Sicherheitstechnik Safety für den modularen Maschinen-Baukasten

Redakteur: Sariana Kunze

Eine Serienmaschine in Losgröße 1 zu fertigen, klingt paradox. Ist es aber nicht. Ein modularer Aufbau macht es möglich. So erhält jeder Maschinenbetreiber exakt auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Maschinen zu einem wirtschaftlichen Preis. Modulare Konzepte stoßen jedoch schnell an ihre Grenzen, wenn Sicherheitstechnik ins Spiel kommt. Das soll sich jetzt ändern.

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Modular aufgebaute Maschinen verlangen nach einer ebenso modular aufgebauten Sicherheitstechnik.
Modular aufgebaute Maschinen verlangen nach einer ebenso modular aufgebauten Sicherheitstechnik.
(Bild: © deepagopi2011/Fotolia.com, B&R)

Individualität liegt im Trend. Im Automobilbau etwa konfigurieren die Käufer aus einem Baukasten heraus, welche Features sie gerne möchten. Auch die Lebensmittelindustrie und Sportartikel-Hersteller bieten erste individuelle Produkte an. Um diese zu produzieren, müssen die Hersteller ihre Maschinen und Produktionsprozesse entsprechend flexibel gestalten. Das stellt hohe Anforderungen an den Maschinenbau, die Maschinensoftware und die Sicherheitstechnik.

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Für jeden individuellen Kundenwunsch eine eigene Maschine zu bauen, ist nicht wirtschaftlich. Maschinenbauer statten ihre Serienmaschinen daher mit individuellen Optionen aus, um die Kundenanforderungen erfüllen zu können. Möglich machen dies modular aufgebaute Maschinen, bei denen nicht nur die Hardware, sondern auch die Software modular ist. Jede Maschinenvariante ist jedoch sicherheitstechnisch betrachtet eine individuelle Einzelmaschine und muss einzeln getestet, gewartet und zertifiziert werden. Das kostet Zeit und Geld. Hinzu kommt, dass mit jeder Automatisierung eines Prozesswechsels die Anzahl an Achsen und I/O-Modulen einer Maschine wächst. „Dadurch wird die Sicherheitsanwendung immer komplexer“, sagt Franz Kaufleitner, Produktmanager Integrated Safety Technology bei B&R und unterstreicht: „Hinter jeder Maschinenfunktion steckt eine Sicherheitsfunktion.“ Für den wirtschaftlichen Erfolg eines Maschinen- oder Anlagenbauers sei es deshalb ganz entscheidend, dass die Sicherheit kein Hemmschuh für die Produktivität werde.

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Interview mit Franz Kaufleitner
„Sicherheitstechnik darf kein Hemmschuh für die Produktivität einer Anlage sein“

„Sicherheitstechnik darf kein Hemmschuh für die Produktivität einer Maschine oder Anlage sein“, sagt Franz Kaufleitner, Produktmanager Integrated Safety, B&R.
„Sicherheitstechnik darf kein Hemmschuh für die Produktivität einer Maschine oder Anlage sein“, sagt Franz Kaufleitner, Produktmanager Integrated Safety, B&R.
( Bild: B&R )

Wie verändert Industrie 4.0 die Voraussetzungen für die Maschinensicherheit?

Industrie 4.0 zielt auf smarte, intelligente und verteilte Systeme ab. Die Maschinen werden modularer und damit braucht es wesentlich mehr Interaktion zwischen den Maschinenmodulen. Das gilt auch für die Sicherheitstechnik. Das eine Not-Aus Signal ist da nicht mehr ausreichend. Intelligente, sichere Maschinen können entsprechend ihren Möglichkeiten auf Ereignisse reagieren. Ein Roboter kann langsamer bzw. vorsichtiger agieren, wenn er dem Menschen nahe kommt. Ein smarter Roboter kann sogar Hand in Hand mit dem Menschen arbeiten. Das ganze ist natürlich von dem Grad der Unterstützung für den Menschen abhängig. Somit sind eher mehrere sichere Maschinen notwendig, um den Menschen optimal zu unterstützen.

Modulare Maschinen brauchen modulare Sicherheitstechnik. Warum?

Modularität soll die Komplexität und den Aufwand reduzieren sowie die Wiederverwendbarkeit absichern. Diese Ziele sind natürlich für die Sicherheitstechnik umso wichtiger. Werden Maschinenmodule inklusive ihrer Sicherheitstechnik wiederverwendet, spart man sich Zeit und Geld für die Validierung. Man macht aber auch weniger Fehler, weil bewährte Module und Prinzipien eingesetzt werden. Damit steigt die Sicherheit und schafft den gewünschten Mehrwert an Standard- und Individuallösungen.

