Netzwerke synchronisieren Automation in der Druck-Und Papierindustrie

Autor / Redakteur: Martin Witzsch / Reinhard Kluger

Kleine Stückzahlen und Hochlohnstandorte sind ein K.-o.-Kriterium – es sei denn man ist innovativ. Mit überlegener Technik sind Kundennähe und maßgeschneiderte Produkte ein Plus, das honoriert wird. WIFAG behauptet sich so im Markt, mit (r)evolutionären Lösungen und flexiblen WAGO Produkten, wie dem WAGO-I/O-SYSTEM, WAGO Reihenklemmen und WINSTA Steckverbindern. Ein besonderes technisches Kabinettstück dabei ist Synchronisation von Sercos- und CANopen-Netzwerken.

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Seit über einem Jahrhundert produziert WIFAG in Bern Maschinen für die Zeitungstechnik. Der Erfolg der Schweizer beruht auf ihrer Innovationskraft und auf einem modularen, ausbaufähigen Maschinenkonzept. So können Kunden mit heute gekauften Maschinen von WIFAG-Ideen von morgen profitieren. Diese Zukunftssicherheit überzeugte auch die NZZ, die Neue Zürcher Zeitung. Deren Druckzentrum in Schlieren erhielt zwei „WIFAG evolution 471“ Zeitungsrotationsmaschinen, die so tief wie keine vergleichbare Anlage zuvor in die digitale Fertigung integriert wurden. Bisher manuell gesteuerte Vorgänge, Schnittlageregelung und Farbregisterregelung, sind über bilddatenbasierende Verfahren automatisiert. Dazu wird das fertige Produkt mit optischen Systemen erfasst und mit den digitalen Bilddaten der Druckvorstufe verglichen. Bisher schwer beherrschbare Fehlerquellen ließen sich so ausschalten: Ist z.B. das Papier sehr feucht, dehnt es sich stärker. Der Druck war dann bei herkömmlicher Technik trotz korrekter Walzenpositionen fehlerhaft. Die bilddatenbasierenden, geschlossenen Regelkreise korrigieren solche Abweichungen automatisch. So wird eine schnelle Reaktion und damit eine Minimierung an Ausschuss erzielt. Da die Prozessdaten bequem dokumentiert werden können, lässt sich über die reine Steuerungsfunktion hinaus ein zuverlässiges Qualitätsmanagement etablieren.

Auf Innovationen fest abonniert

Die NZZ hat weit mehr gekauft als „nur“ modernste Maschinen: WIFAG arbeitet mit Hochdruck an eindrucksvollen Erweiterungen, für die die 471er bereits vorbereitet sind. Daher auch der Markenname „evolution“: Maschinen, die weiterentwickelt werden. So soll in naher Zukunft auch die Farbdichteregelung automatisiert werden. Dass immer die richtige Menge jeder Farbe zur Verfügung steht, hing bisher im wahrsten Sinn des Wortes vom Fingerspitzengefühl des Druckers ab: Er regelt ab Leitstand die Farbmengen, die auf die Walzen laufen. Eine Arbeit, die viel Erfahrung erfordert. Feine Abweichungen sind trotzdem unvermeidlich, besonders wenn mehrere Drucker (mit unterschiedlichen Bildvorstellungen) die Maschine bedienen. Selbst anspruchsvollsten Zeitungslesern fallen diese Nuancen nicht auf. Kritisch wird es jedoch, wenn Anzeigenkunden „ihre“ Farben nicht wiederfinden. Eine automatische Farbdichteregelung kann dies vermeiden, erweitert Farb- und Platzierungsmöglichkeiten und erlaubt es darüber hinaus, für das Qualitätsmanagement den Herstellungsprozess jeder Ausgabe lückenlos zu dokumentieren.

Genau so ehrgeizig ist die zweite, fest eingeplante Innovation: CtPress (Computer-to-press). Das bedeutet nicht weniger, als den Einsatz löschbarer Platten, die in der Maschine verbleiben und dort per Laserbelichter bebildert werden. Eine separate Plattenstraße zur Herstellung der Druckplatten würde komplett entfallen. Die Zeitersparnis ist dramatisch: Beim herkömmlichen Computer-to-Plate Verfahren, benötigt man für die Plattenherstellung einer umfangreichen Wochenendausgabe mehrere Stunden. Mit Computer to press wären es nur wenige Minuten bei gleichzeitiger Belichtung aller Platten in der Maschine. Die Zeitersparnis erlaubt einen späteren Redaktionsschluss und damit eine höhere Aktualität. Ein CtPress-Prototyp läuft bereits in der WIFAG Entwicklungsabteilung.

