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Energie-Verteilung Dezentrales Energiemanagement erfordert intelligente Verteilnetze
Informations- und Kommunikationstechnik ermöglichen einen politisch gewollten Paradigmenwechsel beim Betrieb von Verteilnetzen. Berücksichtigt man beim Ausbau einer Smart-Metering-Infrastruktur auch die Belange der Netzbetreiber, sind mit geringem Zusatzaufwand erhebliche Rationalisierungsreserven für den Netzbetreiber zu heben. Die Versorgung wird auch unter den neuen Randbedingungen sicher und von hoher Qualität sein.
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Die Verteilnetze in Deutschland sind sehr gut ausgebaut und können heute sehr effizient mit relativ geringem Einsatz von Automatisierungstechnik betrieben werden. Der Verbraucher hat eine im internationalen Vergleich hervorragende Versorgungsqualität mit einer durchschnittlichen Ausfallzeit von gerade mal zwanzig Minuten im Jahr. Künftig jedoch erfordern veränderte Rahmenbedingungen einen verstärkten Einsatz von Energiemanagement- und Automatisierungssystemen zur Aufrechterhaltung der Versorgungsqualität. Und zur Effizienzsteigerung beim Betrieb der Netze wird die Informations- und Kommunikationstechnik immer wichtiger.

Die Europäische Union hat 2006 in ihren 6. Rahmenprogramm die Studie „European Technology Platform Smart Grids: Vision and Strategy for Europe’s Electricity Networks of the Future” veröffentlicht (siehe Literaturhinweis unten). Die Smart-Grid-Visionen für die Netze der Zukunft sind:
- Flexibilität: Es werden alle Kundenansprüche auch in Bezug auf zukünftige Änderungen und Anforderungen erfüllt.
- Zugänglichkeit: Alle Nutzer erhalten Zugang zum Netz, besonders die Einspeiser mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen, lokaler Erzeugung und geringer CO2-Emission.
- Zuverlässigkeit: Die Sicherheit und die Qualität der Stromversorgung wird eingehalten.
- Wirtschaftlichkeit: Bester Nutzen durch Innovation, effizientes Energiemanagement bei Einhaltung der Regulierungsvorgaben.
In der Zukunft werden in der Energieversorgung alle Möglichkeiten umgesetzt, die unter wirtschaftlichen Randbedingungen die Anforderungen an Primärenergieeffizienz und Reduktion von klimaschädlichen Gasen erfüllen. Bei der Stromerzeugung werden auch weiterhin die zentralen Großkraftwerke mit den Primärenergieträgern Kohle, Kernkraft und Gas eine dominante Rolle spielen. Hinzu kommen Cluster von Windgeneratoren und große Photovoltaikanlagen. Eingespeist wird in die Übertragungsnetze.
Lastmanagement künftig auch für Privatkunden
Aber auch für Verteilnetzbetreiber werden sich neue Anforderungen ergeben. Die weiter steigende Nachfrage wird auch die gut ausgebauten Verteilnetze an die Grenze der Belastbarkeit bringen. Zwar sind die Netze im zeitlichen Mittel noch aufnahmefähig, aber die heute tageszeitabhängigen Spitzenlasten bereiten nicht nur den Stromerzeugungs-Unternehmen zunehmend Probleme. Der Ausgleich des Tageslastgangs kann somit helfen, teuere und nur für wenige Stunden am Tag benötigte Investitionen zu vermeiden. Daher sind künftig alle Massnahmen einzusetzen, die eine Verschiebung der Nachfrage nach Kriterien des wirtschaftlichen Netzbetriebs ermöglichen. Aufgabe des Verteilnetzbetreibers wird also zukünftig das Lastmanagement auch für Privatkunden sein.
Heute sind die Verteilnetze im Mittel- und Niederspannungsbereich meist noch in der Lage, die Einspeisung dezentral erzeugten Stroms ohne Qualitätsprobleme zu ermöglichen. Der bisherige starke Anstieg der dezentralen Energieeinspeisung wurde massiv durch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) gefördert. Ein weiteres Wachstum müssen aber die Netzbetreiber mit größeren Anstrengungen zur Sicherstellung der Versorgungszuverlässigkeit und der Stromqualität begleiten. Die Verteilnetze können zukünftig nicht zu jeder beliebigen Zeit jeden gerade produzierten Strom aus den fluktuierenden Energiequellen Sonne und Wind aufnehmen. Verschärfen würde sich die Situation, wenn in großem Umfang die heutigen Heizungen durch Kombigeräte ersetzt werden, die neben der Wärme auch Strom erzeugen. Heute sind bereits Kleinstblockheizkraftwerke verfügbar, die mit so unterschiedlichen Techniken wie Gasdieselmotor, Stirlingmotor oder Brennstofzelle arbeiten.
Das intelligente und flexible Netz als Perspektive für die Betreiber
Blockheizkraftwerke (BHKW) werden heute meistens wärmegegeführt betrieben. Die gleichzeitige Nutzung der Primärenergie für Heizzwecke und für die Stromerzeugung macht solche BHKW unter dem Gesichtpunkt der Energieeinsparung besonders interessant. Daher entspricht ihr weiterer Ausbau dem politischen Willen der Reduzierung des Primärenergieverbrauchs. Für die Verteilnetzbetreiber ergibt sich ein Paradigmenwechsel von der festgefügten Stromverteilung zu einem intelligenten und flexiblen Stromnetz mit einer großen Zahl dezentraler Einspeisungen.