Ist der Programmierungsaufwand dann bei modularen Sicherheitskonzepten komplizierter und zeitinten­siver?

Nein, im Gegenteil. Kleine und überschaubare Module sind ideal für die Sicherheitstechnik. Übersichtlichkeit und Einfachheit ist sogar normativ gefordert. Darum lassen sich modulare Systeme besser nachweisen und zertifizieren als komplexe Lösungen. Da wir modulare, sichere Lösungen kombinieren können, haben diese in der Gesamtheit einen niedrigeren Aufwand.

Sie setzen für modulare Maschinenkonzepte auf das Sicherheitsprotokoll openSAFETY. Welche Vorteile bietet das Protokoll im Vergleich zu anderen Protokollen?

Beim Entwurf von openSAFETY wurde schon in der Entwicklungsphase an vernetzte Systeme gedacht. Wir haben hier die Möglichkeit, einzelne Maschinenteile in Domänen zu unterteilen. Gleichzeitig können wir diese Domänen auch miteinander verbinden, über sogenannte Domängateways. Dadurch lassen sich die Ideen von Industrie 4.0 und Modularität in die sichere Kommunikation übertragen. Des Weiteren bietet openSAFETY die Möglichkeit zur Laufzeit sicherer zu parametrieren. Es ist also denkbar, eine modulare Maschine zur Laufzeit mit neuen, sicheren Komponenten auszustatten bzw. zu erweitern.

Gibt es weitere Vorteile für den Anwender? Welche?

Richtig smart werden Lösungen, bei denen open­SAFETY in alle sicheren Teilnehmer integriert wurde. Dann erhalten wir eine Reduktion des Verdrahtungsaufwandes, bessere Reaktionszeiten und mehr Informationen vom Sensor bzw. Aktor. Das sind unter anderem auch Diagnoseinformationen. Es macht die Wartung der Gesamtanlage einfacher und angenehmer.

Welche zukünftigen Anforderungen wird es Ihrer Meinung nach noch an die Maschinensicherheit geben?

Wie eingangs erwähnt, führt Industrie 4.0 zu mehr Modularität bei den Maschinen und zum Austausch komplexer Daten zwischen den Modulen. Für die Kommunikation etabliert sich gerade OPC UA als unabhängiges Protokoll. Der Vorteil von OPC UA liegt in der Möglichkeit, komplexe Kommunikationsbeziehungen zwischen Maschinen bei der Inbetriebnahme festzulegen – ohne dass Expertenwissen notwendig ist. Diese Möglichkeit müssen wir auch in der Sicherheitstechnik schaffen. Es braucht einen einheitlichen Standard, damit vernetzte Maschinen unterschiedlichster Hersteller zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme einen sicheren Datenaustausch unterstützen, ohne dass dafür die Sicherheitsexperten gebraucht werden.

Einmal die sicherheitstechnische Maximalkonfiguration programmiert

Damit dies nicht der Fall ist, müssen Sicherheitsapplikationen ebenso modular aufgebaut sein wie die funktionelle Applikation. B&R hat hierfür eine Lösung entwickelt, die auf einem Set an zertifizierten, sicheren Funktionen aufbaut. Dazu gehören Templates für die Visualisierung, Bibliotheken und Services. Aus diesem Set wird in der B&R-Automatisierungssoftware Automation Studio einmal die sicherheitstechnische Maximalkonfiguration programmiert. In der Planungsphase des Sicherheitskonzepts werden dazu alle Maschinenoptionen der Serie berücksichtigt. „Das können 100 Safety-Knoten sein, auch wenn in einer einzelnen Maschine selten mehr als 30 sichere Achsen und I/O-Module vorhanden sind“, erklärt Kaufleitner. Die Sicherheitsapplikation der maximalen Ausbaustufe der Maschine wird dann nur einmal getestet und geprüft. „Damit decken wir alle erdenklichen Konfigurationen ab“, hebt Kaufleitner den Vorteil gegenüber konventionellen Sicherheitskonzepten hervor und führt weiter aus: „Bei herkömmlichen Ansätzen muss der Maschinenbauer jede einzelne Konfiguration aufs Neue prüfen und testen.“ Das hat nicht zuletzt auch massive Auswirkungen auf die Instandhaltung, da sehr viele Sicherheitsapplikationen gewartet werden müssen. „Bei der heutigen Varianz an Maschinenoptionen steigt der Wartungsaufwand schnell ins Unermessliche“, sagt Kaufleitner. Nicht so mit der Lösung von B&R. Denn mit ihr wird nur eine Sicherheitsapplikation für die ganze Maschinenserie gewartet.

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