Fast Charge Elektrofahrzeuge in fünfzehn Minuten voll aufladen

Kristin Rinortner

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Schnellladen ist eine wichtige Voraussetzung für die breite Akzeptanz der Elektromobilität. Wie die Steigerung der Ladeleistung auf 450 kW funktioniert, zeigte das Projekt Fast Charge.

Bild 1: 450 kW stellt die Ladestation (rechte Ladesäule) zur Verfügung, die zweite Ladestation (links) bringt es auf 175 kW.
Bild 1: 450 kW stellt die Ladestation (rechte Ladesäule) zur Verfügung, die zweite Ladestation (links) bringt es auf 175 kW.
(Bild: Phoenix Contact)

Die am Forschungsprojekt Fast Charge beteiligten Industrieunternehmen haben die jüngsten Fortschritte auf dem Gebiet der schnellen und komfortablen Energieversorgung von Elektrofahrzeugen im bayerischen Jettingen-Scheppach präsentiert: An der A8 zwischen Ulm und Augsburg wurde im Dezember 2018 der Prototyp einer Ladestation mit einer Leistung bis zu 450 kW eingeweiht.

Elektro-Forschungsfahrzeuge aus diesem Projekt erzielen an dieser Ultra-Schnellladestation Ladezeiten von weniger als 3 min für die ersten 100 km Reichweite bzw. 15 min für einen vollen Ladevorgang (10 bis 80 % State of Charge (SOC)).

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Im Rahmen von FastCharge wird untersucht, welche technischen Voraussetzungen an Fahrzeugen und Infrastruktur erfüllt werden müssen, um die extrem hohen Ladeleistungen einsetzen zu können. Die Basis bildet eine leistungsstarke Ladeinfrastruktur.

Das im Projekt eingesetzte Energieversorgungssystem von Siemens ermöglicht es, die Grenzen der Schnellladefähigkeit der Fahrzeugbatterien zu erproben. Es kann schon heute mit höheren Spannungen bis zu 920 V arbeiten, die bei zukünftigen Elektrofahrzeugen erwartet werden.

Hochleistungselektronik für die Ladeanschlüsse

In das System wurden sowohl die Hochleistungselektronik für die Ladeanschlüsse als auch die Kommunikationsschnittstelle zu den Elektrofahrzeugen integriert. Der Lade-Controller passt die abzugebende Leistung automatisch an, so dass verschiedene Elektroautos mit einer Infrastruktur geladen werden können.

Mit der flexiblen, modularen Architektur des Systems lassen sich mehrere Fahrzeuge simultan laden. Dank der hohen Stromstärken und Spannungen sind zahlreiche unterschiedliche Einsatzgebiete, beispielsweise für Flottenladelösungen oder, wie im Fall auf der A8, das Laden an Autobahnen, möglich.

Für den Anschluss an das öffentliche Stromnetz in Jettingen-Scheppach wurde im Projekt ein Ladecontainer mit zwei Ladeanschlüssen realisiert: Ein Anschluss hat eine Ladeleistung von max. 450 kW, der Zweite gibt bis zu 175 kW ab. Beide Ladesäulen können ab sofort kostenlos mit allen CCS-fähigen Fahrzeugen genutzt werden.

Konstruktion und Kühlung von Ladestecker und Ladekabel

Die jetzt vorgestellten Ladesäulen-Prototypen von Allego nutzen die Ladestecker des bewährten Combined Charging System (CCS) in der Typ-2-Variante für Europa. Dieser Ladestandard hat sich bei zahlreichen elektrifizierten Fahrzeugen bewährt und ist in weiten Teilen der Erde verbreitet.

Um den beim schnellen Aufladen mit besonders hoher Leistung auftretenden thermischen Problemen entgegenzuwirken, kommen gekühlte HPC-Ladekabel und -Steckverbinder (High Power Charging) von Phoenix Contact zum Einsatz, welche vollständig CCS-kompatibel sind.

Der Grund ist einfach: Je höher die Spannung und die Stromstärke (bis 920 V / 500 A) sind, desto mehr Wärme entsteht. Deshalb müssen die Systeme gekühlt werden. Als Kühlflüssigkeit wird ein umweltfreundliches Wasser-Glykol-Gemisch verwendet, wodurch der Kühlkreislauf halboffen gestaltet werden kann.

Dadurch ist die Wartung im Gegensatz zu hermetisch geschlossenen Systemen, die mit Öl arbeiten, vergleichbar einfach, beispielsweise wenn Kühlflüssigkeit nachgefüllt wird.