Auch Privatkunden mit Standard-Lastprofil können heute von der Möglichkeit des Wechsels ihres Stromanbieters Gebrauch machen. Eine tageszeitabhängige Preisstellung ist bislang allenfalls durch die Zweitarifzähler — getrennt für Tag- und Nachtstrom — gegeben. Der Verteilnetzbetreiber ist zur Durchleitung des Strom anderer Anbieter verpflichtet. Stromanbieter, Netzbetreiber und Endverbraucher haben teilweise gegenläufigen Interessen.
Stromanbieter werden in Zukunft auch ihren Privatkunden eine monatliche Abrechnung erstellen müssen. Die vielfache Messung des tatsächlichen Verbrauchs im Jahr lässt sich wirtschaftlich nur mit fernauslesbaren Zählern verwirklichen. Zusätzliche Funktionen mit Antwortzeiten von bis zu 15 Minuten — wie Last- und Erzeugungsteuerung oder Stromqualitäts-Messung — lassen sich relativ einfach ergänzen.
Mehr Transparenz kann die Nachfrage beeinflussen
Heute wird allgemein davon ausgegangen, dass sich mit mehr Informations- und Kommunikationstechnik die Neuorientierung beim Betrieb von Verteilnetzen problemlos realisieren lässt. Für virtuelle Kraftwerke, die aus mehreren kleineren Stromerzeugungseinheiten bestehen, sind schon jetzt dezentrale Energie-Managementsysteme im Einsatz. Durch Erweiterung können diese auch für eine sehr großen Zahl von dezentralen Kleinstromerzeugern ausgebeut werden. Für das Lastmanagement wurden neue Konzepte entwickelt, die durch Übermittlung eines aktuellen Leistungspreises die Verbraucher zum zeitlichen Verschieben der Stromnachfrage bewegen.
Alle diese Ansätze werden in einen vier Jahre laufenden Praxistest in sechs verschiedenen Förderprojekten im E-Energy-Vorhaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (vgl. Literaturhinweis) unter verschiedenen Randbedingungen umgesetzt, um Erfahrung aus dem Alltagsbetrieb zu gewinnen.
Der Haushaltszähler als Datenzentrale mit Steuerungsfunktion
Besondere Bedeutung haben in Zukunft die über eine bidirektionale Kommunikation mit dem Netzbetreiber verbundenen elektronischen Haushaltszähler. Er kann mit “Smart Metering” wertvolle Information über den Zustand des Verteilnetzes gewinnen, die Einhaltung der zulässigen Spannungspegel überwachen und über den Zähler als Gateway auch auf dezentrale Stromerzeuger oder Lasten einwirken. Für die Datenübertragung können alle möglichen Kommunikationsmedien zum Einsatz kommen: Das reicht von Funkmodulen über Mobiltefonnetze bis zu Internetverbindungen und einer Übertragung über die Stromleitung selbst. Mögliche Konflikte zwischen dem Netzbetreiber und dem Stromlieferanten über die Nutzung der gleichen Daten und den Zugriff auf die Anlage des Kunden müssen geklärt werden. Der Verteilnetzbetreiber benötigt die Werte in Echtzeit, während für Verrechnungszwecke eine monatliche Datenauswertung ausreicht.
Zurzeit errichtet Siemens Energy bei der Energie AG Oberösterreich eine Gesamtlösung für die automatisierte Verbrauchsdaten-Erfassung und das Management von Verteilnetzen. Diese Lösung basiert auf dem automatisierten Verbrauchsdatenerfassungs- und Informationssystem (AMIS) von Siemens. Der Netzbetreiber gewinnt über dieses System Verbrauchsdaten und wertvolle Informationen über den Zustand des Verteilnetzes. Dazu arbeitet AMIS mit Powerline-Carrier-Technik, um so vorhandene Stromleitungen für die Datenübertragung nutzen zu können.
Spezialisierte Automatisierungssysteme garantieren Qualität und Sicherheit
Die Zuverlässigkeit der Stromversorgung und die Einhaltung der relevanten Qualitätskriterien wie Spannungstoleranzen oder minimale Oberschwingungen werden unter den neuen Randbedingungen hohe Anforderungen an die Verteilnetzbetreiber stellen. Ist die Einspeiseleistung in einem Nieder- oder Mittelspannungszweig zu groß, können Spannungsüberhöhungen vorkommen, die möglicherweise angeschlossene Geräte zerstören könnten. Der heute übliche Kurzschluss-Schutz kann zu hohe Ströme auf Teilabschnitten eines Mittelspannungsrings mit hoher Einspeiseleistung an einzelnen Verteilnetz-Transformatoren möglicherweise nicht mehr erkennen und somit nicht abschalten. Künftig werden daher in auch den kleineren Mittelspannungsanlagen und den Ortsnetzstationen spezialisierte Automatisierungssysteme zum Einsatz kommen, die neben der Messung der Stromqualität auch einen Schalter zur Spannungsanpassung ansteuern können. Für diese Zwecke — und auch zur Entkopplung von Mittelspannungs-Teilnetzen — können leistungselektronische Komponenten eingesetzt werden.
Eine weitere Aufgabe der Verteilnetz-Automatisierung ist das schnelle Abschalten von defekten Betriebsmitteln und die selbsttätige Rekonfiguration eines Mittelspannungsrings. So kann beispielsweise nach Ausfall eines Kabels oder einer Freileitung bereits innerhalb von wenigen Minuten die Versorgung wieder hergestellt werden. Die Reparatur geschieht dann zu einem späteren Zeitpunkt.
Literaturhinweise
- EUR 22040 – European Technology Platform Smart Grids, Vision and Strategy for Europe‘s Electricity Networks of the Future, European Communities, Luxembourg 2006.
- Potenzial der Informations- und Kommunikationstechnologien zur Optimierung der Energieversorgung und des Energieverbrauchs (eEnergy), Bad Honnef, 2006.
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