Kollaborierende Robotik Wie KMUs mit variablem Cobot-Einsatz die Produktion schnell hochfahren
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In Zeiten des anziehenden Aufschwungs müssen auch KMUs ihre Produktion zügig wieder hochfahren. Dabei können Cobots unterstützen. Verbunden mit Künstlicher Intelligenz sind Anwendungen wie „Griff in die Kiste“ möglich, die zuvor nicht realisierbar waren.

Die Beeinträchtigungen des Marktes durch die weltweite Pandemie gehen zurück – die Wirtschaft zieht derzeit wieder an. Nach einer langen Zeit der Zurückhaltung legten zum Beispiel die Bestellungen im deutschen Maschinen- und Anlagenbau zwischen März und Mai um 47 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu.
Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen kann sich dieser schnelle Aufschwung jedoch zum Problem entwickeln: Zahlreiche Firmen haben in der Krise vor allem darauf gesetzt, die Kosten zu begrenzen, Investitionen zurückzustellen und nicht zu viel Personal vorzuhalten. Nun müssen sie ihre Produktion innerhalb kürzester Zeit hochfahren und dabei sicherstellen, dass sie ihre Produkte in gewohnter Qualität liefern.
Unterstützung beim schnellen Wiederhochfahren kann KMUs eine schlanke Automatisierung bieten: Indem die Firmen flexible Cobots in der Fertigung einsetzen, sind sie in der Lage, ihr Produktionsvolumen auszuweiten. Besonders lukrativ ist es für Mittelständler, wenn sie einzelne kollaborierende Roboter an mehreren unterschiedlichen Stationen im Unternehmen einsetzen. Diese Investitionen sind überschaubar und amortisieren sie sich in der Regel bereits innerhalb eines Jahres.
Vema rüstet Cobots in 30 Minuten um
Wie eine flexible Fertigung aussehen kann, zeigt der Kunststoffverarbeiter Vema: Vier Cobots sind hier im Einsatz und beschicken eine lichttechnische Messanlange, erledigen Pick-and-Place-Aufgaben und kümmern sich um das Verpacken. In Zukunft automatisieren sie außerdem Aufgaben in der Montage. Doch Flexibilität geht hier über verschiedene Anwendungen hinaus: Der Automobilzulieferer achtet darauf, dass er seine kollaborierenden Roboter auch bei unterschiedlichen Maschinen-Set-ups und Losgrößen verwenden kann.
Innerhalb einer halben Stunde bewegen Mitarbeiter die Cobots an eine neue Arbeitsstelle, rüsten sie um und nehmen sie in Betrieb. Damit kann das Unternehmen flexibler auf die Marktanforderungen der anspruchsvollen Automobilindustrie reagieren. Innerhalb von zwei Jahren steigerte der Mittelständler so seine Produktivität an den Stationen mit Robotern um 30 Prozent. Bei konstanter Mitarbeiterzahl kümmert sich VEMA nun stärker um die Bereiche Produktqualität und Kundenzufriedenheit.
Kollaborierende Roboter reduzieren Kosten bei Albrecht Jung
Auch der Hersteller von Elektroninstallationskomponenten Albrecht Jung, der seine gesamte Wertschöpfungskette an Lean-Prinzipien ausrichtet, nutzt Cobots für unterschiedliche Aufgaben wie Pick-and-Place, zum Verschrauben, zum Verpacken und für die Montage von Teilen.
Nachdem zunächst ein UR5 von Universal Robots die Mitarbeiter bei der Montage von Smart Radios unterstützt hatte, stellte der Mittelständler aus Schalksmühle schnell fest, welche Funktionsvielfalt diese haben: Nun suchen die Mitarbeiter selbst weitere passende Applikationen für die kollaborierenden Roboter und übernehmen auch gleich die Programmierung. Damit lassen sich Kosten und Durchlaufzeiten erheblich senken.
Neue Generation von Cobots eignet sich für Materialumschlag
Die Leistungsfähigkeit von Cobots wird ständig optimiert, so dass sie auch anspruchsvollere Aufgaben im Materialumschlag übernehmen können.
Die aktuelle Version des UR10e von Universal Robots bewältigt zum Beispiel nun eine Traglast von 12,5 kg bei einer Reichweite von 1300 mm. Auf diese Weise lässt sich der Cobot variabel bei unterschiedlichen Anwendungen wie Maschinenbeschickung, Materialumschlag, Verpacken und Palettieren einsetzen, bei denen Teile und Produkte mit einem höheren Gewicht gehandhabt werden. Der leistungsfähigere kollaborierende Roboter eignet sich zudem für Linien, in denen Erzeugnisse mit unterschiedlichen Gewichten zu bewegen sind.