Eine Herausforderung bei der Entwicklung der Ladesteckverbinder bestand darin, die in der Ladeleitung befindlichen Kühlschläuche beim Anschließen an die Ladesäule nicht zu quetschen. Das würde mit einer herkömmlichen Kabelverschraubung passieren. In diesem Fall würden der Kühlfluss und damit die Kühlleistung beeinträchtigt werden.

„Verpackung“ der Kühlschläuche

Dieses Problem wurde von Phoenix Contact gelöst durch eine speziell entwickelte Wanddurchführung mit definierten Schnittstellen für Leistungsübertragung, Kommunikation und Kühlung sowie integrierter Zugentlastung. Die Einrichtungszeit einer HPC-Ladestation entspricht fast der von herkömmlichen E-Tankstellen.

Ladekabel an öffentlichen E-Tankstellen sind zudem starken mechanischen Beanspruchungen ausgesetzt – etwa wenn sie fallen gelassen oder überfahren werden. Das Steckgesicht wird dabei am meisten beansprucht und auch geschädigt.

Daher wurde der HPC-Stecker so entwickelt, dass sich Steckgesichtsrahmen und Leistungskontakte schnell austauschen lassen. Die Reparatur ist somit einfach und zeitsparend, sodass Ausfallzeiten der Ladesäulen minimiert werden und ein kostspieliger Austausch des gesamten Ladekabels vermieden wird.

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Sensorik im Ladestecker zur Zustandsüberwachung

Eine im Steckverbinder integrierte Sensorik liefert Informationen über den generellen Zustand des HPC-Steckers, seinen Gebrauch und Verschleiß sowie weitere Analysedaten. Alle Informationen werden im Ladestecker gespeichert und zusätzlich in Echtzeit an den Betreiber übermittelt.

Zur Sicherheit wird das System permanent auf Überhitzung überwacht. Das HPC-Ladekabel ist CE-zertifiziert und erfüllt alle erforderlichen Normen.

Eine der größten Herausforderungen bei der Entwicklung des Schnellladesteckers war es, den Querschnitt des Ladekabels sowie die Größe und das Gewicht des Ladesteckers so praktisch wie möglich zu gestalten.

Dies war nur durch die Entwicklung einer effizienten Kühlung sowie durch einen durchdachten Kabelaufbau möglich. Bild 2 zeigt einen Querschnitt durch den Ladestecker und das Ladekabel. Darüber hinaus sind die Steckverbinder mit versilberten Kontakten versehen; sie enthalten einen Kontaktträger, der dank seiner guten Wärmeleitung gleichzeitig als Kühlkörper dient. Dadurch wird eine besonders hohe Stabilität bei optimaler Kühlleistung erzielt.

Ladeleistung passt sich automatisch an

Je nach Fahrzeugmodell kann die neue Ultra-Schnellladestation sowohl für Fahrzeuge mit 400-V- als auch 800-V-Batteriesystemen eingesetzt werden. Ihre Ladeleistung passt sich automatisch der maximal zulässigen Ladeleistung des Fahrzeugs an. Die Zeitersparnis, die durch höhere Ladeleistungen erzielt werden kann, lässt sich am Beispiel des BMW i3 Forschungsfahrzeugs darstellen.

Für einen Ladevorgang von 10 bis 80 % SOC der Hochvoltbatterie mit einer Netto-Kapazität von 57 kWh werden nur noch 15 min benötigt. Dies kann fahrzeugseitig durch den speziell entwickelten Hochvoltspeicher in Kombination mit einer intelligenten Ladestrategie erreicht werden. Dazu zählen u.a. die genaue Vorkonditionierung der Speichertemperatur bei Ladestart, Temperaturmanagement während des Ladevorgangs und ein perfekt abgestimmtes Profil der Ladeleistung über die Zeit.

Der Ladevorgang erfolgt über ein neuartiges fahrzeugseitiges Mehrspannungsnetz mit einem Hochvolt-DC/DC-Wandler, in dem die geforderte 800-V-Eingangsspannung der Ladesäule auf die niedrigere 400-V-Systemspannung des BMW i3 Forschungsfahrzeugs transformiert wird. Durch den HV-DC/DC-Wandler kann das Fahrzeug auch rückwärtskompatibel an allen alten und zukünftigen Ladestationen Strom tanken.

Standardisierung und Interoperabilität

Entscheidend für einen zuverlässigen Betrieb ist die gesicherte Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladesäule. Deswegen werden ebenso Standardisierungsthemen zur Interoperabilität erforscht und in Normierungsgremien gebracht. Das Porsche Forschungsfahrzeug mit einer Netto-Batteriekapazität von ca. 90 kWh erreicht eine Ladeleistung von über 400 kW und damit Ladezeiten von weniger als 3 min für die ersten 100 km Reichweite.

Dieser Beitrag stammt von unserem Partnerportal Elektronikpraxis.de.

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