Horizontale Fördertechnik Ohne Antriebstechnik funktioniert der Materialfluss nicht

Von Karin Pfeiffer

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Horizontale Fördertechnik hält Material im Fluss. Martin Prescher, Business Development Intralogistik bei der Siemens AG, erklärt, worauf es bei der Antriebstechnik ankommt.

Martin Prescher, Business Development Intralogistik, Siemens AG: „Besonders ausgeprägte Trends bei der Antriebstechnik für die Fördertechnik sind Funktionen zur Digitalisierung und Zustandsüberwachung."
Martin Prescher, Business Development Intralogistik, Siemens AG: „Besonders ausgeprägte Trends bei der Antriebstechnik für die Fördertechnik sind Funktionen zur Digitalisierung und Zustandsüberwachung."
(Bild: Fotostudio Peter GbR/Siemens)

Wenn es um die Antriebstechnik geht: Lässt sich horizontale Fördertechnik in unterschiedliche Anwendungsfelder aufteilen?

Martin Prescher: Anwendungen für horizontale Fördertechnik finden sich in sehr vielen Branchen wieder, denn ihre Applikationen sind sehr vielfältig. Einen besonders starken Boom erfährt hingegen aktuell die Logistik und Intralogistik. Die Applikationen reichen von klassischen Rollen-, Ketten-, Gurt- und Tray-Förderern bis hin zu Drehtischen, Eckumsetzern und Querverschiebewägen sowie Elektrohänge- als auch Elektrobodenbahnen. Daneben gibt es noch Spezialapplikationen, die im Rahmen der Vereinzelung (Singulation) und Sortierung eingesetzt werden. Ein besonderer Trend ist bei den Fahrerlosen Transportsystemen (AGVs) erkennbar, die sich als flexibles und skalierbares System auszeichnen.

Und welche Art von Antriebslösung eignet sich wann? Mit oder ohne Getriebe?

Martin Prescher: Mehrheitlich werden im Markt drehzahlveränderbare Antriebe mit Frequenzumrichtern eingesetzt, wohingegen immer weniger Motorstarter oder Netzbetrieb Anwendung findet. In klassischen Förderanwendungen kann man generell feststellen, dass sich dort, wo Güter mit nennenswertem Gewicht horizontal gefördert werden sollen, drehmomentstarke, kostengünstige und effiziente Stirnrad-, Flach und Kegelradgetriebemotoren in Verbindung mit einem dezentralen Umrichter am Markt etabliert haben.

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Worauf kommt es dabei an?

Martin Prescher: Ob Motoren mit Axial- oder Winkelgetriebe eingesetzt werden, hängt ganz von den Ein- und Anbaubedingungen ab, als auch von den Effizienzanforderungen und dem geplanten Budget. Bei Klein- und Leichtgütern werden zunehmend Rollen mit motorintegriertem DC 48V Antrieb in kleineren Leistungsbereichen für Rollenbahnen und Containertransport gewählt. Auch anstelle von fest installierten Förderern werden immer mehr flexible AGVs eingesetzt, wo ebenfalls DC 24V/48V Techniken eingesetzt werden, die aber einen geringeren Durchsatz aufgrund kleinerer Leistungen haben.

Gibt es spezielle Anforderungen in der horizontalen Fördertechnik, die Antriebslösungen generell erfüllen müssen?

Martin Prescher: Besonders wichtig ist die Zuverlässigkeit der Antriebe, um die Anlagenverfügbarkeit sicher zu stellen und Anlagenstillstände zu vermeiden. Damit einher geht auch ein robuster Aufbau der Antriebe, um im Servicefall beschädigte Komponenten schnell und einfach austauschen und sowie instand setzen zu können. Der Aufbau des neuen Sinamics G115D ist mit seiner modularen Architektur aus Wiring Module und schnell wechselbarem Electronic Module sowohl robust als auch servicefreundlich. Nach wie vor liegt ein großer Fokus auf energieeffizienten Antrieben, die es unseren Kunden ermöglichen ihre Energieverbräuche zu reduzieren und damit ihren Beitrag zum Umweltschutz und zur Schonung von Ressourcen leisten zu können.

Weitere typische Anforderungen sind die Kompaktheit und Erhöhung der Leistungsdichte, zudem: zuverlässig, energieeffizient, kompakt, kostenoptimiert, wartungsarm und geräuschreduziert in Personenbereichen.

Welche Aspekte spielen eine besonders große Rolle. Lassen sich hier Trends erkennen?