Tanzboden für Automatisierer

„Automation in der zweiten Ebene“ nennt WIFAG sein Konzept, denn klassische Automationsstrukturen sind im Zeitungsdruck schon lange zu finden. „Wir wollten aber mehr, als nur die Automatisierung vorantreiben“, erläutert Dipl. Ing. Daniel Burri, Gruppenleiter Steuerungen und Automation bei WIFAG. „Wir wollten eine neue, völlig offene Ideen-Plattform, eine Art Tanzboden schaffen, der maximale Beweglichkeit garantiert. So sind wir auch auf das WAGO-I/O-SYSTEM gestoßen, das uns größtmögliche Flexibilität bietet. Wir wollen unseren Kunden mit unserem modularen System jedwede Option zum Erweitern bieten. Selbst für Komponenten, die zum Zeitpunkt des Kaufs noch nicht zur Verfügung stehen. Aber diese Modularität darf den Preisrahmen nicht sprengen. Mit dem WAGO-I/O-SYSTEM müssen wir dem Kunden nur die Ein- und Ausgänge liefern und berechnen, die er wirklich braucht und haben trotzdem alle Optionen zum Nachrüsten.“ Als Beispiel führt Daniel Burri eine Gummituchwaschanlage an, ein äußerst nützliches, aber nicht zwingend notwendiges Extra für den Nass-Offset-Druck. Das Gummituch dient zum Auftragen der Farben auf das Papier. Bei einer so kostspieligen Investition wie einer Druckmaschine, fallen Extras wie eine Gummituchwaschanlage leicht dem begrenzten Budget zum Opfer. Auf lange Sicht jedoch könnte diese Entscheidung die Wartungskosten unnötig hochtreiben. WIFAG kann nicht zuletzt dank des WAGO-I/O-SYSTEMs problemlos eine Basisversion der Druckmaschine verkaufen. Der Kunde kann bei Bedarf jederzeit nachrüsten.

Standardbusse und ein aufgebohrter CAN

Den vielfältigen Aufgaben in der digitalen Drucktechnik und der gewünschten Zukunftssicherheit wird ein Bussystem allein nicht gerecht. Deshalb bietet die von WIFAG genutzte Symac-Steuerung mehreren Bussen Anschluss: Für die extrem zeitkritische Steuerung der Antriebe dient Sercos II, der vorherrschende Antriebsbus für wellenlose Zeitungsdruckmaschinen. Der Profibus ist ebenfalls zu finden z.B. zur Verbindung der Maschinensteuerungen untereinander. Außerdem erfordern viele Leitstände, Arbeitsvorbereitungssysteme etc. diesen Automatisierungsklassiker.

Auch Ethernet ist spätestens seit dem Einzug der digitalen Bildbearbeitung ein fester Bestandteil der WIFAG Anlagen. Die Datenmenge einer einzigen Platte kann leicht 100 Mbyte und mehr betragen, die Übertragung ist aber nicht zeitkritisch – eine ideale Anwendung für ein leistungsfähiges Ethernet Netzwerk. Diese Datenautobahnen können zugleich für die erwähnten bilddatenbasierenden Regelungssysteme genutzt werden

Eine Sonderrolle nimmt CANopen ein, der durch einen Trick sogar mit Sercos mithalten kann. Daniel Burri erläutert seine Taktik: „Wir könnten natürlich die gesamte Peripherie über Sercos II anbinden, müssten dafür aber Lichtwellenleiter nutzen. Für viele Peripheriebereiche wäre das unverhältnismäßig teuer. Für kleine Gruppen und kurze Leitungslängen, wie sie innerhalb einzelner Module, Rollenwechsler, Falzapparate usw. auftreten, ist CANopen sehr viel wirtschaftlicher. Außerdem ist bei Peripheriegeräten Sercos nicht verbreitet. Für CANopen existiert ein viel größerer Markt.“ Damit Sercos und CAN synchron bleiben, greifen die WIFAG Entwickler auf die CAN-Variante „CAN sync“ zurück, die Daniel Burri scherzhaft aber treffend als „aufgebohrten CAN“ bezeichnet. Dieser erfüllt die CANopen Spezifikation, ist aber mit einem zusätzlichen Synchronisierkanal versehen, der die Sercos Taktung übernimmt. Das Resultat ist ein zuverlässiger Determinismus zu einem günstigen Preis. Diese Anbindungen erfolgen über das WAGO-I/O-SYSTEM. Als physikalische Verbindung dienen gewöhnliche Firewire-Patchkabel, die für weniger als 20 Cent zu haben sind. Für die WAGO Koppler wird nur noch ein Platinenadapter benötigt.

Elektromechanik für den maschinennahen Einsatz

Die fortschreitende Automatisierung hatte auch Konsequenzen für die Elektromechanik. Die ersten Steuerungen waren weit ab von den Druckmaschinen gut geschützt in Schaltschrankräumen untergebracht. Die modulare (und damit dezentrale) Automation erfordert jedoch kurze Wege zur Maschine. Die riesigen Maschinen (ein einziger Druckzylinder kann leicht zwei Tonnen auf die Waage bringen) lassen ihr gesamtes Umfeld schwingen und vibrieren. Keine Umgebung für allzu sensible Technik. „Früher kam die Peripherie von Leittechniklieferanten, „erinnert sich Daniel Burri. „Das waren nicht immer optimale Lösungen. Deswegen haben wir bereits 1994 auf WAGO Reihenklemmen mit CAGE CLAMP®-Anschlusstechnik umgerüstet. Das spart uns Geld und hilft Fehler zu vermeiden. Glücklicherweise ist das WAGO-I/O-SYSTEM ebenfalls mit dieser Technik ausgestattet und auch sonst sehr robust.“ Die guten Erfahrungen mit WAGO brachten die WIFAG Techniker auf die Idee, auch bei der Gebäudetechnik Anleihen zu nehmen: Sie nutzen das WAGO WINSTA Steckverbindersystem. Daniel Burri erläutert die Gründe: „Wir können mit dem Anschließen eines Steckers kein Geld mehr verdienen. Es ist günstiger, fertige Teile von WAGO zu kaufen.“ So wird das modulare Konzept bis hin zur Anschlusstechnik konsequent realisiert. Mit dieser Flexibilität und der Zuverlässigkeit der Komponenten sind WIFAG Druckmaschinen eine zukunftssichere und wirtschaftliche Investition.

Dipl. Phys. Martin Witzsch, Leiter Fachpresse, WAGO, Minden.

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