Hybrid-Roboter Cobot-Palettierung mit Tempo

Von Stefan Westermann*

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Cobot oder Industrieroboter? Wer sich zwischen direkter, flexibler Mensch-Roboter-Kollaboration und Tempo entscheiden muss, steckt da mitunter in der Zwickmühle. Palettier-Anlagenbauer Segbert hat den goldenen Mittelweg gewählt: einen Hybrid-Roboter.

Kompakte Anlage mit Modi-Wechseln: Die CPA-10 kann auf bis zu zwei Paletten dynamisch palettieren und depalettieren.
Kompakte Anlage mit Modi-Wechseln: Die CPA-10 kann auf bis zu zwei Paletten dynamisch palettieren und depalettieren.
(Bild: Segbert GmbH & Co. KG)

Bei der Segbert GmbH & Co. KG in Ahaus, nahe der holländischen Grenze, dreht sich alles um das Handling von Papier und Pappe. Und damit um ein „ziemlich schwieriges Produkt“, wie Geschäftsführer Klaus Segbert die Herausforderung in der Druck- und Verpackungsindustrie gern beschreibt. Das 1968 gegründete Unternehmen begegnet den branchenspezifischen Aufgabenstellungen mit intelligenten Konzepten und Lösungen, insbesondere zum automatisierten Stapeln und Palettieren von losen Paketen und Verpackungsstücken.

Bislang setzten die Ahauser ihren Schwerpunkt mit großen Lagen-Palettierern, von denen weltweit über 300 vor allem in Druckereien und anderen Betrieben der grafischen Industrie zum Einsatz kommen. Doch haben die Verantwortlichen bei Segbert längst neue Kernmärkte im Blick, etwa die Kosmetik- und die Süßwarenindustrie. Diese Kundensegmente stellen naturgemäß ganz andere Anforderungen: „In vielen Supermärkten werden Produkte heute direkt von der Palette verkauft. Die Verpackungsformen sind entsprechend vielfältig – bis hin zu runden und oben offenen Gebinden“, weiß Klaus Segbert und erklärt: „Mit einem klassischen Lagen-Palettierer lässt sich das nicht darstellen.“ Gefragt seien vielmehr kompakte, flexible und einfach verfahrbare End-of-Line-Anlagen.

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Vor diesem Hintergrund machte man sich bei Segbert auf die Suche nach geeigneten Lösungen. Schnell stand fest, dass Knickarmroboter dabei eine wichtige Rolle spielen sollten. Allerdings standen Klaus Segbert und seine Kollegen vor der generellen Problematik: Ein Cobot, der eine direkte Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) erlaubt, bietet eine hohe Flexibilität und ermöglicht eine kompakte Konstruktion, erreicht aber nicht die gewünschten Geschwindigkeiten. Ein klassischer Industrieroboter kann hingegen hohe Taktzahlen leisten, benötigt allerdings wegen der erforderlichen Schutzeinrichtungen mehr Platz und ist auch weniger flexibel.

Klar war: „Wir wollten auf jeden Fall mehr bieten, nämlich volle Flexibilität bei voller Geschwindigkeit“, bringt Klaus Segbert die zentrale Anforderung auf den Punkt. „Für unser Konzept war das letztlich entscheidend, denn damit heben wir uns vom Wettbewerb ab.“ Nach einer umfassenden Marktanalyse fiel die Entscheidung deshalb auf das Robotermodell Motoman HC10 von Yaskawa.

Hybridroboter mit MRK-Skills

Die Motoman HC-Serie (Human Collaborative) steht für MRK-fähige Hybridroboter. Dabei handelt es sich um vollwertige Industrieroboter, die einerseits mit hoher Geschwindigkeit arbeiten können, aber auf sicher reduzierte Geschwindigkeit zurückfallen, sobald sich der Mensch unmittelbar im Arbeitsraum befindet. Mit externen Sicherheitssensoren, wie etwa Laserscannern, lässt sich eine solche Bereichsüberwachung umsetzen. Im Industriemodus, wenn also kein Mensch gefährdet wird, erreicht der Roboter Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 1 m/s.

Der Hybridmodus, also der Wechsel zwischen Kollaborations- und Industriemodus, kombiniert Wirtschaftlichkeit mit minimaler Aufstellfläche. Besonders vorteilhaft ist das Konzept bei der Integration in Anlagen, wo besonders wenig Platz vorhanden ist und der Einsatz von Zäunen schwierig wäre.