Diese neue Version hat bereits Eingang in einen Cobo-Stack-Stapelroboter gefunden, mit dem MBO Postpress Solutions Druckereien das Abstapeln von Paketen mit gefalzten Signaturen hinter Falzmaschinen abnimmt. Dafür greift der Cobot die Stapel und setzt sie mittels einer variablen Zange auf Paletten ab. Dank der erweiterten Traglast hebt der Stapelroboter jetzt auch größere Pakete und schwerere Produkte wie klebegebundene und rückstichgeheftete Kataloge und Broschüren. Anwender können den Cobot somit variabler einsetzen und damit ihre Produktivität steigern.
Durch Vision-Systeme lernen Cobots Sehen
Noch flexibler wird es mit einem Zusammenschluss von Künstlicher Intelligenz (KI) und Cobots: Mithilfe von KI können Anwender die Roboter unter anderem für den Greifvorgang an sich anlernen – und nicht mehr für spezifische Werkstücke. Mittelständlern gelingt es dank KI in wenigen Schritten, Cobots selbst in ihre Produktion zu integrieren. Diese agieren dadurch flexibler und können sich spontan auf wechselnde Aufträge in High-Mix/Low-Volume-Produktionen einstellen.
Vor allem Vision-Systeme auf Basis von Machine Learning kommen an dieser Stelle zum Einsatz: UR-Roboter können zum Beispiel beliebige zu greifende Objekte erkennen, wenn sie mit der Lösung Robobrain Vision von Robominds ausgestattet werden. Eine am Roboterarm oder über der Station montierte Kamera erkennt mittels KI und Vision-Algorithmen die Produkte, ohne dass der Cobot zuvor angelernt wurde.
Koordinatenunabhängig findet er die Greifpunkte selbständig: Der sogenannte „Griff in die Kiste“ ist möglich, da der kollaborierende Roboter zielgerichteter greift und auch unsortierte Werkstücke einzeln erfasst. Damit können KMUs Anwendungen in der Kommissionierung und Logistik leichter automatisieren – und langfristig die Produktivität steigern.
ZF Friedrichshafen automatisiert Werkstückaufnahme mit KI
Eine Vision-basierte Robotersteuerung verwendet auch der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen zur Vorbereitung der Zahnrad-Produktion. Dafür müssen vom Roboter Metallringe aus einer Kiste entnommen und auf ein Förderband abgelegt werden.
Die simpel klingende Applikation weist dabei viele Hindernisse für den Cobot auf: Die Positionen der Ringe in der Kiste verschieben sich, der Standplatz der Kiste variiert, Sonnenlicht fällt auf die Ringe und auf manchen Ring-Oberflächen befindet sich Öl oder Rost. Nur dem menschlichen Kollegen gelang es, mit diesen zahlreichen Varianzen sicher umzugehen.
Aus diesem Grund führte ZF eine automatisierte Werkstückaufnahme ein, die es dem Cobot mithilfe von KI ermöglicht, seinen Arbeitsbereich wahrzunehmen und seine Bewegungen bei jeder Aufgabe nach Bedarf zu korrigieren. Die Werker programmierten den UR10e über seine Steuerung so, dass er sich über einem einzelnen Ring in der Kiste in Position bringt.
Danach übernimmt die KI des Vision-basierten Systems Mirai von Micropsi Industries die Kontrolle: Sie bewegt den Roboter selbständig zum nächsten Ring und bringt den Greifer in die korrekte dreidimensionale Greifposition. Nachdem diese Position erreicht ist, ist wieder das System des UR10e an der Reihe, es hebt den Ring auf und bewegt ihn zum Ablegen auf das Förderband.
Auf diese Weise löste Mirai die Probleme, die durch die Varianzen entstanden waren, deutlich schneller und zuverlässiger, als es zuvor eine klassische Roboterprogrammierung konnte.
Künstliche Intelligenz erweitert Anwendungsmöglichkeiten von Cobots
Cobots sind flexible Alleskönner: Mit der passenden Peripherie und ihrer Leichtbauweise lassen sie sich für verschiedenste Anwendungen und sogar als mobile Applikationen einsetzen. Der Zusammenschluss mit KI-Steuerungen wird Anwendern künftig zahlreiche weitere Möglichkeiten bieten, da Cobots mithilfe von Bildverarbeitungssystemen ihre Umgebung mehrdimensional wahrnehmen.
Die kollaborierenden Roboter erkennen Objekte, auch wenn diese sich stapeln oder überlagern, was deren Programmierung vereinfacht. Sie übernehmen durch KI nun auch Aufgaben, die bisher dem Menschen vorbehalten waren: zum Beispiel das Handling unsortierter Teile, Volumenmessungen und Qualitätskontrollen. KMUs gelingt so die schnelle und flexible Integration ihrer Cobots – und ihr variabler Einsatz für eine gesteigerte Produktivität.
* Andrea Alboni, General Manager Western Europe, Universal Robots
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