracht werden.
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