Buchtipp

Das Buch Industrieroboter ist ein Handbuch für KMU mit Tipps und Tricks zum Thema Robotereinsatz. Es werden die wichtigsten Grundlagen der Robotertechnik vermittelt und Methoden erläutert, wie bewertet werden kann, ob sich ein Produkt oder Prozess durch Robotereinsatz automatisieren lässt.

Die geforderte Sicherheit im direkten Kontakt mit dem Bediener gewährleistet der Motoman HC10 durch sechs integrierte Momentensensoren, die eine flexible Interaktion zwischen dem Roboter und seiner Umgebung ermöglichen. Sie überwachen auftretende externe Kräfte und gewährleisten somit die Sicherheit während der direkten Mensch-Roboter-Kollaboration. Entsprechend der deutschen und europäischen Sicherheitsnormen kann der Motoman HC10 als Roboter mit Leistungs- und Kraftbegrenzung in der 4. Kollaborationsart gemäß der technischen Spezifikation ISO TS15066 eingesetzt werden.

Semiautomatischer Cobot-Palettierer/Depalettierer

Damit zeigt sich der Motoman HC10 auch für die aktuelle Neuentwicklung von Segbert als prädestiniert: für den Palettierer/Depalettierer CPA-10. Diese kompakte Anlage ermöglicht das dynamische Palettieren und Depalettieren auf bis zu zwei Paletten. Als semiautomatisches System läuft sie dabei normalerweise im schnellen Industriemodus. Nähert sich eine Person, erfolgt automatisch die Umschaltung auf den Kollaborationsmodus.

In der aktuellen Version ist der CPA-10 ausgelegt für Produkte wie Kartons, Boxen oder andere feste Gebinde, die mit einem MRK-Vakuumsauger gegriffen werden können. In der Ausführung ohne Schutzmaßnahmen bzw. im rein kollaborativen Betrieb lassen sich dabei sechs Produkte pro Minute palettieren oder depalettieren. Ausgerüstet mit einer Sicherheitseinrichtung sind im Industriemodus bis zu elf Produkte möglich. Als Alternative zu Laserscannern oder Trittmatten hat Segbert dafür auch einen flexiblen, komplett mit der Anlage verfahrbaren Schutzzaun entwickelt. Mit diesem Schutzzaun bleibt die Anlage weiterhin einfach verfahrbar.

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Die maximale Netto-Traglast liegt bei 9 kg. Der Roboter sitzt auf einer verfahrbaren, höhenverstellbaren Konsole, die als 7. Achse in die Steuerung integriert ist. Die maximale Reichweite des Manipulators beträgt 1.200 mm und ist damit für Europaletten geeignet. Die Bedienung der Anlage erfolgt flexibel und intuitiv über das von Segbert entwickelte 3D-Lagenprogramm Rob Admin Basic oder Pro. Per Algorithmus berechnet die Software automatisch das ideale Lagenbild für den Roboter. Zusätzlich ist eine Produktmanagement-Software integriert.

Gesteuert wird der Roboter durch die Hochleistungssteuerung Motoman YRC1000 Micro, die über offene Schnittstellen mit den Programmen und der Anlagensteuerung kommuniziert. Dieser kompakte Controller mit einem Schrankvolumen von nur 30 l erlaubt eine gute Raumausnutzung. Das Programmierhandgerät der YRC1000-Micro-Steuerung gilt mit nur 730 g als das leichteste seiner Kategorie. Der Touchscreen ermöglicht eine intuitive Bedienung und einfaches Bewegen und Scrollen mit dem Cursor. Zusätzlich ist es möglich, den Roboterarm direkt mit der Hand zu führen und zu programmieren (Direct Teach, DT).

Im Januar 2021 hat Segbert die ersten CPA-10-Prototypen ausgeliefert. Erste Kunden-Feedbacks zeigen, dass der Einsatz eines MRK-fähigen Hybridroboters genau ihren Bedarf trifft: „Etwa in der Hälfte der Betriebszeit nutzen die bisherigen Anwender die Anlage im Industriemodus und in der anderen Hälfte im MRK-Betrieb“, berichtet Klaus Segbert von den ersten Anwendungserfahrungen in der Praxis.

Auf diesem Erfolg ruht sich das Team bei Segbert nicht aus: Aktuell sind weitere MRK-fähige Werkzeuge in Arbeit, zum Beispiel ein Gabelgreifer für offene, nicht saugfähige Kartons. Und auch eine neue Version CPA-20 mit einem größeren Motoman HC20-Roboter und doppelter Tragkraft ist bereits geplant – für die Vermarktung außerhalb Europas, wo größere Paletten üblich sind.

* Stefan Westermann, Yaskawa Europe, Robotics Division

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