Martin Prescher: Besonders ausgeprägte Trends sind Funktionen zur Digitalisierung und Zustandsüberwachung. Benötigt wird eine Konnektivität um System- und Betriebszustandsdaten in übergeordneten Steuerungen bzw. Systemen analysieren und optimieren zu können, um die Zuverlässigkeit und Anlagenverfügbarkeit zu erhöhen. Eine zunehmende Bedeutung gewinnt auch die Systemenergieeffizienz, bei welcher der gesamte Antriebsstrang betrachtet wird, als auch Safety Funktionen zur Vermeidung von Unfällen und Personenschäden. Dennoch soll auch für ungeschultes Personal eine einfache und schnelle Montage, Verdrahtung und Inbetriebnahme des Antriebssystems möglich sein.

Zugleich soll die Antriebstechnik auch komfortable Diagnoseschnittstellen bieten, z.B. über das webbasierte Smart Access Module oder zeitsparende Funktionen, wie die ,Masseninbetriebnahmen‘ in größeren Anlagen mit einer Vielzahl an Antrieben.

Stichwort Energieeffizienz: Was ist Pflicht?

Martin Prescher: Da Elektromotoren einen Großteil des Energieverbrauchs in den Applikationen ausmachen, bieten sie für den Kunden große Einsparpotenziale. Die Mindestwirkungsgrade für energieeffiziente Antriebe werden in Normen für Netzmotoren, Umrichtermotoren (Variable Speed Drives) und Umrichtern spezifiziert, welche jedoch häufig Region- oder Länderspezifisch sind.

Für die typischerweise 4-poligen Getriebemotoren definiert in Europa seit 01. Juli 2021 die neue Ökodesign-Verordnung (EU) 2019/1781 die Mindestenergieeffizienzklasse für Netzmotoren der Leistung 0,12-0,75 kW verpflichtend IE2 und ≥0,75 kW verpflichtend IE3. Bei Umrichtern gilt für 3AC-Geräte von 0,12-1.000 kW die Effizienzklasse IE2.

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Und was gilt als Kür?

Martin Prescher: Neben dem Thema Energieeffizienz sollte jedoch auch die Nachhaltigkeit des Antriebssystems unter Berücksichtigung des gesamten Produktlebenszyklus (inkl. Herstellung, Betrieb und Recycling) in Betracht gezogen werden. Deshalb bietet Siemens eine effiziente und nachhaltige Lösung mit Synchronreluktanzmotoren der Energieeffizienzklasse IE4 an.

Hierbei verzichtet Siemens auf den Einsatz von Permanentmagneten (Seltene Erden Magneten), was deutliche Vorteile in puncto Nachhaltigkeit mit sich bringt. Darüber hinaus sollte man neben der Energieeffizienz der Antriebskomponenten auch die jeweilige Kundenanwendung und den Lastzyklus nicht außen vorlassen, da sich hier weitere Einsparpotenziale ergeben können.

Wann spielen zentrale Konzepte in der horizontalen Fördertechnik ihre Stärken aus?

Martin Prescher: Ob ein zentrales oder dezentrales Konzept zum Tragen kommt, ist abhängig von der Kundenanwendung und Umgebung. Bei zentralen Konzepten werden viele Komponenten der Automatisierungs- und Antriebstechnik innerhalb eines Schaltschranks installiert. Die Vorteile sind hier u.U. geringere Hardwarekosten von Schaltschrankkomponenten (z.B. IP20 Geräte) im Gegensatz zu dezentraler Antriebstechnik. Erhöhte Verkabelungsaufwände und die Begrenzung der Motorleitungslängen, die zudem verlustbehaftet sein können, sind bei zentralen Schaltschranklösungen nachteilig.

Und wann dezentrale?

Martin Prescher: Bei großen bzw. verteilten Anlagen wie sie häufig im Bereich der Fördertechnik anzutreffen sind, können dezentrale Konzepte hingegen ihre Vorteile ausspielen. Vorkonfektionierte Leitungen reduzieren die Aufwände der Verdrahtung sehr, (und) I/Os der Applikationen können bereits vor Ort im Antrieb gesammelt/eingelesen und verarbeitet werden. Unser neues System Sinamics G115D ist im Bereich der Fördertechnik der ideale Antrieb für dezentrale Konzepte/Lösungen. Die flexiblen Konfigurationsmöglichkeiten, sowie die vollständige Integration in das Totally Integrated Automation System (TIA), ermöglichen es dem Anwender die Antriebstechnik schnell und einfach in ihre Gesamtanlage zu integrieren.

Ein weiterer Vorteil ist die einfache Inbetriebnahme vor Ort und die zeiteffiziente Masseninbetriebnahme vieler Antriebe.

Zur Person: Martin Prescher

Nach seinem Studium an der Hochschule in Hannover begann Martin Prescher seine berufliche Laufbahn zunächst als Berater für Antriebstechnik bevor er 2017 als Produktmanager für Motion Control Systeme mit Getriebemotoren bei der Siemens AG einstieg. Heute unterstützt Martin Prescher das Business Development Intralogistik des Unternehmens in Erlangen.

* Karin Pfeiffer ist freie Journalistin in München.

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